Zwei Drittel seines Lebens hat Jakob Auer in der Politik verbracht. Heute, Freitag, 31. August, feiert er seinen 70. Geburtstag. Im Interview mit der BauernZeitung blickt er zurück und analysiert, nimmt Stellung zur aktuellen Agrarpolitik und erzählt, wie es ihm im Leben nach der Politik geht.
Sie feiern heute Ihren 70 Geburtstag. Wird man da auch ein bisschen wehmütig?
Auer: Eigentlich nicht. Ich habe in dieser Zeit sehr viele Veränderungen erlebt, manches mitgestalten können und daran immer eine Freude gehabt.
Mit 28 Jahren sind Sie Bürgermeister geworden, mit 63 Bauernbund-Präsident. Wie verändert man sich denn als Politiker?
Auer: Ich hoffe, dass ich mich nicht allzuviel verändert habe. Allerdings ist klar, dass man mit dem Alter ungleich mehr Erfahrung hat. Auch wenn ich keine politische Funktion mehr habe, bin ich auch heute noch begeisterter Politiker.
Ist es leichter, in jungen Jahren in die Politik zu gehen oder mit einem gewissen Alter?
Auer: Ich denke, dass es leichter ist, mit einem gewissen Lebensalter in die Politik zu gehen, weil einem Jungen einfach die Erfahrung fehlt. Insgesamt braucht es Junge und Erfahrene. Vom Kult, nur Junge in die Politik zu bringen, halte ich nichts. Genauso würde ich es bedauern, wenn es nur Ältere in der Politik gäbe.
Sie haben zwei Drittel Ihres Lebens in der Politik verbracht. Würden Sie das nochmal tun?
Auer: Mit Sicherheit.
Gibt es etwas aus Ihrem politischen Leben, das Sie nicht vermissen werden?
Auer: Dass nicht immer die Sonne scheint, ist klar. Und wenn man in die Politik geht, um täglich gelobt zu werden oder Dankbarkeit zu erfahren, ist es besser, man lässt es bleiben. Ich bin im Großen und Ganzen durchaus zufrieden.
Derzeit wird die neue Agrarpolitik verhandelt, bei der man weniger Geld und mehr Auflagen befürchtet. Sie haben viele Reformen miterlebt – stimmt die Richtung ?
Auer: Es ist undenkbar, weniger Geld zu geben und mehr Auflagen zu verlangen. Man kann Agrarpolitik anders gestalten, aber nicht mit weniger Geld. Wenn so weitergemacht wird, ist das ein Vertreibungsprogramm vor allem der kleinen Bauern.
Was hält Ihrer Meinung nach die Bauern in der Produktion?
Auer: Die Liebe zum Beruf, die Begeisterung und letztendlich das Bewusstsein, ein freier Bauer zu sein. Der Berufstand der Bäuerin und des Bauern ist schon etwas Besonderes.
Die flächendeckende Landwirtschaft wird in Österreich immer als prioritäres Ziel angegeben. Ist die aufrechtzuerhalten?
Auer: Die muss man aufrechterhalten. Man braucht nur mit einem Flieger über Europa fliegen, dann weiß man, was man in Österreich hat. Die Schönheit unseres Landes bringt auch viele Touristen, die wiederum die landwirtschaftlichen Produkte konsumieren. Tourismus und Landwirtschaft, aber auch so mancher Betriebszweig, leben voneinander – das muss beiden Berufsgruppen bewusst sein.
Schauen wir noch ein bisschen in die Vergangenheit. 1950, also etwa zu der Zeit, als Sie geboren wurden, hat ein österreichischer Bauer vier Menschen ernährt, heute sind es 77. Natürlich ist ein Teil des Strukturwandels der Technisierung geschuldet, viele Bauern haben aber auch aus anderen Gründen ihren Hof zugesperrt. Welche Höfe werden denn in Zukunft übrig bleiben?
Auer: Das ist nie eine Frage der Größe. Es schluckt nie der Große den Kleinen, sondern der Schnelle den Langsamen. Oft ist es eine Frage der Hofnachfolge oder die Chance einen anderen Job zu erhalten. Bei der Technisierung sind wir noch lange nicht am Ende.
Betriebe tun sich auch vermehrt zusammen, Stichwort Kooperationen oder Erzeugergemeinschaften. Muss dieser gemeinschaftliche Gedanke noch verstärkt werden?
Auer: Wenn man es unter dem Aspekt des „Müssens“ stattfindet, wird es schwierig sein. Wichtig wäre das freiwillige Engagement. Dann macht man es gerne und gut.
Der genossenschaftliche Gedanke beruht auf dem Satz „Was einer nicht schafft, schaffen viele“. Sie waren und sind ein leidenschaftlicher Genossenschafter und in Ihrer Zeit haben die Genossenschaften einen großen Wandel durchgemacht. Wie aktuell sind denn Genossenschaften heute?
Auer: Ich habe mich immer hinter die Genossenschaften gestellt. Da gab es auch Zeiten, in denen man als Genossenschafter als rückständig bezeichnet wurde. Seit der Finanzkrise erleben Genossenschaften wieder einen Aufschwung, auch in der öffentlichen Meinung. Das freut mich und ist eine schöne, wenn auch späte Bestätigung.
Im Bericht über die Lage der Landwirtschaft von 1983 – zu der Zeit, als Sie ins Parlament einzogen – ist schon von „immer höheren Anforderungen der Konsumenten an die Ernährungsgüter“ die Rede. Heute gelten die Anforderungen vor allem der Art der Landwirtschaft, Stichwort Tierschutz und Pflanzenschutz. Sind diese Anforderungen mit den Möglichkeiten der Landwirte noch kompatibel?
Auer: Sehr schwierig. Das mache ich mir auch selbst zum Vorwurf. Wir haben zu lange zugeschaut, wie uns die Werbung das sprechende Schweinchen oder die lila Kuh serviert haben. Dass sich damit aber auch im Bewusstsein der Konsumenten etwas geändert hat, haben wir übersehen.
Die Landwirtschaft hat viel zu wenig Mittel für Werbung. 98 Prozent der Betroffenen sind auch nicht bereit, dafür Mittel zur Verfügung zu stellen. Wenn man etwa pro Hektar Ausgleichszahlungen zwei Euro abgibt, würde das niemand spüren und man hätte Geld für Werbung zur Verfügung. Ob es uns passt oder nicht: Wir werden dem Gesetz der Wirtschaft „Wer nicht wirbt, der stirbt“, stärker Rechnung tragen müssen.
Abseits der finanziellen Mittel. Was muss die Landwirtschaft noch tun?
Auer: Sich öffnen. Das wurde ansatzweise schon begonnen. Wir müssen die Betriebe öffnen und zeigen, wie produziert wird. Der beste Botschafter ist immer noch die Bäuerin und der Bauer. Da habe ich großen Respekt vor der Bäuerinnenarbeit. Die haben viel früher begriffen, dass diese Kommunikation notwendig ist. Hätte diese Arbeit nicht so stattgefunden, stünden wir wesentlich schlechter da.
Im selben Bericht aus 1983 steht an anderer Stelle: „Der Agrarbereich ist in das Geschehen einer zunehmenden Umweltverschlechterung in zweifacher Weise einbezogen: Als Leidtragender und Verursacher“.
Heute haben wir den Klimawandel mit all seinen Auswirkungen. Wo sehen Sie die Landwirtschaft da. Als Verursacher oder Leidtragender?
Auer: Ich denke, dass sie immer bei den Leidtragenden war. Man hat sich vielleicht auch einseitig in ein bestimmtes Eck dränken lassen. Natürlich gab es auch in der Landwirtschaft Fehler. Ich halte aber fest, dass die im Pflanzenschutz ausgebrachten Mittel immer von Experten und Agenturen zugelassen wurden. Wenn dann der Landwirt die Mittel wie vorgegeben zur Anwendung bringt, kann man ihn nicht als Vergifter darstellen.
Ist Österreich mit dem ÖPUL, also dem Umweltprogramm in der Landwirtschaft, auf dem richtigen Weg?
Auer: Ja, aber weitere Verschärfungen vertragen wir nicht. Das wirklich skurile ist daran, dass man in Österreich fast alles verbietet, aus dem Ausland aber hereinholt. Da ist scheinbar jedem egal, wie es produziert wurde.
Sie sprechen den Handel an. Reichen da Appelle oder braucht es Verpflichtungen?
Auer: Ich würde dort deutlich für die Pflicht eintreten, dass der Handel genau darstellen muss, aus welchem Land der Welt das Produkt ist und zu welchen Bedingungen es hergestellt wurde.
Die Dürre heuer trifft vor allem die Grünlandbauern massiv. Die oberösterreichische Bauernvertretung hat Hilfen von EU und Bund gefordert. Auf der anderen Seite haben sich einige Bauern bereits gegen Dürre versichert. Sind Unterstützungen aus dem Katastrophenfonds gerechtfertigt oder lösen sie eher Unverständnis in anderen Sparten aus?
Auer: Auf Dauer wird es nicht möglich sein, aus dem Katastrophenfonds ständig Gelder zur Verfügung zu stellen, wenn es eine Versicherungsmöglichkeit gibt. Dann wäre derjenige Bauer, der die Prämie zahlt, der Dumme. Dass es heuer bei so extremen Verhältnissen gerechtfertigt ist, bestreite ich nicht. Und natürlich dauert es eine zeitlang, bis man eine entsprechende Durchversicherung bei den Landwirten erreicht.
„Die Bauern wissen, wann es notwendig ist, deutlich
zu werden. “ – jakob auer über den bauernbund
Der Bauernbund galt seit jeher als Machtzentrum und Personalreserve innerhalb der ÖVP. Bundeskanzler Sebastian Kurz hat mit den Bünden keine so große Freude. Viele Bäuerinnen und Bauern fürchten, dass sie irgendwann nicht mehr gehört werden. Werden sie denn noch genug gehört?
Auer: Da mache ich mir keine Sorgen. Die Bauern wissen, wann es notwendig ist, deutlicher zu werden. Ich sage auch ausdrücklich: Die Ärzte sind eine ganz kleine Gruppe und werden ebenso gehört. Es sollte niemand glauben, dass die Bauernvertretung nicht zeitgerecht ihre Dinge einbringt. Nicht immer sind die lautesten Worte die wichtigsten.
Wo sehen Sie denn heute die Aufgaben einer Interessensvertretung?
Auer: Wir müssen schauen, dass die Rahmenbedingungen passen. Eines darf man schon einmal deutlich sagen: Die österreichische Landwirtschaft hat zwar im Vergleich mit den europäischen oder weltweiten Kollegen Nachteile in Bezug auf die Fläche oder die klimatischen Voraussetzungen. Wir haben sicher auch genügend Auflagen und eines der strengsten Tierschutzgesetze. Aber wir haben riesige Vorteile, was die Sozialrechtsgesetzgebung und die Steuergesetzgebung betrifft. Da sind wir weit voran und darum beneiden uns viele.
Wir sind jetzt da auf Ihrem Hof in Fischlham. Wie geht im Leben nach der Politik?
Auer: Mir geht es gut. Sehr gut. Ich muss aber zugeben, dass die Umstellung herausfordernd war und ist. Wenn ich keine öffentliche oder ehrenamtliche Funktion mehr hätte, wäre das schwer verkraftbar. So reduziere ich schrittweise.
Kann man die gewonnene freie Zeit auch genießen?
Auer: Ich bin dabei es zu lernen.
Zur Person
Ein Leben für die Politik. Jakob Auer wurde am 31. August 1948 in Tirol geboren. Als er 14 Jahre alt war, übersiedelte seine Familie nach Fischlham in Oberösterreich. 1977 wurde Auer Bürgermeister in Fischlham. Dieses Amt übte er bis 2009 aus. Von 1983 bis 2017 war er Abgeordneter zum Nationalrat. Von 2011 bis 2017 war er Präsident des österreichischen Bauernbundes. Zahlreiche Funktionen hatte und hat er im Genossenschaftswesen: Von 2001 bis 2012 war er Genossenschaftsanwalt des Raiffeisenverbandes OÖ, aktuell ist er stellvertretender Generalanwalt des österreichischen Raiffeisenverbandes. Seit 2004 ist er Aufsichtsratsvorsitzender der Raiffeisen Landesbank.
- Bildquellen -
- Jakob Auer: BZ/Pichler