Die ursprüngliche Intention der vor gut einem Jahr beschlossenen „Verordnung 2023/1115 über die Bereitstellung bestimmter Rohstoffe und Erzeugnisse, die mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen“ wird selbst von ihren schärfsten Kritikern begrüßt. Denn der EU-Verbrauch von nur sechs Rohstoffen (nämlich Kaffee, Kakao, Palmöl, Rindfleisch, Soja und Holz) soll laut Angaben der EU-Kommission bis 2030 jährlich 248.000 Hektar der globalen Waldfläche kosten. Dem möchte man mit der EUDR Einhalt gebieten.
Zum Jahreswechsel dürfen in der EU die genannten Rohstoffe deshalb nur noch unter Erbringung einer speziellen „Sorgfaltspflichterklärung“ in Verkehr gebracht werden. Mit dieser wird belegt, dass auf den Flächen, auf denen das jeweilige Produkt erzeugt wurde, seit 31. Dezember 2020 keine Rodungen stattfanden. So weit, so gut. Doch die Statuten der Welthandelsorganisation (WHO) gestatten es nicht, diese Regeln ausschließlich bei Importen aus Drittstaaten anzuwenden. Entsprechende Nachweise seien deshalb auch für EU-Erzeugnisse zu erbringen. Waldbauern und Holzindustrie verurteilen dies bereits aufs Schärfste – die BauernZeitung berichtete.
Einstellerverkauf und Direktvermarktung betroffen
Aber auch für Österreichs Ackerbauern und Rinderhalter bedeutet das, dass auch sie in Hinkunft ihre entwaldungsfreie Erzeugung belegen müssen (im Falle von Rindern und Soja spätestens ab 30. Juni des kommenden Jahres). Konkret hat das noch vor Inverkehrbringen durch Hochladen der Sorgfaltspflichterklärung in ein (noch nicht bestehendes) EU-Informationssystem zu erfolgen. Dort müssen auch Geolokalisierungsdaten aller Produktionsflächen hinterlegt sein.
„Bei Rindern betrifft dies nicht nur die Koordinaten der Stallung, sondern auch sämtlicher Weideflächen“, weiß man in der LK Österreich. Bei Feldstücken unter vier Hektar genügt dabei eine Geo-Koordinate. Bei größeren Flächen muss die gesamte Schlagform (wie im Mehrfachantrag) gemeldet werden. Und das alles jeweils auf sechs Dezimalstellen genau. Die daraus in der Brüsseler IT erstellten Referenznummern sind dann auch beim Handel zwischen Landwirten beizulegen, etwa beim Verkauf von Einstellern. Werden also Rinder auf Flächen gehalten, die nach 2020 gerodet wurden, ist eine Vermarktung in der EU nicht mehr zulässig. Davon wäre nach derzeitigem Wissenstand auch die Direktvermarktung mitumfasst.
Erleichterungen sieht der Gesetzestext indes bei zugekauften Futtermitteln vor. Dort obliege der Nachweis bei den Herstellern der Futtermittel, nicht also bei den Bauern, die sie einsetzen. Diese sollten dennoch künftig sämtliche Belege von Zukauffuttermitteln über die Lebensdauer ihrer Rinder (bis zu einem Zeitraum von höchstens fünf Jahren) aufbewahren, um sie „auf Verlangen den zuständigen Behörden zur Verfügung zu stellen“, wie es wörtlich heißt.
„Bürokratiemonster“ für Sojabauern
Nicht minder dramatisch schätzt der Verein Soja aus Österreich die Auswirkungen für die rund 11.000 heimischen Ackerbauern ein, die Sojabohnen in ihrer Fruchtfolge haben. „Die vorgesehenen Maßnahmen sind für unsere Sojaerzeuger ein bürokratisches Monster, wie wir es bisher nicht für möglich gehalten haben“, zürnt Karl Fischer, Landwirt und Obmann des Vereines, und spielt damit auf die Fülle an Daten an, die es künftig „entlang der Wertschöpfungskette Soja“ zu sammeln und zu archivieren gelte. Dies sei insbesondere den Landwirten „einfach nicht zumutbar“.
Fischer: „Viele haben uns schon signalisiert, dass sie 2025 auf andere Kulturen wechseln.“
„Viele haben uns schon signalisiert, dass sie 2025 auf andere Kulturen wechseln“, sagt Fischer. Denn bei anderen Ackerkulturen sucht man derartige Dokumentationsauflagen vergeblich. Für das aufstrebende Sojaerzeugerland Österreich sei das eine empfindliche Niederlage. Immerhin war die ölhaltige Bohne 2023 bereits die vierthäufigste Kultur auf heimischen Äckern, nach Mais, Weizen und Gerste. Der Verein Soja, der unter seinen gut 50 Mitgliedern Vertreter der gesamten Soja-Branche unter einem Dach vereint, rechnet wohl oder übel mit einem künftig wieder erhöhten Importbedarf, „was letztlich auch die EU-Eiweißstrategie konterkariert“, so Fischer.
Petition für Aufschiebung
Deshalb habe man mit dem Deutschen Sojaförderring und der Soia Italia die Initiative „EuroBean“ gestartet. Diese will die EU-Kommission per Petition zur zeitlichen Verschiebung der EUDR-Anwendung bringen, weil laut Fischer „noch zahlreiche Fragen zur Umsetzung offen sind“. Auch der Verband Donau Soja, der in Mittel- und Osteuropa für den gentechnikfreien Anbau von Soja steht, sieht „dringenden Handlungsbedarf in Brüssel und bei den nationalen Behörden“. Derzeit sei weder das EUDR-Informationssystem fertiggestellt und zugänglich noch seien auf nationaler Ebene Schnittstellen vorhanden, die eine automatisierte Abwicklung (etwa über eAMA) ermöglichen würden. „Ein Aufschieben der EUDR um zumindest ein Jahr erscheint mittlerweile, nur wenige Monate vor der Ernte, fast zwingend. Ein völliger Stopp wäre nicht sinnvoll“, kommentiert Donau-Soja- Generalsekretärin Susanne Fromwald den Status quo.
Fromwald: „Ein Aufschieben der EUDR um zumindest ein Jahr erscheint mittlerweile, nur wenige Monate vor der Ernte, fast zwingend.“
Ihre Vereinigung saß auch im EUDR-Expertenrat der EU-Kommission. „Das Hauptproblem für EU-Landwirte besteht wohl darin, dass viel zu spät erkannt wurde, dass nicht nur importiertes Soja aus Südamerika nachweislich entwaldungsfrei sein muss, sondern auch in der Union angebautes Soja“, erzählt Fromwald freimütig. Brüssel wolle jedoch nachbessern. Laut Donau Soja sei „ein aktualisiertes Infoschreiben“ noch für Mai angekündigt, Leitlinien zur Implementierung sollen im Juni folgen. Um langfristig von der EUDR zu profitieren, müsse Österreich jedenfalls als Land mit der niedrigsten Risikostufe bestätigt werden, so die Generalsekretärin. Nachsatz: „Diese Ländereinstufung gibt es aber bis heute nicht.“ Somit sei Österreich aktuell in derselben Risikostufe wie Brasilien. „Absurd“ nennt das Karl Fischer, „weil bei uns die Waldfläche täglich um sechs Hektar zunimmt.“
Fromwald erwartet „trotz all dem Ärger“ langfristig einen Wettbewerbsvorteil für Österreichs Sojaerzeugung. „Der Nachweis der Entwaldungsfreiheit, die Rückverfolgbarkeit der Felder und die Einhaltung nationaler Gesetze sind bei unseren kurzen Lieferketten deutlich leichter und auch kostengünstiger umzusetzen als etwa für Import- Soja aus Südamerika“, gibt sie sich optimistisch. Österreichs Agrarpolitiker, allen voran Agrarminister Norbert Totschnig, versuchen indes in Brüssel, eine Verzögerung und Anpassung der EUDR zu erwirken.
Hier geht’s zur Petition.
Hier die Verordnung im Wortlaut.
- Bildquellen -
- Rodung im Regenwald: RICHARD CAREY - STOCK.ADOBE.COM
- Sojadrusch: agrarfoto.com