Der überwiegende Teil des afrikanischen Kontinents hat in El-Niño-Jahren mit Dürre zu kämpfen.

Bereits im November 2022 prognostizierte die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) der Vereinten Nationen, dass sich im heurigen Jahr ein „El Niño“ (spanisch für Kind) einstellen werde. Gemeint ist damit eine im zwei- bis siebenjährigen Turnus auftretende Veränderung der Meeresströmungen im Pazifischen Ozean rund um den Äquator, die weitreichende Folgen auf die globale Witterung nach sich ziehen. Üblicherweise ist der Luftdruck über Südamerika hoch, jener über Südostasien und Australien niedrig. Die Passatwinde wirken ausgleichend und treiben bis zu 30 °C warmes Oberflächenwasser an die asiatischen und australischen Küsten, während der Humboldtstrom an der Küste vor Peru ständig kühleres Tiefenwasser an die Meeresoberfläche befördert.

In El-Niño-Jahren kommt dieser Zyklus mit abflauenden Passaten zum Erliegen oder dreht sogar um, steigende Wassertemperaturen im Ostpazifik und damit auch höhere Lufttemperaturen sind die Folge. Im globalen Wettergeschehen äußert sich dies regional unterschiedlich. Während in den Vereinigten Staaten und im Horn von Afrika mit massiven Regenfällen und Überschwemmungen zu rechnen ist, kommt es im südlichen Afrika, in Lateinamerika, Australien und Teilen Südostasiens zu verheerenden Dürren und Waldbränden.

Hitze bricht alle Rekorde

Im vergangenen Sommer stellte sich wie von WMO prognostiziert ein besonders starker El-Niño ein. Bereits im Juli teilte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas per Aussendung mit: „Dieser wird die Wahrscheinlichkeit von Temperaturrekorden und extremer Hitze in vielen Teilen der Welt und in den Ozeanen deutlich erhöhen.“ Tatsächlich meldete das EU-Klimainstitut Copernicus im November, dass die Rekordwerte des bisher heißesten Jahres der Messgeschichte (2016) heuer übertroffen wurden. Dabei war schon im El-Niño-Jahr 2016 vom „schwersten seit über 20 Jahren“ die Rede. So kam es in Brasilien zu massiven Ernteausfällen, auch Kolumbien meldete eine schwere Dürre und Chile litt durch die erwärmten Meeresströme unter einem großen Lachssterben. Venezuela stellte vor sieben Jahren gar die Uhren 30 Minuten vor, um mit einem besseren Nutzen des Tageslichts dem Strommangel entgegenzuwirken.

Ähnlich katastrophal waren die Auswirkungen des Wetterphänomens im Winter 1997 auf 1998. Dieser Winter brachte extreme Regenfälle in Kalifornien und Kenia und eine schwere Dürre in Indonesien mit sich. „Möglicherweise steht uns heuer ein ähnlicher Winter bevor“, meinte vor Kurzem Stephen Yeager, Wissenschaftler an der US-Meteorologiebehörde (NOAA) im Gespräch mit der „Washington Post“. An der NOAA wurde ein Prognosemodell für den aktuellen El Niño errechnet. Demnach dürfte das Wetterphänomen noch bis zur Jahresmitte 2024 anhalten und dabei die „höchste Super- El-Niño-Stärke“ erreichen, schreibt die „Washington Post“, derzeit sei es aber noch „moderat“.

Wirtschaftsleistung langfristig geschwächt

Auch für die Wirtschaftsleistung hat das Wetterphänomen Konsequenzen. So wurde im Wissenschaftsmagazin „Science“ als Größenordnung ein um 10 Prozent schwächeres Wirtschaftswachstum in betroffenen Ländern genannt, die Auswirkungen eines Extremereignisses (wie etwa jenem aus 2016) haben Nachwirkungen von bis zu 14 Jahren, so die Experten. Für den aktuellen El Niño haben Wissenschaftler des Fews Net, einer Forschungseinrichtung der US-Entwicklungsbehörde USAID, gemeinsam mit der Raumfahrtbehörde NASA sowie namhaften US-Universitäten die Auswirkungen auf die globalen Ernteerträge untersucht und kamen zu erstaunlichen Ergebnissen.

110 Mio. Hungernde mehr

Naturgemäß ist die regionale Landwirtschaft von Wetterextremen am meisten betroffen. Konkret soll der aktuelle El Niño durch Mindererträge rund 110 Millionen Menschen zusätzlich von humanitären Hilfslieferungen abhängig machen und damit die Ernährungsunsicherheit befeuern. „El- Niño-Ereignisse beeinträchtigen die Ernteerträge auf mindestens einem Viertel der weltweiten Ackerfläche“, weiß Weston Anderson, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fews Net und federführend in der aktuellen Analyse.

Bis zu 50 Prozent Minus

Konkret haben die USWissenschaftler anhand von Ertrags- und Klimadaten der vergangenen 60 Jahre die Auswirkungen auf die für die menschliche Ernährung bedeutendsten Kulturen Weizen, Mais, Reis, Sojabohnen und Sorghumhirse berechnet und in obiger Karte grafisch zusammengefasst. Demnach leiden besonders die Maiserträge in Afrika und Mittelamerika unter El Niño. Dies sei insofern fatal, da Mais die mit Abstand bedeutendste Getreidekultur am afrikanischen Kontinent ist. Nahezu 70 Prozent nimmt die Kultur auf den vorwiegend zur Eigenversorgung wirtschaftenden Betrieben ein.

Quelle: FEWS NET/NASA HARVEST
US-Wissenschaftler haben die Auswirkungen von El Niño auf die Erträge der wichtigsten Ackerkulturen untersucht.
Während rot bis beige für negative Effekte stehen, sind in violett gefärbten Regionen Ertragsverbesserungen zu erwarten.

Fews Net errechnete in den vergangenen El-Niño-Jahren hier durchschnittliche Mindererträge von 10 bis 15 Prozent. Aber auch Ernteausfälle über 50 Prozent seien schon Realität gewesen, heißt es. Heuer fiel etwa die Maisernte in Madagaskar durch Stürme und unregelmäßige Niederschläge „ins Wasser“. Auch die Weizenerträge in Australien und die Reiserträge in Südostasien sind, den US-Wissenschaftlern zufolge, bei El Niño in der Regel geringer. Gut 13 Prozent der globalen Anbauflächen seien davon negativ beeinflusst, lediglich 2 beziehungsweise 6 Prozent positiv. So erwartet das Australische Amt für Landwirtschaft in seiner aktuellen Prognose für die noch laufende Ernte einen um ein Drittel kleineren Wintergetreideertrag als im Vorjahr.

Extremwetterlage birgt regionale Verbesserungen

Einen positiven Einfluss soll das Wetterphänomen hingegen auf die globalen Sojaerträge haben, weiß man bei Fews Net. Auch die Farmer in den USA oder am Balkan und in der Türkei dürften durch die außertourliche Wettersituation eher profitieren. Nichtsdestotrotz bringe El Niño der Landwirtschaft „mehr Schaden als Nutzen“. Vor Jahren waren die Forscher diesbezüglich noch optimistischer. So bezifferte ein japanisches Forscherteam im Fachmagazin „Nature Communications“ den Anteil jener Agrarflächen, die vom Wetterphänomen in den Jahren 1984 bis 2004 profitiert hätten, noch mit einem Drittel der weltweiten Ackerfläche.

- Bildquellen -

  • El Nino Crops: FEWS NET/NASA HARVEST
  • Trockenheit in Afrika: cronopio - stock.adobe.com
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AUTORClemens Wieltsch
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