„Es kann zu Engpässen bei Versorgung kommen“

Knappes Angebot und Unsicherheit sind Preistreiber bei agrarischen Rohstoffen und Energie.

Die in Agrarierkreisen viel beschworene Versorgungssicherheit bekommt zum zweiten Mal binnen zwei Jahren eine ganz neue Bedeutung: Branchen-Experten erklären, wie es momentan darum steht. 

Unsicherheit dominiert seit dem Einmarsch der Russen in die Ukraine die Warenterminbörsen. Deshalb gehen momentan die Preise für Weizen, Mais oder Treibstoff durch die Decke. Der kurzfristige Blick auf die Zahlen lässt auch in Österreich Bäuerinnen und Bauern mit Ängsten und Sorgen zurück. 

Die BauernZeitung hat  zu Beginn dieser Woche mehrere Branchenvertreter gefragt, wie sie die aktuelle Lage bei Treibstoff und Futtermitteln beurteilen und mögliche  Handlungsoptionen daraus ableiten. 

Genossenschaften werden jetzt noch wichtiger

Quelle: ÖRV
Josef Plank,
Raiffeisenverband,
Wirtschaften
am Land

Durch die hohen Preise ist in verschiedenen europäischen Ländern der Druck nach staatlichen Lenkungsmaßnahmen wie etwa Ausfuhrbeschränkungen  gestiegen, um die Versorgung mit Lebensmittel und Energie mittelfristig zu sichern und mehr Preisstabilität zu erreichen. Bei den verflochtenen Lieferketten sind nationale Einschränkungen jedoch kritisch. Die größte Herausforderung wird es für uns sein, die massiv gestiegenen Produktionskosten wie Rohstoffkosten, Betriebsmittel oder Energiekosten in der Landwirtschaft, Verarbeitung und Logistik bei den Abnehmern durchzusetzen. Genossenschaften und Erzeugergemeinschaften werden jetzt noch wichtiger. Die kurzfristig enorm angestiegenen Energie- und Treibstoffpreise sind eine Folge der großen Volatilität und Unsicherheit auf den Märkten. Da braucht es Ausgleichsmaßnahmen, denn diese Preissteigerungen überfordern die Betroffenen. Beschleunigt wird aber mit Sicherheit der Umstieg auf erneuerbare Energieträger. Russland und die Ukraine sind wichtige Lieferanten von Agrarprodukten und Rohstoffen am Weltmarkt. Krisensicherheit ist jetzt zum langfristigen, strategischen Thema geworden, welches viel Geld kostet. Nicht nur bei Erdgas, wo gerade Österreich besonders verwundbar ist. 

Getreidehandel mit vielen Hürden konfrontiert

Quelle: RWA
Andreas Jirkowsky,
Raiffeisen Ware Austria,
Bereichsleiter Agrar

Mit ihrem Dekret, das auf dem ersten Blick einem Export-Stopp ähnelt, hat die Ungarische Regierung alle Nachbarländer und Handelspartner überrascht. Dieses Dekret bedeutet, dass ungarische Getreideexporte unabhängig davon, ob es sich um innergemeinschaftliche EU-Lieferungen oder um Drittlandexporte handelt, bis zum 15. Mai vor dem Verkauf von der ungarischen Regierung geprüft und genehmigt werden müssen. Auch der Preis kann teilweise von der Regierung festgelegt werden. Quasi über Nacht ist hier ein über Jahre hinweg stabiler Handel zwischen Ungarn und Österreich sowie der EU bei Getreide einseitig erschwert worden. Die Argumente der ungarischen Regierung sind aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar und unsolidarisch. Möglicherweise steht das Dekret in Zusammenhang mit der Wahl am 3. April in Ungarn. Wir sind im Handel mit Getreide momentan mit viel Hürden konfrontiert. Der Schreck zu Kriegs-beginn, die Unsicherheit und ein verknapptes Angebot sind Gründe für die aktuell vergleichsweise hohen Preise bei Weizen und Mais. Ich rechne damit, dass die Unsicherheit länger andauern wird. Eine konkrete Einschätzung zur weiteren Entwicklung der Preise abzugeben, ist derzeit aber nicht möglich und seriös.

Wir beobachten die Lage jetzt sehr genau

Quelle: Donau Soja
Matthias Krön, Verein Donau Soja, Obmann

Die Entwicklung der Ukraine ist für alle Europäer eine Tragödie. Und für uns in der Ernährungsbranche ein Weckruf, unsere Bemühungen um die Stärkung regionaler Versorgungsketten zu intensivieren. Die Versorgung mit gentechnikfreiem Donau Soja macht uns trotz der Entwicklungen in der Ukraine aktuell weniger Sorgen. 70 Prozent der für die Legehennen in Österreich eingesetzten Sojabohnen kommen bereits aus Österreich. Der gesamte Import von ukrainischem Soja nach Österreich betrug insgesamt nur etwa 10.000 von 550.000 Tonnen. Die meisten für Österreich relevanten Sojaflächen befinden sich überdies im Westen der Ukraine. Trotzdem beobachten wir die Lage genau, vor allem die Ernährungssicherheit in Ländern des globalen Südens wird dieses Jahr kritisch werden. Der Sojaanbau in Österreich boomt. Nach dem Rekordanbau 2021 mit 76.000 Hektar erwarten wir für 2022 eine weitere Steigerung auf 85.000 Hektar. Aktuell gibt es gute Preise für Soja und da sind die Kosten für Pflanzenschutz & Düngemittel auch niedriger. Die regionalen, nachhaltigen und gentechnikfreien Märkte sind jene, in denen österreichische Landwirte reüssieren. Umso wichtiger ist es, diese nicht in Frage zu stellen, gerade in Bezug auf die nachhaltige Sicherung der regionalen Eiweißversorgung.

Wir brauchen für Futtermittel einen Plan B

Quelle: Privat
Markus Lukas, GGÖ Geflügelmäster,
Obmann

Es wird zu Engpässen bei Rohstoffen kommen. Die Versorgung ist in der Geflügelbranche noch gegeben, jedoch rechne ich damit, dass Futterkomponenten nicht mehr verfügbar sind. Zum Beispiel Phosphor, Sonnenblumenschrot oder Rapsschrot, weil die Ukraine Anbauland Nummer eins ist. Wenn sich dieser Krieg noch mehr als ein Monat zieht, haben wir ein Problem. Auch die Energiekosten spielen in der Verarbeitung des Futtermittels eine große Rolle und das wird sich im Preis niederschlagen. Dieser höhere Preis muss den Endkonsumenten weitergegeben werden. Was die Eigenversorgung betrifft, so müssen wir diese zuerst für uns absichern und den Rest teilen wir gerne mit unseren Nachbarländern. Das ist ein anderer Zugang wie in Ungarn, denn dort wurden Exportschranken bei einem Überlager eingezogen. Wir sollten  genau auf die heurige Ernte schauen, müssen unseren Blick aber auch auf das Saatgut für die kommenden zwei Jahre richten. Wenn etwa GVO-freies Soja nicht mehr verfügbar ist, brauchen wir einen Plan B. Ein krisenbedingt kurzfristiger und geregelter Ausstieg aus der GVO-freien Fütterung ist eine Option. Klar ist, dass dies im Falle des Falles eine Ausnahme bleiben muss. Denn GVO-Freiheit ist ein Mehrwert, den wir uns nicht nehmen lassen. 

- Bildquellen -

  • Plank: ÖRV
  • Jirkowsky: RWA
  • Kroen: Donau Soja
  • Lukas: Privat
  • AdobeStock 299782657: PHILL THORNTON PHOTO - stock.adobe.com
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AUTORMartina Rieberer
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