Kommentar von Prof. Hubert Wachter,
Publizist.
Nur eine Testwahl. Mit diesem eigenartig abwertenden Etikett wird in manchen Kreisen derzeit die EU-Wahl 2024 versehen. Also jener Urnengang im Juni, bei dem rund 500 Millionen Bürger Europas aufgerufen sind, ihre 720 Abgeordneten in das Parlament der Europäischen Union in Straßburg bzw. Brüssel zu wählen.
Nein, das ist bei Gott keine „Testwahl“! Ganz im Gegenteil. Es kann passieren, dass es diesmal schon um die Existenz, um den weiteren Fortbestand der Union von derzeit 27 Mitgliedstaaten geht. Um die geopolitische Rolle der EU, damit sie nicht in der Neuordnung der Welt zwischen China, den USA und den rasant aufholenden Brics-Staaten wie Indien, Brasilien & Co zerdrückt wird. Dabei muss gerade das EU-Parlament mit 720 Abgeordneten (nebst Kommission und Rat) die entscheidende Rolle spielen – was bislang nur überschaubar gelungen ist. Auch, weil das EU-Parlament nach wie vor kein Initiativrecht für Gesetze hat, wohl aber die nicht vom Volk gewählte Kommission. Ergo: Es sollten im Parlament die besten Köpfe der EU-27 zu finden sein. Warum? Politisch große Weichenstellungen werden auf Brüsseler Ebene getroffen, EU-Richtlinien schlagen nationales Recht.
Und was das von den 27 Staaten entsandte EU-Personal nach Brüssel angeht: Es sollten die Besten sein, aber erst deren professionelle Arbeit in Brüssel sollte danach die Voraussetzung für einen Spitzenjob im eigenen Heimatland sein, nicht umgekehrt. Jede Wette, dass dann die viel bejammerte „Europamüdigkeit“ und das Gerede von „lediglich einer Testwahl“ ein Ende hätte…