Der Milchpreis wird spätestens seit der Aufhebung der letzten Quotenregularien nicht mehr bloß von Kuhbestand und Futterangebot im Land bestimmt.

Rund 550.000 Kühe produzieren in Österreich tagtäglich auf rund 26.000 bäuerlichen Betrieben Milch. Gut 3,2 Mio. t wurden so allein im Vorjahr erzeugt und von den 75 heimischen Molkereien und Käsereien veredelt. Das Gros findet dann über einen der vier großen Player im Lebensmitteleinzelhandel (LEH), die da heißen Spar, REWE, Hofer und Lidl, den Weg zum Konsumenten. Bis 2015 war der Milchmarkt auf Erzeugerebene durch Produktionsquoten streng reglementiert. Seither reguliert sich das Geschäft mit dem „weißen Gold“ selbst. Entsprechend komplex stellt sich die Preisbildung dafür entlang der Wertschöpfungskette dar.

Einer macht den Preis

Grob vereinfacht, setzt sich der Verbraucherpreis im Supermarkt dabei aus der Summe aller Kosten, Gewinne und Handelsspannen aller Teilnehmer der Wertschöpfungskette zusammen. Tatsächlich festgelegt wird der Preis an der Ladentheke jedoch nur vom LEH. Molkereien geben aus kartellrechtlichen Gründen keine Preisempfehlungen mehr ab und auch die Produzenten selbst haben kein Mitspracherecht. Im Vorjahr erhielten sie für ihre gentechnikfreie Qualitätsmilch rund 48 Cent pro Kilogramm netto. Auf Nachfrage beim Diskonter Hofer heißt es: „Der Milchpreis, den die Bauern bekommen, wird nicht von uns festgelegt. Wir haben darauf keinen direkten Einfluss.“

Quelle: ILLUSTRATIONEN: BEMPHOTO - STOCK.ADOBE.COM, WILM IHLENFELD - STOCK.ADOBE.COM; GRAFIK: BZ/MERL
Prozentuelle Zusammensetzung des Verbraucherpreises von Frischmilch, wie in einer Boku-Studie für das
Preisniveau von 2021 beziffert (links für eine Handelsmarke, rechts für die Molkereimarke).

Tatsächlich legen Molkereien diesen anhand unterschiedlicher Systeme fest. „Der Rohmilchpreis wird vom bäuerlichen Vorstand monatlich bewertet und gegebenenfalls angepasst“, erklärt etwa Berglandmilch-Sprecherin Anna Brandstetter. Die größte Molkerei im Land verfolgt damit ein für Genossenschaftsmolkereien typisches „Vorgehen nach dem Verwertungssystem“. Private Molkereien agieren hingegen häufig nach dem Referenzpreissystem. Sie legen den Preis also mit direktem Bezug auf die aktuelle Marktlage oder etwa anhand des Durchschnittspreises, der von den größten Molkereien bezahlt wird, fest.

Die Preisgestaltung ist dabei für alle Beteiligten von enormer Bedeutung. So stellt das Milchgeld auf spezialisierten Milchviehbetrieben mittlerweile 70 Prozent der Einnahmen, für Molkereien macht der Rohstoffzukauf die Hälfte bis 90 Prozent der Gesamtkosten aus. Laut Ergebnissen einer 2021 am Marketing-Institut der Universität für Bodenkultur (Boku) durchgeführten, anonymen Expertenbefragung spiegelt sich der Erzeugerpreis im Supermarktregal jedoch nur mehr mit einem Anteil von etwa einem Drittel wider.

Harte Verhandlungen

Den Molkereien obliegt es dann, die für sie in der Verarbeitung entstehenden Kosten für Energie, Transport, Personal und Verpackung an den Handel weiterzugeben. In Summe beziffert man an der Boku die sogenannte „Molkereispanne“ mit 15 bis 18 Prozent. Milch und andere Molkereiprodukte werden vom LEH üblicherweise über Ausschreibungen gesucht oder in exklusiven Produktvorstellungen von den Molkereien feilgeboten. Die Pressesprecherin von Spar, Nicole Berkmann, plaudert aus dem Nähkästchen: „Natürlich wird dabei oft hart verhandelt, aber das gehört zum Geschäft. Hersteller wollen so teuer wie möglich verkaufen und die Händler so günstig wie möglich einkaufen. Wir konnten uns aber immer einigen.“

Natürlich wird dabei oft hart verhandelt, aber das gehört zum Geschäft

Zu einem anderen Schluss kommt die Bundeswettbewerbsbehörde. Molkereien hätten gegenüber dem LEH eine strukturbedingte, tendenziell schwächere Verhandlungsbasis, heißt es dort. Tatsächlich generieren einzelne heimische Molkereibetriebe bis zu 40 Prozent ihres Umsatzes von Verträgen mit einem einzigen Abnehmer. Was die Dauer der Abnahmeverträge betrifft, sagt Brandstetter von der Berglandmilch: „Die Laufzeiten betragen in der Regel ein bis sechs Monate. Längerfristige Vereinbarungen, die keinem Referenzpreis folgen, sind nicht üblich.“ Trotzdem sei man seitens des Handels bemüht, „Preise stets mit den Verarbeitern auf längere Zeiträume zu verhandeln“, wie man bei Hofer betont.

Es gibt keinen abgegrenzten österreichischen, deutschen oder italienischen Milchmarkt mehr

Für die Preisbestimmung zwischen Handel und Molkerei gilt dabei neben dem nationalen Wettbewerb vor allem die internationale Marktentwicklung als entscheidend. Denn mit einer positiven milchwirtschaftlichen Handelsbilanz von 489 Mio. Euro im vergangenen Jahr ist Österreich längst am globalen Milchmarkt angekommen. „Es gibt keinen abgegrenzten österreichischen, deutschen oder italienischen Milchmarkt mehr“, erklärt die Berglandmilch- Sprecherin. „Wir folgen heute denselben grundsätzlichen Entwicklungen wie der Spotmarkt, wenn auch in gedämpfter Art und Weise.“

Preisbewusste Kunden

Deutlich weniger Einfluss haben diese internationalen Entwicklungen auf den tatsächlichen Verbraucherpreis im Regal. Bei Marktführer Spar beruhigt man: „Die Evaluierung erfolgt laufend. Die Sortimentsmanager haben die Preise ihrer Produkte im Blick und achten darauf, dass sie marktgerecht sind.“ Diese „Marktgerechtigkeit“ misst sich bei den Konsumenten laut den anonymen Aussagen des LEH in der Boku- Studie allerdings vorwiegend an den Aktivitäten der Konkurrenz. „Die alleinige Rohstofferhöhung ist noch lange kein Grund für die Erhöhung von Produktpreisen“, ist dort zu lesen. Die „großen Vier“ des Handels messen sich demzufolge monatlich anhand der Marktanteile und versuchen durch Angebote, bewusste Preisschwellen und geringere Margen, ihr Gesamtangebot für die „preisbewussten Konsumenten attraktiv zu gestalten“. Gut 40 Prozent des Verkaufspreises von Trinkmilch entfallen letztlich je Packung auf den Handel, obgleich man lieber „auf die Marge verzichtet und versucht, die Regalpreise so niedrig wie möglich zu halten“, beteuert man bei Lidl.

- Bildquellen -

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  • Fleckvieh: agarfoto.com
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AUTORClemens Wieltsch
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