Man spürt, dass es so nicht weitergehen kann

Interview mit Günter Stummvoll

Günter Stummvoll will als Sprecher der Plattform
Günter Stummvoll will als Sprecher der Plattform “Der Mittelstand” auch die Reformkräfte in der Regierung unterstützen, mit dem Ziel, Verwaltung und Bürokratie endlich zu reformieren. ©BZ/Stockinger
Günter Stummvoll, Sprecher der Aktionsplattform “Der Mittelstand”, erklärt im BZ-Interview, warum rascher Bürokratieabbau für Wirtschaft und Arbeitsplätze so wichtig ist.

Die Plattform ‚Der Mittelstand‘ hat im Zuge der Steuerreform gegen Eigentumssteuern gekämpft. Die Steuerreform ist nun zwei Monate in Kraft. Sind Sie zufrieden?
STUMMVOLL: Es ist dies die erste Steuerreform seit vielen Jahren, die ich nicht mitverhandelt habe. Daher ist es sehr schwierig, Kritik zu üben. Ich orte aber in weiten Bereichen der Wirtschaft Missstimmung, weil die Steuerreform in hohem Ausmaß eine Steuerumverteilung und keine Steuersenkung ist. Es ist zweifellos gelungen, Eigentumssteuern in Höhe von zwei Mrd. Euro, die unmittelbar gedroht haben, auch durch massives Eintreten der Plattform zu verhindern. Aber die Gegenfinanzierung ruft eine gewisse Missstimmung hervor. Das Problem ist, dass die reine Tarifsenkung nach zwei, drei Jahren verpufft ist, aber die Gegenfinanzierungsmaßnahmen – manche sagen ‚die ganzen Grauslichkeiten‘ – auf Dauer bestehen bleiben. Es ist eigentlich schade, dass das Volumen der Steuerreform von fünf Mrd. Euro eine derartige Stimmung erzeugt.

Es gibt Proteste gegen die Registrierkassenpflicht – auch von der Landwirtschaft. So hat zuletzt der Weinbauverband geklagt, dass dadurch Weinfeste unmöglich gemacht würden. Wo sehen Sie Nachbesserungsbedarf?
STUMMVOLL: Gegen die Registrierkassenpflicht ist es auf der einen Seite natürlich sehr schwer zu argumentieren, weil niemand ‚Steuerbetrug decken‘ will. Auf der anderen Seite hat man die Auswirkungen und die vielfältigen Varianten, die es in der Praxis gibt, schwer unterschätzt. Beispielsweise müsste ein Weinbauer, der zwar eine Registrierkasse am Betrieb hat, noch eine zusätzliche Kasse in der Kellergasse haben, wenn er ein Kellergassenfest veranstalten will.

Verlust für die Weinkultur

Ich muss ehrlich sagen, es wäre ein Verlust für die Weinkultur, wenn die Kellergassenfeste, die einen touristischen Aspekt und eine jahrelange weinkulturelle Tradition haben, wegen der Registrierkassenpflicht verschwinden würden.

Seit Jahren fordert die Wirtschaft Bürokratieabbau. Haben Sie noch Hoffnung, dass da etwas passiert?
STUMMVOLL: Wir haben jetzt seit Jahren eine ständig steigende Arbeitslosigkeit. Wir haben in den internationalen Rankings ständig an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Wir haben ein geringeres Wachstum als der Durchschnitt der Euro-Länder. Das heißt, man spürt überall, dass es so nicht weitergehen kann. Egal ob Landwirtschaft oder gewerbliche Wirtschaft: Thema Nummer eins ist Bürokratie. Beispielsweise wurde unlängst ein Gastwirt mit rund 1500 Euro Strafe belegt, weil er nach dem Tausch einer Eingangstür vergessen hat, unverzüglich das Nichtraucher-Pickerl wieder anzubringen. Das ist ja absurd.

Weg von “Triple-B”

Ich zitiere in diesem Zusammenhang den Präsidenten der Land&Forst Betriebe, Felix Montecuccoli: ‚Wir müssen weg von Triple-B – Belastung, Bürokratie und Bestrafung‘. Der Kampf gegen die Bürokratie hat allerdings noch nicht die gewünschten Erfolge gebracht. Wenn wir aber wieder Wachstum wollen und den Arbeitsmarkt wieder halbwegs in den Griff bekommen wollen, dann wird kein Weg daran vorbeiführen, die Überregulierung der Wirtschaft aufzubrechen. Das müssen wir endlich in Angriff nehmen. Es liegen alle Unterlagen auf diversen Schreibtischen, man muss sie nur umsetzen.

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner hat zuletzt einen Fünf-Punkte-Plan zum Bürokratieabbau vorgestellt. Reichen die darin enthaltenen Maßnahmen, wie etwa einfachere Gründungs- und Genehmigungsverfahren?
STUMMVOLL: Das kann nur ein erster Schritt sein. Einen großen Wurf über alle Fachgebiete wird es nicht geben. Daher braucht man eine Politik der kleinen Schritte. Man kann etwa für die nächsten Monate das Thema Arbeitnehmerschutz angehen, als Nächstes die Arbeitszeit, dann das Thema Umweltauflagen. Man muss Thema für Thema abarbeiten und konsequent dranbleiben.

Sehen Sie Bereitschaft des Koalitionspartners SPÖ, sich hier zu bewegen?
STUMMVOLL: Damit sprechen Sie den wunden Punkt an. Man kann hundertmal überzeugt sein, dass die eigene Meinung die richtige ist. Wenn man aber keine Mehrheit hat, hilft einem das nichts. Wir haben eben zwei Regierungspartner, die einen sehr unterschiedlichen Zugang zur Wirtschaft haben.

Ein ebenso unendliches Thema ist die Verwaltungsreform: Was sollte hier konkret passieren?
STUMMVOLL: Der Österreich-Konvent zur Verwaltungsreform fand vor etwa zehn Jahren statt. Dazu gibt es ausreichend Unterlagen. Hier gilt das Gleiche wie beim Bürokratieabbau: Ein neuerlicher Anlauf ist notwendig. Der Bundeskanzler hat jahrelang gesagt: ‚Ja, wir haben die besten Arbeitsmarktdaten in der Europäischen Union.‘ Die haben wir schon lange nicht mehr. Das Hauptkennzeichen der Zeit, in der wir leben, ist das Tempo der Veränderung – wirtschaftlich, technisch, sozial. Es ist für die Politik ohnehin schwer, mit diesem Tempo mitzuhalten. Wenn es dann auch noch Kräfte gibt, die sagen, ‚es ist alles bestens‘, dann sind wir auf verlorenem Posten.

Ihre Plattform wird also weiterhin beschäftigt sein?
STUMMVOLL: Wir wollen Problembewusstsein erzeugen und Druck ausüben. Wir sehen uns auch als Unterstützung der Reformkräfte in der Regierung. Damit alles so bleibt, wie es ist, muss man sehr viel verändern. Vor allem in einer Zeit, in der das Tempo der Veränderung so rasant ist.

Interview: Christine Demuth

Die Plattform: Für Leistung & Eigentum

Die Aktionsplattform “Der Mittelstand” setzt sich für Leistung und Eigentum ein. Ihr gehören folgende 13 Mitglieder an: Land&Forst Betriebe, Landwirtschaftskammer, Raiffeisenverband, Industriellenvereinigung, Haus- und Grundbesitzerbund, Hoteliervereinigung, Verband der Privatstiftungen, Bund der Steuerzahler, Wirtschaftskammer, Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Notariatskammer, Rechtsanwaltskammertag, Handelsverband. Infos unter: www.der-mittelstand.at

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