Derzeit sind über 544.000 Menschen in Österreich über 80 Jahre. In Alten- oder Pflegeheimen gibt es rund 75.000 Plätze, wobei einige Heime nicht vollständig ausgelastet sind. Ein Hauptgrund dafür sind fehlende Pflegekräfte. Das bedeutet, dass es für weniger als 14 Prozent der über 80-Jährigen ein Bett im Heim gibt. Der weitaus überwiegende Anteil der Betreuungs- und Pflegearbeit der älteren Generation lastet demnach auf den Schultern der Familie und Angehörigen.
Es ist ein mentaler Stress und eine große Verantwortung. Man ist rund um die Uhr
auf Abruf und hat keine Freizeit. Aber da muss man reinwachsen, da hilft nichts. –
Frau B. aus Oberösterreich
So auch bei der Familie von Frau B. aus Putzleinsdorf, Oberösterreich. Sie pflegte zwei Tanten und die Eltern ihres Mannes. Seit zwei Jahren übernimmt sie nun den Großteil der Pflegearbeit für ihre 85-jährige Mutter. Eine Verantwortung, die die Bäuerin auf sich nimmt, weil sie ihren Angehörigen das gewünschte Leben zu Hause ermöglichen will. Einkaufen, waschen, Arztbesuche, Medikamente vorbereiten, bei der Körperhygiene unterstützen – die Liste ihrer Aufgaben ist lang. Zurzeit nimmt sie die Hilfe von mobilen Diensten in Anspruch. Ihre Geschwister helfen, wo sie können, jedoch ist das mit dem Beruf nicht immer gut vereinbar. Sie könne sich als Selbstständige die Arbeit flexibler einteilen.
Hilfe suchen und einfordern
Finanzielle Unterstützung erhält man in Form von Pflegegeld. Dazu werden die zu pflegenden Personen in Stufen von eins bis sieben eingeteilt. Je höher der Pflegeaufwand, umso höher die Stufe und somit die Summe, die man als Unterstützung für Aufwendungen erhält. Stufe eins startet derzeit mit mehr als 65 Stunden Aufwand mit 200 Euro und 80 Cent pro Monat. Welche Stufe man erhält, entscheidet ein ärztlicher oder pflegerischer Gutachter.
Das hat mich viele Nerven gekostet. Der Gutachter kommt für weniger als eine Stunde zu Besuch und stellt dann die Pflegestufe fest. In dieser Zeit kann man kein realistisches Bild von dem Pflegeaufwand oder dem Alltag bekommen. – Frau B. aus Oberösterreich
Entscheidend ist die Pflegestufe nicht nur für das Pflegegeld, sondern auch für zusätzliche Förderungen und Zuschüsse, die man beantragen kann. Ein wichtiger Punkt für Frau B., die bei einer verdienten Auszeit auf eine 24-Stunden-Pflege angewiesen ist. Mit einer Pflegestufe über drei erfüllt sie alle Voraussetzungen für eine zusätzliche Förderung von bis zu 800 Euro monatlich, die sie beim Land Oberösterreich beantragen kann. Außerdem bieten die PVA und die SVS einen Angehörigenbonus von monatlich 130,80 Euro ab Stufe vier an, sofern das Nettoeinkommen gering genug ist. Ende 2022 entfiel die Hälfte der Pflegegeld-Bezieher auf die Stufen eins und zwei, 19 Prozent bezogen ein Pflegegeld der Stufe drei, der Rest entfiel auf die vier höheren. „Für die Pflegestufe vier musste ich kämpfen. Ich habe noch einmal um ein Gespräch gebeten, um den Alltag mit meiner Mutter realistisch zu beschreiben. Danach wurde sie endlich höher eingestuft“, erzählt die 57-Jährige.
Für eine 24-Stunden-Pflege wurde ihr die Förderung mit 800 Euro pro Monat zugesagt. Gedeckt sind die Kosten damit jedoch nicht. Die Pension ihrer Mutter und ein Teil der Pension von ihrem Vater müssen zusätzlich dafür aufgewendet werden, sobald sie die Pflegearbeit nicht selbst übernehmen kann. Würde sie ihre Mutter ins Pflegeheim geben, würde die Kosten, die ihre Pension übersteigen, die Sozialhilfe übernehmen. Trotzdem ist das für Frau B. keine Option: „Sie haben mir auch immer geholfen. Das möchte ich ihnen zurückgeben“, erklärt sie.

Auf das eigene Wohl achten
Das jahrelange Pflegen habe sie bis jetzt vor allem durch den guten Kontakt zum Hausarzt, regelmäßige Auszeit und den Austausch mit anderen Pflegenden geschafft. Seit 2008 besucht Frau B. den Stammtisch für pflegende Angehörige im Nachbarort Sarleinsbach. Dieser wurde von Bernhard Lang in den 1990er-Jahren ins Leben gerufen und wird bis heute von ihm geleitet.
Meine Frau und ich haben bei der Pflege unserer Angehörigen entdeckt, dass man dadurch in eine totale Isolation kommt. – Bernhard Lang
Lang erzählt: „Um den sozialen Kontakt für andere Pflegende zu fördern, habe ich den Stammtisch gegründet.“ Jeden zweiten Montag im Monat trifft sich die Gruppe zum Austausch. Immer wieder werden auch Vorträge organisiert. „Pflege ist ein sehr komplexes Thema. Es spielen Finanzierungen eine Rolle, aber auch Pflegehilfen. Umso wichtiger ist es, persönliche Erfahrungen austauschen zu können“, erklärt Lang. Die psychische Belastung für pflegende Angehörige sei laut ihm nicht zu unterschätzen, deshalb weist er darauf hin: „Das junge Leben hat Vorrang vor dem alten. Es ist kein Versagen, sich Hilfe zu holen und es ist auch keine Schande, jemanden ins Altersheim zu bringen“, so Lang. Tendenziell sinkt die Zahl der pflegenden Angehörigen in Österreich. Die pflegebedürftigen Personen sollen sich laut Prognosen bis 2050 jedoch verdoppeln (steigende Lebenserwartung, sinkende Kinderzahl). Ob dann noch der Großteil der Pflegearbeit von Angehörigen übernommen werden kann, steht in den Sternen.
Hilfe für pflegende Angehörige
In vielen Regionen gibt es Stammtische und Treffen, bei denen sich pflegende Angehörige informieren und austauschen können. Welche Angebote es im jeweiligen Bundesland gibt, kann man hier nachlesen.
Die SVS bietet Gesundheitswochen an, wo pflegende Angehörige teilnehmen
können. Außerdem können kostenlose Angehörigengespräche in Anspruch genommen werden. Das vertrauliche Gespräch kann entweder zu Hause, an einem anderen Ort, telefonisch oder auch online stattfinden. Rückfragen an: 050 808 2087 oder per E-Mail an: angehoerigengespraech@svqspg.at
Die Caritas bietet eine psychosoziale Beratung an. Das Gespräch ist streng vertraulich und kostenlos. Telefonische Terminvereinbarung unter 0676/8776 2440.
Erholungstage werden von der Caritas organisiert. Die zu pflegende Person kann bei einigen Angeboten ebenfalls an den Erholungstagen teilnehmen. Die Kosten dafür sind unter bestimmten Voraussetzungen auch förderbar. Weitere Informationen online hier.
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