Keine Gnadenfrist für das Klima

Gastkommentar von Kurt Weinberger,
Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung und
Vorsitzender des Unirats der Universität für Bodenkultur.

Der Himmel blau, das Wasser klar und die Luft rein. Kein Kondensstreifen zog sich über den Himmel, kein Stau auf den Straßen, die Autos blieben vielfach in der Garage. Plötzlich hörte man Vögel zwitschern und Bäche plätschern. Die Stille der Menschen erweckte den Klang der Natur. Mutter Erde ging es gut, und für viele Menschen war die Natur ein Rückzugsort, um sich von den Schwierigkeiten zu erholen, die die Corona-Krise mit sich brachte. Heute, ein Jahr nach dem ersten Lockdown, scheint für viele die Bedeutung der Natur und eines gesunden Klimas schon wieder vergessen zu sein. Es zählt nur, dass die Wirtschaft wieder voll auf Touren kommt. Gut so! Doch wir dürfen auch den Klimaschutz und ein rasches Handeln zum Wohle unserer Kinder und Kindeskinder nicht außer Acht lassen. Die Corona-Krise hat die Klimakrise ein Stück weit aus dem Bewusstsein der Menschheit verdrängt, aber nicht aus der Wirklichkeit. Es gilt daher, Aufmerksamkeit dafür zu schaffen, dass wir nur eine Mutter Erde haben und die Menschen davon zu überzeugen, sich dem Umwelt-Kreuzzug für einen gesunden Planeten anzuschließen. Ein eindringlicher Appell ist auch an die Politik zu richten, die dafür verantwortlich ist, die nötigen Rahmenbedingungen im Kampf gegen die Klimakrise zu setzen.

Es geht um sehr viel. Wir werden nur gesund bleiben, wenn wir in einer gesunden Umwelt leben können. Dazu müssen die geplanten Konjunkturprogramme wegen Corona auch der Bekämpfung des Klimawandels nutzen. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um eine “grüne Erholung“ zu erreichen. So müssten Staatshilfen mit Auflagen zur CO2-Reduktion verbunden werden, etwa für die Luftfahrt oder für die energieintensive Industrie. Staatliche Investitionen sollten zudem in klimafreundliche Technologien und Verkehrsmöglichkeiten geleitet werden. Als Finanzmanager sage ich aber auch, dass am Kapitalmarkt ein verstärkter Fokus auf nachhaltige Investments gelegt werden muss. Hier hat die Finanzwirtschaft noch viel mehr Verantwortung wahrzunehmen.

Es geht beim Klimaschutz auch um den Bodenschutz! Der Boden gibt uns die Luft zum Atmen. Daher muss uns der Umgang mit unseren Ressourcen Boden, Luft und Wasser zu denken geben. Ein Flug Wien – Berlin und retour darf nicht für 38 Euro zu haben sein. Dieses System schädigt nachhaltig unsere Ressourcen. Die Politik muss Kerosin deutlich höher besteuern und so den Wettbewerbsnachteil der Schiene beseitigen. Stetig bauen wir immer neue Straßen, wertvolle Agrarflächen verschwinden somit täglich unter Asphalt und Beton. Wir sind bei der Dichte des Straßennetzes und bei den Supermarktflächen bereits „Europameister“ – im negativen Sinn. Mit diesem unrühmlichen Titel gefährden wir die Produktion heimischer Lebensmittel, die nicht erst Tausende Kilometer weit reisen, bevor sie in den Regalen landen. Auch die Regionalität und der tägliche Einkauf im Supermarkt tragen zum Klimaschutz bei!
Wir müssen aber auch die Voraussetzungen dafür schaffen, um die Bevölkerung im Krisenfall ernähren zu können. Der Boden als unsere Lebensgrundlage muss daher als kritische Infrastruktur deklariert werden. Genauso wie die Landwirtschaft korrekt als systemrelevant bezeichnet wird. Die Sicherung der Versorgung im Land mit heimischen Lebensmitteln und damit die Sicherung unserer Böden sollen in der Bundesverfassung verankert werden. Andernfalls wird Österreich ein „Land ohne Äcker, zukunftslos…“. Denn von Beton kann man nicht abbeißen.

Wir brauchen aber auch ein neues, intelligenteres Wirtschaftsdenken, das den Wohlstand einer Volkswirtschaft nicht nur an der Kennzahl des Bruttoinlandsprodukts beurteilt, sondern auch am Erhalt unseres Naturkapitals wie Boden, Luft oder Wasser. In die Beurteilung miteinbezogen gehört auch die Messgröße Humankapital. – Wie geht es den Menschen bei der Weiterentwicklung der Wirtschaft?
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass es einen globalen Schulterschluss geben kann und muss. Nutzen wir das auch für den Klima- und Bodenschutz. Sonst werden uns die Kinder einmal fragen: Warum habt ihr uns die Erde in so einem Zustand hinterlassen?

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