Insekten sind das neue Fleisch

Katharina Unger, hat an der Universität für Angewandte Kunst das Studium "Industrial Design" absolviert. In ihrer Abschlussarbeit befasste sie sich mit der "Ethik des Essens in der Zukunft". Ergebnis ihrer Überlegungen sind Geräte zur Aufzu

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Die “Farm für daheim” – aus diesem Gerät (?The Hive?) sind im Vollbetrieb wöchentlich 200 bis 500 Gramm Mehlwurmlarven zu ?ernten?. Zu Fressen bekommen die Insekten pflanzliche Küchenabfälle und Altgebäck. ?The Hive? benötigt einen Standplatz von 30 x 40 cm und ist 61 cm hoch. ©livinfarms.com; BZ/Maad
Foodrevolution – der Anspruch, mit dem Katharina Unger (26) Insekten für die menschliche Ernährung propagiert, ist nicht zu hoch gegriffen – denn die aus dem südburgenländischen Moschendorf stammende und seit vier Jahren in Hongkong lebende Jungunternehmerin bietet die von ihr propagierte Nahrungsmittelrevolution bereits auch in Gläsern à 50 Gramm zum Verkosten an. Der Inhalt – Mehlwurmlarven. Und wer sich auf dieses Ernährungsabenteuer tiefer einlassen will, der kann bereits auch die Mehlwurmfarm für die eigene Küche bei Ungers Firma “livinfarms” erwerben.

Kickstarter-Kampagne brachte 145.000 US-Dollar

Mehlwürmer liefern ein hochwertiges Protein. Ihr Geschmack ist neutral mit leicht nussigem Aroma. Einsetzen lassen sich die Insekten u. a. als salzige Snacks, als Fleischersatz in
Mehlwürmer liefern ein hochwertiges Protein. Ihr Geschmack ist neutral mit leicht nussigem Aroma. Einsetzen lassen sich die Insekten u. a. als salzige Snacks, als Fleischersatz in “Fleischleibchen” sowie auch in Süßspeisen. ©livinfarms.com
Vor genau einem Jahr, am 10. November 2015, hat Unger ihr Angebot auf der Crowdfundingplattform kickstarter.com vorgestellt. Angepeilt war ein Betrag von 100.000 US-Dollar, um eine erste Serie von 300 Stück Mehlwurmzuchtstationen produzieren zu können. Bereits nach zwei Monaten, am 9. Jänner 2016, war das Projekt mit insgesamt 145.000 US-Dollar ausfinanziert. Mittlerweile stehen die Zuchtgeräte vor der Fertigung und sollen im Frühjahr 2017 zur Auslieferung kommen. Weiters zu bestellen waren im Rahmen der Kickstarter-Aktion auch Kostproben von Mehlwurmlarven. Bei der Abfüllung dieser Probegläser haben wir Katharina Unger in Wien für diese Reportage getroffen.
“Zu den Insekten bin ich durch meine Abschlussarbeit an der Universität für angewandte Kunst gekommen”, berichtet Unger. Sie hat dort Industrial Design studiert und konnte auch ein Fulbrightstipendium in Anspruch nehmen. In ihrer Magisterarbeit behandelte sie das Thema “Ethik des Essens in der Zukunft”. Sie sei “unvoreingenommen an die Arbeit gegangen”, so Unger. Abgesehen davon, dass sie das auf internationaler Ebene um sich greifende “factory farming”, also beispielsweise eine durchtechnisierte Industrietierhaltung, als “krass” empfindet, war für sie schnell klar, dass die Eiweißquellen der Zukunft in Meeresalgen und Insekten zu finden sind.

Erstes Projekt mit der Schwarzen Soldatenfliege

Am Anfang stand die
Am Anfang stand die “Farm 432” zur Zucht von Larven der Soldatenfliege. ©livinfarms.com
Aufbauend auf die Erkenntnis, dass man zehn Kilogramm Futter benötigt, um entweder ein Kilogramm Rindfleisch, drei Kilogramm Schweinefleisch, fünf Kilogramm Geflügelfleisch oder neun Kilogramm Insekten produzieren zu können, konzentrierte sich Katharina auf die Insekten. Angepasst an den Entwicklungszyklus der Schwarzen Soldatenfliege entwickelte die angehende Industriedesignerin ihre “Farm 432”. Dabei handelt es sich um ein Behältnis aus Kunststoff, in das zum Start des Entwicklungsprozesses Fliegenpuppen eingebracht werden. Die schlüpfenden Soldatenfliegen legen ihre Eier in den Futterbehälter ab, wo sich in der Folge die als Nahrungsquelle vorgesehenen Larven entwickeln. Als Futter werden pflanzliche Küchenabfälle eingesetzt. In Summe braucht ein voller Entwicklungszyklus 432 Stunden – daher auch der Name des Geräts.
Katharina Unger löste mit ihrer im Jahr 2013 vorgestellten “Farm 432” ein überraschend großes internationales Echo aus und wurde zu Vorträgen in China, Afrika und den USA eingeladen. Das Gerät erzielte mehrfache Designpreise und erhielt ein internationales Patent. Katharina hatte mit der Farm 432 früh auf einen Trend gesetzt, der zunehmend an Interesse gewinnt – die Proteinversorgung des Menschen aus Insekten. Unger selbst machte sich in der Folge zu einer Fürsprecherin dieser Nahrungsquelle und gründete mit Studienkollegin Julia Kaisinger das Unternehmen “Livin” www.livinfarms.com Allerdings gingen die beiden Jungunternehmerinnen hier von der Soldatenfliege ab und wechselten zur Produktion von “Mehlwürmern”, bzw., biologisch korrekt, von Larven des Mehlkäfers. Bei den Mehlwürmern sei die Hemmschwelle beim erstmaligen Insektenverzehr niedriger, zudem seien sie platzsparender zu erzeugen. Das in Haushaltsdimensionen entwickelte Gerät dazu nannten Unger und Kaisinger “The Hive”. Diese “Farm für daheim” ermöglicht es den Larven der Mehlkäfer, in acht Etagen ihren Lebenszyklus zu durchlaufen. Gefüttert wird mit pflanzlichen Resten und Altgebäck. Wöchentlich können 200 bis 500 Gramm Mehlwürmer geerntet werden. Abgetötet werden die Insekten durch Einfrieren, hygienisiert wird durch Abkochen; dann folgt die Zubereitung, meist durch Braten mit Gemüse, Kohlenhydratträgern und Kräutern.

Extreme Knappheit als Boden für kreativ Neues

Katharina Unger und Andreas Gugumuck (
Katharina Unger und Andreas Gugumuck (“Wiener Schnecke”) bereiten Mehlwurmkostproben zum Versand vor. ©BZ/Maad
Zur Vermarktung ihrer Idee ist Katharina Unger weltweit unterwegs. Man trifft sie auf Jungunternehmerkonferenzen in Europas Hauptstädten genauso wie bei Projekten in Afrika, Südchina, Malaysia und den USA. Seit vier Jahren lebt sie in Hongkong. Katharina sieht diesen Sieben-Millionen-Einwohner-Ballungsraum als “die Stadt der Zukunft”. Es gebe wenig Platz, wenig Boden und wenig Wasser. Diese Situation extremer Knappheit sieht sie als Auslöser dafür, dass kreativ Neues entstehe. Ihre Idee, “Proteine nachhaltig auf kleinem Raum zu erzeugen”, entspreche dieser Linie “Neues aus Mangel”.
Den organisatorischen Unterbau hat sie mit einem Team aus fünf Personen sowie mit einem professionellen Internetauftritt geschaffen, der mit Facebook, Twitter und Pinterest verschiedene Kanäle bespielt. Wer es handfester mag, kann auch mittels der im “Hive Buch” gesammelten Rezepte den Erstkontakt zur Welt der Insekten als Nahrungsmittel herstellen.

Novel Food: Verkauf nur im Ganzen

Katharina Unger ist zur Präsentation ihres Projekts weltweit unterwegs - hier beim
Katharina Unger ist zur Präsentation ihres Projekts weltweit unterwegs – hier beim “2016-G20 YEA China Summit” in Beijing. ©livinfarms.com
In der EU ist der menschliche Verzehr von Insekten durch die seit 31. Dezember 2015 in Kraft befindliche Novel-Food-Verordnung geregelt. Demnach dürfen Insekten grundsätzlich nur im Ganzen verkauft werden. Trennt man die Inhaltstoffe auf, beispielsweise, um Insektenmehl, Eiweiß oder Fett als Zutaten für Speisen zu verwenden, dann müsste das Produkt ein Zulassungsverfahren durchlaufen. Ab dem Jahr 2018 soll dies auch für ganze Insekten gelten. Vorreiter beim Thema Insektennahrung in Europa sind die Niederlande und Belgien. Bei fein gemahlenem Insektenmehl, beispielsweise als Zutat für Proteinriegel, entfällt der sonst häufige Ekelfaktor.

Hans Maad

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