Wie viele Fälle von Gewalt auf Bauernhöfen sind in Österreich bekannt?

HÖLZL: Das ist schwer zu sagen, denn Übergriffe und Gewalt sind ein heikles und oft tabuisiertes Thema. In unserer Familienberatung stehen etwa vier Prozent der Beratungen im Zusammenhang mit Personen, die Übergriffe oder Gewalt ausgeübt haben. Diese suchen häufig auch die Männerberatung auf.

Was sind denn die häufigsten Ursachen für Auseinandersetzungen?
Überforderung und Stress sind häufige Faktoren, ebenso wie die mangelnde Bereitschaft Kompromisse einzugehen und die Unfähigkeit mit Emotionen umzugehen, was oft in einem Kontrollverlust mündet. Traditionelle Vorstellungen von Männlichkeit spielen ebenfalls eine Rolle. Eine explosive Mischung entsteht, wenn eine Beziehungskrise oder eine Trennung im Raum stehen. Da können Angst vor Verlust und Besitzdenken gefährlich werden. Auch die Angst, „als Mann“ versagt zu haben, kann dazu führen, dass Gewalt als Ausweg gesehen wird. Die Ursachen für Gewalt lassen sich auf das patriarchale Erbe und fest verankerte Vorstellungen von Männlichkeit zurückführen. Dennoch greifen solche Erklärungsmodelle oft zu kurz. In Verbindung mit starren Rollenerwartungen und einer Sprachlosigkeit bezüglich dieser Themen kann dies oftmals zu Übergriffen führen. Wichtig ist an dieser Stelle aber zu erwähnen, dass Gewalt auch von Frauen ausgehen kann.

Was kann man tun, wenn Familienmitglieder ihren Frust und ihre Aggressionen lautstark an anderen auslassen?
Immens wichtig ist, nicht in dieselbe emotionale Reaktion zu verfallen. Stattdessen sollte man klar kommunizieren, dass solch ein Umgang nicht akzeptabel ist. Oft hilft auch eine Auszeit, um die Emotionen abzukühlen. Betroffene sollten sich zudem nicht scheuen, Unterstützung zu holen, sei es bei Freunden oder professionellen Beratungsstellen. Bei Angst vor Übergriffen ist es ratsam, die Polizei zu informieren.
Wie geht man mit Frustgefühlen um?
Gefühle sind wichtige Indikatoren dafür, dass etwas nicht stimmt. Es geht darum, sie ernst zu nehmen und Wege zu finden, sich selbst zu regulieren. Ein unterstützendes Umfeld kann dabei helfen. Es mag auch stimmen, dass mehr Männer als Frauen sich schwerer tun im Umgang mit Konflikten im emotionalem Nahraum, sprich in der Partnerschaft. Zudem muss auch erwähnt werden, dass viele Männer schlecht im Ausdrücken von Gefühlen sind, sich bei Konflikten schwertun und trotzdem nicht gewalttätig sind.

Quelle: TO: LOLOSTOCK - STOCK.ADOBE.COM INFOGRAFIK: BZ/MERL; ILLUSTRATION: FLASH VECTOR - STOCK.ADOBE.COM; LFI
Überforderung und Stress sind häufige Faktoren, ebenso wie die mangelnde Bereitschaft, Kompromisse einzugehen. Die Unfähigkeit, mit Emotionen umzugehen, mündet oft in einem Kontrollverlust.

In welcher Form tritt Gewalt meist in Erscheinung?
Schläge und körperliche Attacken wie Stoßen und Würgen sind leider häufig. Auch die Androhung von Gewalt ist nicht zu vernachlässigen. Harte Worte und Beleidigungen beeinträchtigen ebenfalls die Lebensqualität, fallen aber erst bei körperlichen Angriffen in die Kategorie gefährliche Gewalt.

Was kann man tun, wenn man sich vollkommen hilflos fühlt?
Es ist wichtig, die eigenen Gefühle anzuerkennen und sich in Sicherheit zu bringen. Man sollte sich überlegen, wen man bei Angst kontaktieren kann oder wohin man gehen könnte. Mit jemandem sprechen, der einem glaubt und auch helfen kann, ist der erste Schritt.

Wer oder was leistet Unterstützung in schwierigen Situationen?
Unterstützung bieten Freunde, Familienmitglieder und zahlreiche Beratungsstellen wie das Sorgentelefon oder das Gewaltschutzzentrum. In akuten Fällen sollte die Polizei kontaktiert werden. Für Menschen, die Probleme mit der Kontrolle ihrer Emotionen haben, gibt es Männer- und Familienberatungen. Diese helfen, Verantwortung für das eigene Verhalten zu übernehmen und neue Wege im Umgang mit Gefühlen zu finden.

Wie oft führen Konflikte und Aggressionen zu Übergriffen?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Viele Konflikte sind zwar belastend, führen aber nicht zwangsläufig zu Gewalt. Wenn Gewalt auftritt, darf nicht weggeschaut werden.

 

Das bäuerliche Sorgentelefon

Das bäuerliche Sorgentelefon hat im vergangenen Jahr mehr als 500 Anrufe erhalten und Gespräche mit Betroffenen geführt. Konfliktsituationen mit Familienmitgliedern und die Hofübergabe waren häufig Thema. Die meisten Anrufe stammten aus Oberösterreich und wurden hauptsächlich von Frauen getätigt. Knapp 30 Prozent der Anruferinnen und Anrufer waren zwischen 50 und 59 Jahre alt, knapp 25 Prozent 25 bis 39 Jahre alt.              

Quelle: Beziehungsleben.at
Josef Hölzl

 

Zur Person

Ehe-, Familien- und Lebensberater mit den Schwerpunkten Gewalt und Tätertherapie. Die Linzer Beratungsstelle beziehungleben.at bietet Unterstützung in verschiedenen Lebensbereichen.

 

Hilfe holen 

Wenn auch Sie von Gewalt betroffen sind, zögern Sie nicht, Hilfe zu holen. In schwerwiegenden Fällen kontaktieren Sie direkt die Polizei unter Tel. 133.

Bäuerliches Sorgentelefon: 0810 676 810

oder holen Sie sich Beratung bei: familienberatung@dioezese-linz.at

Frauen Helpline gegen Gewalt: 0800 222 555

- Bildquellen -

  • Konfliktsituationen: TO: LOLOSTOCK - STOCK.ADOBE.COM INFOGRAFIK: BZ/MERL; ILLUSTRATION: FLASH VECTOR - STOCK.ADOBE.COM; LFI
  • Josef Hölzl: Beziehungsleben.at
  • Häusliche Gewalt: adobestock.com
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AUTORKatharina Berger
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