Kein Grund zur Häme

Kommentar von Conrad Seidl,
Redakteur “Der Standard”

Das Bild, das die SPÖ in den vergangenen Tagen abgegeben hat, ist erbärmlich: Streit um die Schulden, Streit um den Umgang mit Mitarbeitern, Streit um die Führungsfähigkeit der Vorsitzenden. Von politischen Inhalten keine Spur. Schon sehen Meinungsforscher die Grünen in der Rolle einer „neuen Sozialdemokratie“, schon jubelt man in anderen Parteien darüber, wie kaputt die Roten doch wären. Man kann es verstehen: Es gab ja Zeiten, wo es der ÖVP ähnlich gegangen ist; auch in der FPÖ ist das Szenario nicht ganz ungewohnt. Und die Grünen sind vor zwei Jahren sogar aus dem Parlament geflogen.Jetzt also beutelt es die SPÖ – und in den anderen Parteien ist man froh, einmal nicht selbst den Schwarzen Peter zu haben. Da kann schon Schadenfreude aufkommen, die ja ohnehin als die schönste der Freuden gilt. Allerdings ist es ein Gebot der Fairness, auf den schon am Boden liegenden Gegner nicht auch noch hinzutreten. Darüber hinaus ist es ein Gebot der politischen Klugheit: Man könnte diesen heutigen Gegner ja bei anderer Gelegenheit auch wieder als Partner brauchen – etwa, wenn es um parlamentarische Mehrheiten für Verfassungsgesetze geht. Zudem hat die Sozialdemokratie eine wichtige Funktion in der Gesellschaft: Für eine gesunde gesellschaftliche Entwicklung ist wichtig, dass aus allen politischen Richtungen Visionen eingebracht, diskutiert, erwogen und dann angenommen oder auch verworfen werden. Deswegen ist der SPÖ – ganz ohne Häme – zu wünschen, dass sie zur Politik zurückfindet und Ideen liefert. Man muss diese ja nicht gleich alle umsetzen.

conrad.seidl@gmx.at

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