Geschockt durch das Votum für den Brexit, überlegen viele, wie es mit der EU weitergehen wird. Die Zukunft ist ungewiss. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker legte den EU-Parlamentariern deshalb ein Weißbuch mit fünf möglichen Szenarien für die Zukunft der Union vor – wohlgemerkt für die Zukunft „einer EU der 27“. Für die nach dem anstehenden Ausstieg Großbritanniens aus der EU verbleibenden 27 Mitgliedsstaaten könnte „alles so weitergehen wie bisher“ (Szenario 1).
Nur Binnenmarkt
Bei Junckers zweiter Zukunftsvariante würde sich die Zusammenarbeit der Staaten lediglich auf den gemeinsamen Binnenmarkt beziehen. Politische Einigungen waren in den letzten Monaten immer schwieriger geworden, was an der Flüchtlingskrise deutlich wurde, weshalb eine Konzentration ausschließlich auf den Binnenmarkt denkbar wäre.
Wer mehr will, tut mehr
Das dritte Szenario nannte Juncker „Wer mehr will, tut mehr“. Einzelne Koalitionen von Staaten könnten demnach stärker zusammenarbeiten, wenn sie das wollen. Fragen der Sicherheit oder Sozialpolitik könnten dann gemeinsam bearbeitet werden.
Weniger, aber effizienter
Das vierte Szenario heißt „Weniger, aber effizienter“. Das heißt, die Mitgliedsstaaten würden sich auf einzelne Politikbereich konzentrieren und andere Bereiche dafür nicht mehr behandeln, um schneller und effizienter arbeiten zu können. Sinn machen könnte dies in den Bereichen Innovation, Handel, Sicherheit, Migration, Grenzmanagement und Verteidigung. Als Bereiche, die wieder verstärkt einzelstaatlich behandelt werden könnten, listet Juncker die Regionalentwicklung, Gesundheit oder Teile der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik auf, die nicht in direktem Zusammenhang mit dem EU-Binnenmarkt stehen.
Viel mehr Gemeinsames
Das letzte Szenario sieht „Viel mehr gemeinsames Handeln“ über alle Politkbereiche hinweg vor. Juncker ließ allerdings offen, welches der fünf Szenarien er bevorzugt. Die Frage der Zukunft wird sein, was die Bürger der Mitgliedsstaaten wollen. Der Kommissionspräsident will sich bis zum Herbst Zeit nehmen, um die Anliegen aus den Mitgliedsstaaten anzuhören. Erst dann will die Kommission eine Schlussfolgerung ziehen. Welches Szenario zukunftsweisend und für die verbleibenden 450 Mio. EU-Bürger das beste ist, wird sich erst zeigen.
Das Weißbuch soll auch der Beitrag der Kommission zu den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der EU sein. Am 25. März 1957 unterzeichneten Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande die Römischen Verträge, die als Grundstein der heutigen EU gelten und die längste europäische Friedensperiode einleiteten. Der Jahrestag soll Anlass zur Reflexion der vergangenen 60 Jahre sein und gleichzeitig zur Diskussion über die Zukunft der EU anregen. Zudem soll beim anstehenden Gipfel der Europäischen Volkspartei (EVP) von 29. bis 30. März in Malta ein Papier zur Landwirtschaft erarbeitet werden, sagte Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter.
Eva Zitz
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- Europaflagge wird aufgebuegelt: Wodicka