Für Rübenbauern ist Verbot von Neonics „heuchlerisch“

Das endgültige Verbot von Notfallzulassungen für Pflanzenschutzmittel wie jene mit Neonicotinoiden durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes stößt bei Bauernvertretern, aber auch in Frankreich auf völliges Unverständnis. 

Österreichs Rübenbauern sehen damit die Versorgung mit heimischem Zucker gefährdet. Deren Präsident Ernst Karpfinger kritisierte in diesem Zusammenhang die „heuchlerische Doppelmoral“ der EU-Politik. Es könne, so Karpfinger, „nicht im Sinne der EU sein, hierzulande die Produktion zurückzufahren, alles zu verbieten, sich damit das grüne Mäntelchen umzuhängen und gleichzeitig das Tor für Importe aus Regionen zu öffnen, die bei Weitem nicht die hohen Produktionsstandards der EU einhalten.“ 

Große Enttäuschung

In Österreich kämpfe man seit einigen Jahren auf bis zur Hälfte aller Zuckerrübenfelder gegen den Rübenderbrüssler. Dieser sei besonders schwer zu bekämpfen und verursache in kürzester Zeit enorme Schäden durch Kahlfraß. Der Schädling habe sich durch die trockene Witterung immer weiter ausgebreitet und sei nur durch die Anwendung geringer Mengen an Neonicotinoiden in der Saatgutbehandlung regulierbar. Der Larvenbesatz werde laufend untersucht, die Entwicklung der Population beobachtet, um Rückschlüsse für das folgende Jahr treffen zu können. Parallel dazu gebe es ein Bienenmonitoring, um Jahr für Jahr nachzuweisen, dass der Einsatz von geringen Wirkstoffmengen an Neonics mit Notfallzulassungen keine negativen Folgen für die Bienen habe, so Karpfinger. Dass es künftig keinen rechtlichen Spielraum für solche Notfallzulassungen mehr gebe, nehme man enttäuscht zur Kenntnis.

Nicht nachvollziehbar

„In keiner Weise nachvollziehbar“ ist das EuGH-Urteil auch für Oberösterreichs Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger. Im Land ob der Enns blicken seither 1.130 Betriebe mit rund 8.000 Hektar Zuckerrüben „mit größter Sorge in die Zukunft“. Die Entscheidung bedrohe deren Existenzen und auch die Versorgungssicherheit mit Zucker aus dem Inland. „Die Verantwortlichen auf EU-Ebene wären besser beraten, wieder wissenschaftlichen Fakten vor populistischen NGO-Meinungen zu folgen“, kritisierte die Obfrau des OÖ Bauernbundes.

Dürfen Neonics mittels Notfallzulassung nicht mehr verwendet werden, erwartet man im Rübenbauernbund eine Verringerung der Anbauflächen, nicht nur in den bisherigen Befallsgebieten des Rübenderbrüsslers, der sich wohl weiterverbreiten werde, da es auch keine alternativen, wirksamen Bekämpfungsmethoden gebe.

„Die Verantwortlichen auf EU-Ebene wären besser beraten, wieder wissenschaftlichen Fakten vor populistischen NGO-Meinungen zu folgen.“

Zweckoptimistisch

Ganz so pessimistisch sieht man die Lage beim Zuckerrübenverarbeiter Agrana noch nicht. Auch dieser habe das EU-weite Verbot von Notfallzulassungen von Neonics-Beizen für Zuckerrübensaatgut „mit Verwunderung und Bedauern“ zur Kenntnis genommen. Für die Vertragsbauern der Agrana bedeutet dies, dass ihnen ein effizientes Mittel zum Schutz der Rübenkultur vor Schädlingsfraß fehlt – insbesondere in den ersten Wochen nach der Saat – und sie dadurch heuer mehr Aufwand bei der Behandlung der Rübenkulturen haben werden, gegen den Rüsselkäfer, aber auch gegen Erdflöhe. Man arbeite bereits an unterstützenden Maßnahmen für die Produzenten. Im Hinblick auf einen erfolgreichen Rübenanbau 2023 ist man bei Agrana aber „zuversichtlich und weiterhin optimistisch“. Man biete den Landwirten Preisbedingungen, die den Rübenanbau – trotz Mehraufwand – attraktiv gegenüber Alternativkulturen sein lassen. Der Zuckerpreis sei nach wie vor auf hohem Niveau. Und bei den Kontrahierungen habe man mit 37.000 Hektar das angepeilte Flächenniveau bereits erreicht. 

Franzosen protestieren

In Frankreich gingen die Landwirte indes dieser Tage auf die Straße. Der Bauernverband (FNSEA) hatte landesweit zu Protestaktionen aufgerufen und das Verbot der Notfallzulassungen als „Todesstoß“ bezeichnet. Von der Regierung in Paris verlangen die Landwirte nun „konkrete Antworten“, um die Ernährungssouveränität zu sichern und Importe von unerwünschten Lebensmitteln zu unterbinden.

- Bildquellen -

  • : agrarfoto.com
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AUTORBernhard Weber
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