Laut EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski bemüht sich die EU gemeinsam mit Polen, den Bedarf der Bauern zu decken und bringt jede Woche 50.000 t Treibstoff in die Ukraine, um die Aussaat zu ermöglichen. Die Kommission hat auch eine Finanzierung von Treibstoff aus Mitteln der Nachbarschaftspolitik ermöglicht. Laut dem Agrarkommissar unternehme die Kommission derzeit auch alles, um bei der Gasversorgung unabhängiger von Russland zu werden. Das allerdings werde die Preise für Düngemittel beeinflussen.
Durch die Freigabe von Ökologischen Vorrangflächen (ÖVF) für die Ernährungssicherheit stünden rund 4 Mio. ha zusätzlich für die Produktion etwa von Getreide zur Verfügung. Wie der Agrarkommissar zugleich versicherte, ist die Lebensmittelversorgung in der EU gesichert. Es bestehe keine Gefahr von Versorgungslücken.
Zufrieden mit dem Brüsseler Krisenmanagement zeigte sich der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschuss im EU-Parlament, der deutsche CDU-Politiker Norbert Lins, weniger der agrarpolitische Sprecher der Grünen, Martin Häusling. „Eigentlich ist es business as usual, was wir hier machen“, so Häusling. Allein Beihilfen zur Privaten Lagerhaltung (PLH) von Schweinefleisch seien der Krise aber nicht angemessen. Stattdessen müsste die seit Jahren geforderte Eiweißstrategie vorangebracht werden.
Millionen Hektar bleiben unbestellt
Derweil hat der neue ukrainische Landwirtschaftsminister Mykola Solskyi die absehbaren Ausfälle bei der anstehenden Frühjahrsaussaat in dem kriegsgeschüttelten Land benannt. Ihm zufolge sind aufgrund der Kampfhandlungen die Feldarbeiten auf einem Gesamtareal von rund 3,5 Mio ha unmöglich. Diese Flächen dürften damit für die Ernte 2022 keine Rolle spielen. Selbst wenn der Krieg in den nächsten Wochen beendet werden sollte, wäre es für die meisten Feldfrüchte zu spät für die Aussaat. Nicht in der Schätzung enthalten sind solche Flächen, auf denen wegen fehlender Dieselknappheit eingeschränkt oder gar nicht gearbeitet werden kann. Der fehlende Treibstoff wird nach Darstellung von Marktanalysten regional zusätzlich durch den gezielten russischen Beschuss von Treibstofflagern verschärft, wie in der Region Odessa.
Der Ukrainische Getreideverband befürchtet indes wegen der hohen Restbestände aus der alten Ernte zur Jahresmitte zudem erhebliche Probleme mit dem Lagerraum. Ähnliche Befürchtungen äußerte der Ukrainische Agrarrat (VAR). In Friedenszeiten hatte die Ukraine 98 % ihrer Agrarausfuhren über die Schwarzmeerhäfen abgewickelt. Nun sei es praktisch unmöglich, vergleichbare Volumina auch nur ansatzweise auf die Schiene oder den LKW zu verlagern. Das wäre aber eine Voraussetzung für die von Solskyi angestrebte Verschiffung über ausländische Donau-Häfen etwa in Rumänien.
Laut VAR dürften zum Start der neuen Ernte noch gut 34 Mio. t unvermarktetes Getreide und Ölsaaten auf Lager liegen. Selbst im Falle eines deutlichen Ausfalls von Saaten und auch niedrigeren Erträgen dürfte der verbliebene Lagerraum bei Weitem nicht für die Aufnahme der heurigen Ernte ausreichen. Agrarminister Solskyi rief die Landwirte unterdessen dazu auf, nach Möglichkeit Sonnenblumen, Raps und Sojabohnen anzubauen.