Dass die Herausforderungen für die Land- und Forstwirtschaft auch künftig nicht kleiner werden, darüber waren sich die agrarpolitischen Referenten bei der Spitzenfunktionärstagung einig. Von einer „Diskrepanz“ sprach Bauernbund-Landesobfrau Michaela Langer-Weninger: „Die Forderungen der Gesellschaft an die Landwirtschaft werden immer mehr.“ Als Beispiel hierfür nannte sie den Wunsch nach billigen Lebensmitteln bei gleichzeitig steigenden Kosten für die landwirtschaftlichen Betriebe. Aber auch auf EU-Ebene müssten einige Standpunkte überdacht werden: „Themen wie die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln oder Wiederherstellung der Natur hören sich für dich Bevölkerung zwar gut an – die damit verbundenen Auswirkungen wie Versorgungssicherheit und Abhängigkeit von Importen werden bei der Diskussion aber nicht mitbedacht.“
Für Langer-Weninger ist daher klar: „Wir dürfen uns daher nicht auch noch intern auseinanderdividieren lassen, denn nur gemeinsam können wir etwas weiterbringen.“ Der Bauernbund spiele hier eine gewichtige Rolle: „Wir sind die einzige landwirtschaftliche Interessensvertretung, die für den Bauernstand einsteht“, und verwies in diesem Zusammenhang auf die zahlreichen Unterstützungsmaßnahmen, die zuletzt für die Bäuerinnen und Bauern auf den Weg gebracht worden sind.
Für zahlreiche Maßnahmenpakete sei der Anstoß aus Oberösterreich gekommen, wie Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Waldenberger betonte: „Hier wurde wirklich sehr vieles erreicht, jedoch sind in der Fülle viele Unterstützungsmaßnahmen von den Bäuerinnen und Bauern nicht wirklich wahrgenommen worden.“
In weiterer Folge ging Waldenberger auf die GAP sowie die ÖPUL-Maßnahmen ein: „Auch wenn es sich hier um kein agrarisches Wunschprogramm handelt, zeigen die hohen Teilnahmeraten, dass die Bäuerinnen und Bauern Themen wie Umwelt- und Tierschutz ernst nehmen. Das ist eine wichtige Botschaft in Richtung der Gesellschaft“, so der LK-Präsident.
David Süß, Direktor des Österreichischen Bauernbundes, berichtete über das Stimmungsbild auf Bundesebene. So würden derzeit insbesondere die Themen Teuerung, Klimawandel und Sicherheit die Menschen massiv beschäftigen: „Heruntergebrochen auf die Landwirtschaft geht es hier vor allem um die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln.“ Zudem habe die Bundesregierung bei der Arbeitsklausur den „Erneuerbaren-Turbo“ gezündet: „Bäuerinnen und Bauern werden beim Ausbau von Photovoltaik- und Biogasanlagen als Energiewirte eine tragende Rolle spielen.“
Auf europäischer Ebene werde zudem für das Mercosur-Abkommen ein neuer Anlauf erwartet: „Die Positionierung des Bauernbundes ist bekannt. Wir sind ganz klar gegen dieses Freihandelsabkommen“, so Süß.
Tierwohl-Debatte: „Eine Diskussion der Wohlstandsgesellschaft”
Bei der Spitzenfunktionäretagung wurde auch das Thema „Zukunft Landwirtschaft“ näher beleuchtet. Laut Christian Dürnberger, Ethiker am Messerli Forschungsinstitut der Vetmeduni Wien, sei die Landwirtschaft „umstritten wie noch nie zuvor in der Geschichte“. Regelmäßig schaffen es landwirtschaftliche Themen auf die Titelseiten. Im besonderen Fokus stehe dabei die Nutztierhaltung. Er ist daher überzeugt: „Ethik müssen wir alle betreiben, da wir ständig moralische Debatten führen.“ Heutzutage werde aber anders über Landwirtschaft diskutiert als noch vor zwei, drei Generationen. Die Tierwohl-Diskussion sei vor allem der Überflussgesellschaft geschuldet. Gründe hierfür sieht er unter anderem auch durch die gesellschaftliche Entfremdung: „Die meisten Menschen kommen gar nicht mehr mit der bäuerlichen Welt in Kontakt.“
Auch wenn über die bäuerliche Produktion diskutiert und sich mitunter auch moralisch empört wird: „Am Ende des Tages kaufen die allermeisten Menschen immer noch gerne landwirtschaftliche Produkte, auch tierische.“
Dürnberger sieht beim Thema Essen aber eine große „Bürger-Konsumenten-Kluft“. Umfragen, aus denen hervorgeht, dass den Menschen Tierwohl heute ein wichtiges Anliegen ist, seien kritisch zu hinterfragen: „Spätestens beim Zahlen an der Kasse wird der Wunsch nach mehr Tierwohl nämlich oft entlarvt. Dem Bürger ist Tierwohl ein entscheidendes Anliegen – als Konsument aber ist er nicht bereit, mehr dafür zu bezahlen“, so Dürnberger. Aus seiner Sicht brauche der durchschnittliche Österreicher daher zur Zeit zwei Formen der Landwirtschaft: „Eine für die Geldbörse und eine fürs Gemüt.“
Boku-Professor Rainer Haas sprach in seinem Vortrag über Innovationen in der Landwirtschaft. Landläufig denke man dabei zuerst an Produktinnovationen, vergesse dabei aber, dass gerade in der Lebensmittelwertschöpfungskette Prozessinnovationen sehr erfolgreich die Wettbewerbsfähigkeit von landwirtschaftlichen Betrieben und Unternehmen verbessern können. Der Marketingexperte verwies auch auf die Vorteile von Kooperationen: „Das macht dort Sinn, wo der Einzelne nicht mehr weiterkann. Eine Neidkultur wird die Landwirtschaft nicht voranbringen.“
Auf Kooperationen setzt auch der Lebensmittelhändler Unimarkt: „Wir leben die Zusammenarbeit mit bäuerlichen Erzeugern authentisch, während andere es vorwiegend fürs Marketing nutzen“, so Geschäftsführer Andreas Haider, der lokale Wertschöpfungsketten weiter ausbauen möchte: „Wir müssen aus den Fängen der marktbeherrschenden Unternehmen austreten“, so Unimarkt-Chef Haider.
- Bildquellen -
- Web OÖ Wallner Langer Weninger Waldenberger: BZ/Mursch-Edlmayr
- Web Christian Dürnberger, Rainer Haas, Andreas Haider Und Wolfgang Wallner (v.l.): BZ/Mursch-Edlmayr
- Web Funktionäre Des Bauernbundes: BZ/Mursch-Edlmayr