Imkermeister Werner Kurz ist Präsident des Steirischen Landesverbandes für Bienenzucht und bringt es gleich eingangs auf den Punkt: „Heuer gibt es fast keinen Blütenhonig. Bei den meisten Imkerinnen und Imkern entfällt der erste von zwei Schleuderterminen.“ Der Zeitpunkt für die erste Honigernte liegt nach der Obstbaum- und Löwenzahnblüte meist Ende Mai. Die Vorarbeit dafür konnten die Honigbienen allerdings nicht leisten, denn das ungewöhnliche Wetter hat ihnen die Arbeitsverhältnisse heuer vermasselt. Während die wichtigsten Nektarlieferanten blühten, war einer der zehn nassesten und trübsten April-Monate der Messgeschichte und auch der Mai war nicht besser.
Weil Honigbienen erst ab 12 Grad Celsius und nur bei trockenem Wetter fliegen können, konnten sie voll blühende Obstbäume nicht aufsuchen. Werner Kurz – er leitet auch die Imkerschule und ist Geschäftsführer des Steirischen Imkerzentrums in Graz – rechnet allein in der Steiermark mit rund 90 Prozent Ernteausfall: „Nur in höheren Lagen der Obersteiermark konnten geringe Mengen Blütenhonig geerntet werden.“
Das bestätigen auch die beiden Vollerwerbsimker Johannes Wieser aus Frohnleiten und Alois Rauch aus Feldbach. „Beim Blütenhonig haben wir einen 100-prozentigen Ausfall und erleben damit ein ähnlich schlechtes Frühjahr wie 2021“, berichtet Rauch und ergänzt: „Aufgrund des schlechten Wetters mussten wir unsere Bienen sogar bis in die erste Juni-Woche hinein füttern.“ Ins selbe Horn bläst Hannes Wieser: „Die Bienenvölker haben sich sehr schwach entwickelt. Ohne die lange Fütterung wäre es überhaupt nicht gegangen, allerdings hat sich das auf der Ausgabenseite kräftig niedergeschlagen.“
Trotzdem blicken beide optimistisch in die nahe Zukunft. „Ich hoffe auf eine sehr gute Waldtracht. Die letzten zwei Wochen sind gut angelaufen“, sagt Wieser. Und Rauch lässt wissen: „Bei uns hat jetzt die Linden- und Kastanienblüte voll eingesetzt. Das ist zwar 14 Tage später als sonst, aber das könnte uns helfen, dass wir noch eine gute Honigernte einbringen.“
Auch Imker-Präsident Kurz setzt auf den Waldhonig. „Die Honigbienen nehmen dafür den Honigtau, den andere Insekten an Fichten, Eichen oder Tannen produzieren, auf und bringen ihn in den Stock ein, wo er von den Stockbienen weiterverarbeitet wird.“ Doch auch hier gibt es Probleme. Kurz präzisiert: „Unwetter sind sehr schlecht, da die Honigtauerzeuger von den Bäumen heruntergespült werden.“
Trotz der enormen Herausforderungen im heurigen Frühjahr hält der Trend zur Imkerei in der Steiermark weiter an. Kurz dazu: „Bereits seit sieben Jahren interessieren sich immer öfter Menschen für die Produktion von Honig. Heuer sehen wir eine leichte Stagnation – jedoch auf sehr hohem Niveau.“ Um Interessierten den Einstieg in die Imkerei leichter zu ermöglichen, wurde am vergangenen Wochenende an der Imkerschule in Graz das neue Bienenhaus eröffnet. Rund 300.000 Euro wurden investiert. „Das ermöglicht uns jetzt, auch bei Schlechtwetter Praxiskurse abzuhalten. Das wäre bei Wind und Regen im Freien nicht möglich.“ Landesrat Hans Seitinger betonte im Zuge der Eröffnungsfeier: „Die Bienen sind die wichtigsten Mitarbeiter unserer Obstbauern. Mit dem neuen Bienenhaus stehen moderne Lehrräumlichkeiten für die Ausbildung unserer Imker zur Verfügung.“
Rund 5.000 Erwerbs- und Freizeitimker halten in der Steiermark über 70.000 Bienenvölker und füllen pro Jahr rund eine Million Kilogramm Honig ab. Davon sind 4.200 Mitglieder in 126 örtlichen Imkervereinen dem Steirischen Landesverband für Bienenzucht angeschlossen.
Übrigens: Um einen Kilogramm Honig zu erzeugen, braucht es 150.000 Bienenausflüge. Dabei werden rund 20 Millionen Blüten besucht. Und was die Debatte rund um in- und ausländischen Honig betrifft, rät Johannes Wieser: „Am besten ist es, wenn man den Honig direkt beim Imker kauft!“
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- Imker: Agrarfoto.com