Knotige Veränderungen der Haut und der Schleimhäute sind die Symptome einer Rinderkrankheit, die sich derzeit vom Mittleren Osten ausgehend nach Europa hin ausbreitet. Es handelt sich um eine Pockenvirusinfektion (Capripoxviren) der Wiederkäuer, die international als Lumpy Skin Disease (LSD) bezeichnet wird, zu deutsch als Hautknotenkrankheit der Wiederkäuer. Diese Tierseuche zählt zu den anzeigepflichtigen Tierkrankheiten, die mit hohen wirtschaftlichen Verlusten und insbesondere auch mit Exportbeschränkungen verbunden ist.
Im Juni bereits der erste Ausbruch in Serbien
LSD tritt seit Jahren in vielen Län dern Afrikas auf. Seit 2012 hat sich diese Rinderseuche von Afrika aus in Richtung Mittlerer Osten verbreitet; betroffen waren vor allem Israel und die Türkei (siehe Karte) wo die Krankheit bereits als “eingebürgert” (endemisch) gilt. Im August 2015 wurden neue Ausbrüche in Rinderherden in Europa registriert, insbesondere in Griechenland im Evros-Delta nahe der türkischen Grenze. Ende des Jahres 2015 wurde in der Türkei bereits von 308 Ausbruchsereignissen berichtet, in Griechenland von 75 (Anm.: Quelle für die genannten Zahlen ist das Internationale Tierseuchenmeldesystem, auch Animal Desease Notification System, ADNS). Mitte April 2016 wurden erstmals sechs Ausbruchsherde in Bulgarien bestätigt; am 8. Juni 2016 waren es bereits 155 betroffene Herden mit 210 infizierten Rindern. In den Monaten April und Mai wurden mehrere Ausbrüche in Mazedonien und am 8. Juni bereits der erste Ausbruch von Lumpy Skin Disease in Serbien gemeldet. Die Zahl der infizierten Tiere pro Herde betrug zwischen einem Tier und sieben Tieren. In Bulgarien wurden daraufhin nicht nur die erkrankten Tiere, sondern auch Tiere aus den betroffenen Herden getötet; insgesamt handelte es sich laut Bericht vom 8. Juni um 2339 Tiere. Die Krankheit breitet sich seither in Bulgarien und Mazedonien relativ rasch aus.
Verbreitung über Insekten und Tierhäute
Als Ursache für die rasche Verbreitung auch über größere Entfernungen wird die Übertragung der Erreger durch Milben und Insekten (Gnitzen, Stechmücken und Fliegen wie Stuben- und Stallfliege) vermutet. Milben sind wichtige Vektoren, da sie auch lange Wintermonate überdauern können. Weitere Infektionswege sind der Kontakt zwischen den Tieren sowie auch Tierhäute und Felle (Jagdtrophäen); in trockenen, unbehandelten Tierhäuten kann das Virus bis zu 18 Tage überleben. Die Verbreitung von LSD in der Türkei ist auf große Tierbewegungen aus der Randzone zu Syrien in Richtung Griechenland, Georgien und Russland zurückzuführen (Quelle: EFSA). Nach Verordnung (EG Nr. 206/2010) ist der Import von LSD-empfänglichen lebenden Tieren aus Drittstaaten in Nordafrika und dem Mittleren Osten in die EU verboten.Krankheitsausbrüche bei europäischen Wiederkäuern wurden bislang nur von Hausrindern gemeldet. Für die Infektion mit dem Pockenvirus empfänglich sind vor allem Jungtiere und Milchkühe am Höhepunkt der Laktationsphase. Stark ausgeprägt ist der Krankheitsverlauf meist bei Hochleistungsrindern, z. B. der Rassen Holstein Friesian, Jersey, Guernsey und Ayrshire. Für Menschen besteht nach derzeitigem Wissensstand keine Infektionsgefahr.
Fieberschübe und schmerzhafte Hautknoten
Die Zeit zwischen der Ansteckung und dem Auftreten erster Krankheitssymptome (Inkubationszeit) beträgt bei LSD unter natürlichen Haltungsbedingungen durchschnittlich zwei bis vier Wochen, kann aber auch länger andauern. Auffälligste Symptome sind zunächst Fieberschübe von bis zu 41 °C, die über vier Tage bis hin zu zwei Wochen andauern können. Das Fieber ist begleitet von Mattigkeit, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust. Die typischen Hautknoten treten meist 48 Stunden nach Beginn der Fieberschübe auf. Bei diesen Knoten handelt es sich um schmerzhafte, feste Schwellungen von 0,5 bis 5 cm Durchmesser, die vereinzelt, oft aber auch generalisiert auftreten. Bevorzugte Körperstellen sind Kopf, Hals, Schwanzbereich, Perineum, äußere Genitalorgane, Euter und Extremitäten. Die Schwellungen können mehrere Wochen anhalten und aufgrund bakterieller Sekundärinfektionen eine Mastitis auslösen. Weitere Symptome sind stark vergrößerte Lymphknoten, erhöhter Speichel- und Tränenfluss sowie eine ausgeprägte Entzündung der Bindehaut am Auge, die bis zum Erblinden führen kann.Zu beachten ist, dass nur etwa die Hälfte der infizierten Rinder das typische Krankheitsbild zeigt; vielfach verläuft LSD ohne ausgeprägte Symptome (“subklinisch”) und ist deshalb schwer zu erkennen, dennoch können die Tiere den Erreger verbreiten. Wichtigste Schutzmaßnahme zur Eindämmung der Seuche ist die Nottötung infizierter, aber auch verdächtiger Tiere. Die Überwachung und Kontrolle von gesunden Wirtstieren und die Kontrolle der Vektoren in den Seuchengebieten und angrenzenden Regionen sind weitere wichtige Vorkehrungen zur Eindämmung der Tierseuche. Impfstoffe zur LSD-Vorbeuge sind zwar verfügbar, sie können aber Infektionen nicht verhindern. Manche Tiere erkranken trotz Impfung und zeigen eine milde Verlaufsform von LSD. In Griechenland, wo Impfkampagnen durchgeführt wurden, kam es aufgrund von nicht flächendeckenden Impfungen zu neuen Krankheitsfällen. Auch bei flächendeckender Impfung in betroffenen Gebieten Europas müssen aber spezielle Auflagen erfüllt werden. In Bulgarien hat die EU aufgrund der sich rasch ausbreitenden Seuche bereits im April 2016 Sperrzonen um die betroffenen Ausbruchslokalisationen errichtet. Die Verbringung von Lebendtieren aus den Sperrzonen ist untersagt; der Handel mit Sperma, Eizellen, Embryonen sowie mit unbehandelten Fellen und Häuten von Tieren aus der Sperrzone ist ebenfalls verboten. Der Vertrieb von Erzeugnissen aus Fleisch und Milch ist nur unter speziellen Auflagen zulässig.
Pockenvirus: Bei Verdacht rasch handeln
Lumpy Skin Disease ist eine anzeigepflichtige Pockenviruserkrankung; bei geringstem Verdacht muss daher der Amtstierarzt informiert werden. Die Maßnahmen bei Auftreten der Krankheit sind mit hohen wirtschaftlichen Verlusten verbunden. Die rasche Verbreitung durch direkten Kontakt und durch die zahlreichen Vektoren ist Grund genug für ein rasches Handeln. Bei geringstem Verdacht sollten vom Amtstierarzt Proben (Hautnekrosen, Tränenflüssigkeit, Speichelflüssigkeit, Serum und EDTA-Blut) genommen werden. Im Ages-Institut, im Zentrum für biologische Sicherheit, werden die Proben unter gesicherten Bedingungen mit modernsten Methoden untersucht.
Dr. Susanne Richter, Ages, Mödling