EU-Agrarminister überwiegend gegen Kofinanzierung der 1. Säule

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) muss nach 2020 vereinfacht und modernisiert werden, bekräftigten die EU-Landwirtschaftsminister während ihrer Ratssitzung in Brüssel Anfang dieser Woche, von denen eine deutliche Mehrheit zudem forderte, dass die Lücke im EU-Landwirtschaftsbudget durch den Brexit wieder geschlossen wird. Die Finanzierung der Agrarpolitik müsse auch in den Jahren nach 2020 sichergestellt werden, fasste der estnische Ratspräsident Tarmo Tamm die Debatte zusammen. Lediglich Schweden wies darauf hin, dass die fehlenden Milliarden im EU-Agrarhaushalt durch den Brexit durch Kürzungen bei den Direktzahlungen eingespart werden müssten. Eine nationale Kofinanzierung der 1. Säule der GAP fand unter den EU-Agrarministern keine Anhänger. Besonders Polen und andere osteuropäische Mitgliedsstaaten lehnen es ab, die in Brüssel fehlenden Mittel aus dem nationalen Haushalt zu ersetzen.

Ein gemeinsames Papier der Visegradgruppe setzte in der Aussprache über die Zukunft der GAP deutliche Akzente. Ungarn, Polen, Tschechien, die Slowakei, erweitert um Rumänien, Bulgarien und Slowenien fordern einen Erhalt der Direktzahlungen als zentrales Element der GAP. Die Direktzahlungen sollen zu 100 Prozent (%) aus dem EU-Agrarhaushalt finanziert werden. Polen, Bulgarien, Rumänien und die Slowakei fordern darüber hinaus eine Angleichung der Höhe der Direktzahlungen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten. Die bisherige Berechnungsgrundlage sei 20 Jahre alt und könne zur Begründung für die großen Unterschiede der Zahlungen in den einzelnen Ländern nicht mehr herhalten, beklagen die vier osteuropäischen Minister in einem gemeinsamen Papier. Die Debatte um die Umverteilung der Mittel zwischen den EU-Mitgliedsstaaten wurde aber in der Aussprache nicht vertieft.

EU-Agrarkommissar Phil Hogan zog aus der Debatte den Schluss, dass die EU-Mitgliedsstaaten zu einer Reform bereit sind. Er will zum Jahresende hin seine Mitteilungen zur GAP nach 2020 vorlegen. Vereinfachungen, Einkommensstützung, Umwelt und Klima nannte Hogan als zentrale Elemente der zukünftigen Politik. Zudem lehnt auch der EU-Agrarkommissar eine nationale Kofinanzierung der 1. Säule der GAP ab und sieht sich jetzt damit auf der gleichen Linie wie die EU-Mitgliedsstaaten.

Kennzeichnungspflicht: Molkereien in Belgien leiden

Während der Ratssitzung machte der belgische Landwirtschaftsminister Willi Borsus auf Verwerfungen am EU-Binnenmarkt aufmerksam, seitdem in Frankreich die Herkunft der Milch in Molkereiprodukten gekennzeichnet werden muss. Er berichtete, dass der Export von Molkereiprodukten nach Frankreich im zweiten Halbjahr 2016 um 17 % zurückgegangen sei. Allein die Ankündigung der Kennzeichnungspflicht in Frankreich habe für den Rückgang im Vorjahr gesorgt. Mit dem Inkrafttreten der Kennzeichnungspflicht am 1. Jänner 2017 hätten weitere französische Supermärkte belgische Milch ausgelistet. In anderen EU-Mitgliedsstaaten sei dagegen kein Rückgang zu verzeichnen, stellte der belgische Minister klar. Auch Luxemburg, die Niederlande, Deutschland, Tschechien und Dänemark erklärten im Agrarrat, eine EU-weite Kennzeichnungspflicht werde den EU-Binnenmarkt empfindlich stören. Freiwillige Lösungen seien deshalb besser, um dem Wunsch nach lokalen Produkten nachzukommen, argumentierten die Minister dieser Länder. Doch die Fronten blieben verhärtet. Italien, Finnland, Griechenland, Portugal und Slowenien machten sich in der Debatte für eine verpflichtende Kennzeichnung stark.

Die EU-Kommission und Frankreich wollen erst das Ergebnis von Versuchen in verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten abwarten, bevor sie sich eine abschließende Meinung bilden. In einer Studie hatte die EU-Kommission vor einiger Zeit auf hohe Kosten durch die Kennzeichnungspflicht aufmerksam gemacht. Die zusätzlichen Ausgaben müssten Landwirte über niedrigere Rohstoffpreise mittragen, warnte damals die EU-Kommission.

Afrikanische Schweinepest über Lebensmittel oder Menschen übertragen

Mit dem Auftreten der Afrikanischen Schweinepest in Tschechien, geht die Angst um, dass kein EU-Mitgliedsland mehr sicher vor der Seuche ist. “Wir müssen mehr Klarheit über die Übertragungswege der Krankheit bekommen”, erklärte EU-Verbraucherkommissar Vytenis Andriukaitis im EU-Agrarrat. Weil zwischen den bisherigen Fällen in Ostpolen und Litauen sowie den neuen Fällen in Tschechien mehrere 100 km liegen, kämen diesmal Wildschweine als Überträger kaum in Frage. Diesmal sei die Ansteckung auf den Menschen zurückzuführen, betonte Andriukaitis. Es bliebe aber unklar, ob die Erreger über infiziertes Schweinefleisch oder über Personen übertragen wurden.

Der Kommissar forderte die EU-Mitgliedsstaaten auf, die Einfuhr von Lebensmitteln stärker zu kontrollieren und Jäger, Veterinäre sowie Schweinehalter besser zu informieren. Die Fälle von Afrikanischer Schweinepest seien schon eine Überraschung gewesen, kommentierte der tschechische Landwirtschaftsminister Marian Jurecka. Auch er vermutet, dass Menschen an der Übertragung beteiligt sind. Der belgische Landwirtschaftsminister Willy Borsus erklärte, jetzt könne sich kein EU-Mitgliedsland mehr sicher fühlen und der gesamte EU-Schweinefleischsektor sei betroffen.

Trockenheit: EU-Mitgliedsstaaten dürfen Direktzahlungen vorzeitig überweisen

Spanien, Portugal, Belgien und Luxemburg beklagten im EU-Agrarrat eine ungewöhnliche Trockenheit und forderten eine Unterstützung für die Landwirte. Hogan sagte daraufhin einen Rechtsakt zu, der demnächst vorgelegt werde. EU-Mitgliedsstaaten die das beantragen, können darin ab 16. Oktober Direktzahlungen an die Landwirte vorziehen. Zudem soll es Ausnahmen von bestimmten Greening-Auflagen geben. Luxemburg hatte darum gebeten, dass Brachflächen als Weiden genutzt werden dürfen.

Mexiko: Handelsgespräche kommen voran

Die EU und Mexiko haben Angebote zur Verbesserung des bestehenden Freihandelsabkommens ausgetauscht. Mexiko will dabei den Zugang für Schweinefleisch und für Milchprodukte aus der EU erweitern. Das Angebot von Mexiko sei eine akzeptable Verhandlungsgrundlage, erklärte ein Sprecher der EU-Kommission. Allerdings sei ausgemacht, dass die EU und Mexiko die gleichen Ambitionen im Agrarsektor an den Tag legen müssten, wenn auch nicht für die gleichen sensiblen Erzeugnisse. Noch in diesem Jahr wollen beide Seiten die Modernisierung des Abkommens unter Dach und Fach bringen. Hogan informierte im EU-Agrarrat die Minister über den Stand der Dinge. Er sprach die sanitären Hindernisse an, mit denen Mexiko die Einfuhr von Schweinefleisch aus der EU verhindert. Allerdings seien hier Fortschritte zu verzeichnen. Mexiko habe inzwischen weitere Schweinemastbetriebe in sechs EU-Mitgliedsstaaten für den Import zugelassen, berichtete Hogan. Weitere würden folgen. Die EU-Agrarminister zeigten sich wohlwollend im Rat gegenüber den Verhandlungen mit Mexiko. Dagegen meldeten zahlreiche EU-Mitgliedsstaaten Bedenken gegenüber der geplanten Öffnung der Agrarmärkte für die südamerikanischen Mercosurländer an.

AIZ

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19. Juli 2017