Als zentrales Forum vereint die Wintertagung des Ökosozialen Forums Tradition und Innovation und bietet Raum für den Austausch von Wissen und praktikablen Lösungsansätzen. In diesem Jahr teilen an elf Fachtagen über 150 Referenten aus Wissenschaft, Politik und Praxis ihre Erfahrungen und ihr Wissen mit interessierten Teilnehmern. Der Fokus der diesjährigen Wintertagung liegt insbesondere auf der Gestaltung einer zukunftsfähigen Landwirtschaft nach dem Motto „Innovation aus Tradition“.
Den Auftakt der Veranstaltung bildete ein Doppelinterview zu regionaler Standortentwicklung und dem Umgang mit Konfliktfeldern der Nachhaltigkeit mit Moderation durch den Direktor des Tiroler Bauernbundes Peter Raggl.
Unterschiedliche Interessen verbinden
Den Fragen der Moderation stellten sich Marianne Kuntz von der Stabstelle für Nachhaltigkeit beim Südtiroler Bauernbund und Lukas Krösslhuber vom Tourismusverband Wilder Kaiser. „Zentral ist die Frage, was Nachhaltigkeit eigentlich in der Praxis bedeutet. Die Landwirtschaft ist immer das erste Opfer von Phänomenen wie dem Klimawandel und trägt durch Bewirtschaftung der Flächen zur Lösung von derartigen Problemen bei. In Südtirol setzen wir auf eine Aktionsgruppe verschiedener Akteure und haben so bereits acht Leuchtturm-Projekte erarbeitet. Eines davon ist zum Beispiel der vermehrte Einsatz von Wirtschaftsdünger statt Mineraldünger. Für eine breitere Verteilung wollen wir logistische Strukturen, wie etwa eine Güllebörse, schaffen“, erzählt Marianne Kuntz.
Ein guter, intakter Lebensraum sowie die Kulturlandschaft schätzen und erhalten sei auch im Interesse des Tourismus, argumentiert Lukas Krösslhuber. „Wir versuchen in der Region, unser Unternehmen nachhaltig aufzustellen und heimische Produzenten vor den Vorhang zu holen. Von besonderer Bedeutung ist der wertschätzende Dialog zwischen den beteiligten Akteuren. Die Zielsetzung sollte sein: Wie kann Tourismus der Region am besten nützen? Nur so lassen sich unterschiedliche Interessen verbinden.“
Ein Vorzeigebeispiel für ganzheitlich nachhaltigen Tourismus im Berggebiet präsentierte die Vorarlbergerin Magdalena Kessler vom Naturhotel „Chesa Valisa“ im Kleinwalsertal. Das Grundgebäude des heutigen Hotels wurde bereits im Jahr 1507 gebaut, die Familie lebt hier seit 14 Generationen. Die Hochrisikoentscheidung, das Hotel der Nachhaltigkeit zu verschreiben, trafen die Eltern Klaus und Sieglinde Kessler. Mit Erfolg – das Bio-Zertifikat besteht sei 2007 und wird in allen Bereichen des Hotels gelebt. Vom Bauen übers Wohnen bis hin zur Kulinarik wird das Hotel nach ökologischen Grundsätzen von Familie Kessler geführt.
Gemeinsam Lösungswege suchen
Die abschließende Podiumsdiskussion war einer augenscheinlich widersprechenden Branchen-Logik zwischen Tourismus und Landwirtschaft gewidmet. „In Tirol sind Landwirtschaft und Tourismus untrennbar miteinander verbunden. Die Menschen – nicht nur die Gäste – nutzen den Naturraum, der für die Landwirtschaft Arbeitsplatz und Produktionsstätte ist, teils intensiv. Mit dem Tiroler Mountainbike-Modell und unserem Programm ‚Bergwelt Tirol miteinander erleben‘ haben wir von Landesseite Instrumente geschaffen, die auch im Naturraum eine Partnerschaft auf Augenhöhe und ein möglichst konfliktfreies Mitei-nander gewährleisten,“ so der für Landwirtschaft zuständige LH-Stv. Josef Geisler. Die Farmfluencerin Magdalena Esterhammer sieht jeden gefordert, einen Beitrag zum konstruktiven Miteinander zu leisten. Als Bäuerin, die im Wirtshaus mit angeschlossener Landwirtschaft aufgewachsen ist, habe sie früh gelernt, wie wichtig es früher war und heute ist, dass Tourismus und Landwirtschaft gut zusammenspielen.
Die Vermittlung zwischen den unterschiedlichen Bedürfnissen kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten gemeinsam nach Lösungswegen suchen. Für LH-Stv. Josef Geisler ist eine praktische Lösung etwa der Aufbau von Logistikketten, die landwirtschaftliche Erzeugnisse zur Gastronomie bringen. Für Alois Rainer, Obmann Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der Wirtschaftskammer Österreich, geht es darum, aus gut funktionierenden Maßnahmen eine Sogwirkung zu kreieren, um weitere Betriebe auf beiden Seiten zu gewinnen. Ein weiterer Diskussionspunkt war die Wertschätzung heimischer Lebensmittel. Bernhard Zangerl, Betreiber des Kitzloch in Ischgl, konnte direkt aus der Praxis berichten: Das selbst produzierte Fleisch, welches er in seinem Wirtshaus verkauft, sei ein Qualitätsmerkmal, was von den Gästen geschätzt werde.
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