Bürgermeister Rudolf Köll ist bekanntermaßen nicht nur Bezirksbauernobmann von Imst, sondern auch Obmann des Gemeindeverbands-Pflegeheimes Imst-Gurgltal. Bereits beim Betreten des Hauses wird schnell klar: Hier wird besonders viel Wert auf Lebensqualität und Wohnlichkeit gelegt. Heimleiterin Mag. Andrea Jäger schafft es mit ihrem Team, für Bewohner, Besucher und Gäste eine sehr angenehme Atmosphäre zu schaffen. “Es ist die Philosophie in unserem Haus, dass für unsere Bewohner Produkte aus der Region, mit denen sie sich ihr Leben lang ernährt haben, auch jetzt, im Wohnheim noch zur Verfügung stehen”, so Jäger und Köll.
Angefragt auf mögliche Mehrkosten regionaler Produkte meint Jäger ganz klar: “Unterm Strich kosten mich die heimischen Produkte nicht mehr, bergen aber einen enormen Mehrwert in sich. Was ich jedoch schräg an unserer Gesellschaft finde, ist die Tatsache, dass wir von nichts anderem reden, als Lebensqualität zu schaffen, und wir auch sehr viel Geld dahingehend ausgeben, jedoch für Lebensmittel weitaus am wenigsten ausgeben. Da krankt es in unserer Gesellschaft.”
Vorbildliches Modell
BBO Köll meint dazu: “Ich würde mir wünschen, dass viele Häuser unser Modell übernehmen und leben. Wenn der gute Wille zur Regionalität bei Entscheidungsträgern gegeben ist, dann klappt es einwandfrei und ist eine klare Win-win-Situation für alle Beteiligten.” Für Bauernbunddirektor Dr. Peter Raggl braucht es in diese Richtung ein noch rascheres Umdenken. “Ehe es für viele unserer Bauern zu spät ist”, konkretisiert Raggl und bringt die schwierigen Bedingungen der Tiroler Bauern zur Sprache. “Die Produktpreise bei Milch, Fleisch und Zuchtvieh sind denkbar schlecht und unsere Bauern kämpfen wirklich um ihre Existenz. Auch wenn sich in den vergangenen Jahren sehr viel in Richtung Regionalitätsbewusstsein getan hat, so haben wir gerade beim Tourismus noch Luft nach oben.” Und der Bauernbunddirektor, selbst im Tiroler Oberland wohnhaft, konkretisiert: “Wir haben hier vor unseren Haustüren im Oberland an die 15 Millionen Nächtigungen im Jahr und schaffen es noch immer nicht, diesen Markt mit unseren Produkten angemessen zu bedienen. Da müssen wir die Kreisläufe noch besser schließen, Angebot und Nachfrage aufeinander abstimmen und versuchen, eine Liefersicherheit zu gewährleisten”, so Raggl.
Feedback tut gut
Bezirksbäuerin Renate Dengg bedankte sich bei der Leitung des Hauses für den Einsatz nicht nur um die Bewohner, sondern auch um die Bauern in der Region und brachte einen besonderen Mehrwert auch für die Bauernschaft zur Sprache: “Ich bin selbst Erzeugerin von Lebensmitteln und freue mich jedes Mal über das Feedback zu meinem Produkt. Es tut mir gut, wenn ich rückgemeldet bekomme, dass meine Weidegänse gut waren.” Auch freute sich Dengg über ein ganz besonderes Detail in den familiären Wohneinheiten des Hauses: “Hier wird auf jeder Wohneinheit gekocht und die Bewohner dürfen mitkochen, wenn sie wollen und können, ansonsten kann man auch zuschauen, wie die frischen Produkte verarbeitet werden. Der Bezug zum Lebensmittel ist für junge und alte Menschen wichtig. Das freut mich, wenn ich in der LLA Imst sehe, wenn junge Mädchen und Burschen lernen, hochwertigste Produkte zu verarbeiten, und es ist auch im Alter wichtig, das man sieht, was man isst”, so die engagierte Bezirksbäuerin.
Die wahren Hürden
Selbstkritisch meinen Dengg und Köll: “Es liegt jedoch nicht nur an der breiten Bewusstseinsbildung bei den Konsumenten, sondern auch an uns Bauern, Nischen und Produktionszweige neu zu entdecken und für sich zu definieren.” Hier ergänzt Heimleiterin Mag. Andrea Jäger: “Mein größter Wunsch wäre es, noch mehr Produkte aus dem Ort oder der Region beziehen zu können. Was für uns derzeit ein Ding der Unmöglichkeit ist, ist Gewürze oder Geflügel hier zu erstehen. Da hoffe ich, dass sich vielleicht noch der ein oder andere Produzent findet.” Angefragt auf die Mengen, die Jäger und Köll im Wohnheim an regionalen Produkten beziehen, beziffern sie es mit 20 Prozent. “Mit diesen 20 Prozent reden wir aber von Produkten, die wir von den umliegenden Bauern oder von unserem Bauernmarkt vor der Haustür bzw. von den Kleinsennereien im Bezirk kaufen. Alles andere beziehen wir aus dem Rest Tirols”, so Jäger zu den anwesenden Medienvertretern. Im Wohnheim Gurgltal wird schon lange zwischen Regionalität und Lokalität unterschieden. “Auf Ware aus dem Ausland wird bei uns verzichtet”, so Jäger und sie merkt zur Gesamtsituation am Lebensmittelmarkt sehr kritisch an: “Die wahren Hürden liegen in den vielen Auflagen und Kontrollen. Aus Angst, etwas zu übersehen oder falsch zu machen, wenden sich viele Entscheidungsträger in Großküchen an die industrialisierte Lebensmittelproduktion.”
Köll abschließend: “Wir haben alles da, was das Spektrum Landwirtschaft zu bieten hat. Bis auf den Geflügelsektor ist in kaum einem Bezirk Landwirtschaft so vielfältig wie in Imst und diesen Vorteil nutzen wir hier. Es soll für die Bewohner sein wie daheim.”