Ein Wiener Tomatengärtner als Pionier für Carbon-Capture

Tomatengärtner Merschl in der Wiener Donaustadt stellt die Beheizung der Gewächshäuser auf Biomasse um.

Moderne Gemüseproduktion ist kapitalintensiv. Eine Investition von gut 12 Millionen Euro ist aber auch in diesem Umfeld sehr beachtlich. Der in Wien Donaustadt in der Gärtnersiedlung Essling ansässige Tomatengärtner Martin Merschl investiert den Großteil dieser Summe in eine Hackgutheizung und in eine daran angeschlossene Anlage, die das im Abgas enthaltene Kohlendioxid (CO2) bindet und für die Düngung der Kultur im Gewächshaus verfügbar macht. Mit dieser sogenannten Carbon Capture-Technologie zählt Merschl europaweit zu den Pionieren. MIt dem Blick auf einen Österreich-Schwerpunkt mit dieser Technologie haben das Bundesministerium für Landwirtschaft und der Österreichische Klima- und Energiefonds eine 80-prozentige Förderung des Projekts zugesagt. Zum Spatenstich für ihr Projekt hat Familie Merschl am Freitag, 4. April 2025, auf ihren Betrieb eingeladen.

Quelle: BZ / Maad
Spatenstich im Hackgutlager. Im Bild v. l. LK Wien-Direktor Robert Fitzthum, Thomas, Verena und Martin Merschl, LK Wien-Präsident Norbert Walter, Irmgard Merschl und LK Wien Vizepräsident Martin Flicker.

Sieben Hektar unter Glas, 3.000 Tonnen Jahresproduktion

Hauptprodukt am Betrieb sind Tomaten, im Besonderen Midi-Rispen und als spezielle Snack-Variante auch Datteltomaten („Datterinos“). Beachtlich ist schon bisher die Kulturfläche von knapp sieben Hektar unter Glas. Mit dem Heizungsneubau werden die Merschls zudem ein neues Haus von gut einem Hektar errichten, mit zusätzlicher Beleuchtung, um auch in den Randzeiten des Tomatenjahres besser am Markt präsent zu sein. Aktuell beginnt das Arbeitsjahr Ende Jänner mit dem Neuaussetzen der veredelten Jungpflanzen und läuft dann bis etwa Mitte November. Mit Unterstützung durch rund 40 bis 60 Arbeitskräfte liefert Familie Merschl jährlich rund 3.000 Tonnen Tomaten auf den heimischen Markt. Vermarktungspartner ist die genossenschaftliche LGV-Sonnengemüse in Wien-Simmering. Deren Vorstand, Josef Peck, zeigt sich angetan vom Projekt der Merschls und ist überzeugt, die Tomaten auch in Zukunft zu akzeptablen Preisen am Markt unterbringen zu können.

Quelle: BZ-Maad
Das Projekt als Planskizze.

Gaspreis, Hackgutpreis und CO2-Kosten

Kernstück der neuen Heizanlage am Betrieb Merschl ist ein Biomassekessel der Firma Herz / Binder mit fünf Megawatt Wärmeleistung. Dazu gehören weiters ein überdachtes Hackgutlager mit 200 m2 und ein Puffertank mit einem Volumen von 2.000 m3. Durch die Umstellung von der bisherigen Heizung mit Erdgas auf Biomasse sollen binnen zehn Jahren rund 45.000 Tonnen weniger CO2 ausgestoßen werden – auch unter Berücksichtigung des Faktums, dass in der Gemüsekultur ja ein Großteil des Kohlendioxids wieder als „Dünger“ in die Gewächshäuser geleitet wird und dort auch von den Pflanzen verbraucht wird.
Damit der betriebliche CO2-Kreislauf auch bei der Biomasseheizung erhalten bleibt, entschied sich Martin Merschl, eine Carbon Capture-Anlage zu errichten. Partner dafür ist das niederländische Unternehmen Green Gas & Liquids.

Quelle: BZ / Maad
Das Prinzip der Carbon Capture-Anlage

Zur CO2-Absonderung wird das Abgas der Verbrennung durch ein adsorbierendes Lösungsmittel geführt und geht danach CO2-frei in die Atmosphäre. Um das CO2 aus dem angereicherten Lösungsmittel wieder zu extrahieren, braucht es allerdings Temperaturen von 140 °C, wofür in der Biomasseheizung neben der Grundlast ein zweiter Kreislauf einzurichten ist, der für diese hohe Temperatur ausgelegt ist. Die Konzeption der Anlage war auch insofern herausfordernd, als es kaum Referenzen für derartige Systeme gibt. Das aus dem Abgas gewonnene CO2 wird wieder in die Gewächshäuser eingeleitet und kommt dort dem Wachstum der Tomaten zugute. Ein Zukauf von industriellem Kohlendioxid ist nicht erforderlich. Laut Martin Merschl ist die Wirtschaftlichkeit der Anlage durch das Kostendreieck von Gaspreis, Hackgutpreis und den kalkulatorischen Kosten für industrielles Kohlendioxid bestimmt. Er ist zuversichtlich, dass die Rechnung aufgeht.

Quelle: BZ / Maad
Über Folienschläuche unter den Kulturwannen wird das Kohlendioxid als Dünger in die Gewächshäuser eingeleitet und von den Tomatenpflanzen veratmet.

Anreize der Politik und Unternehmergeist wirken zusammen

Laut Jürgen Schneider, Leiter der Sektion Klima im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft wird auf dem Betrieb Merschl ein Vorzeigeprojekte entstehen, das zeige, wie die Klimaschutz und Wirtschaft erfolgreich Hand in Hand gehen und ökologische Maßnahmen in der Praxis umgesetzt werden können. Das Projekt habe ein Alleinstellungsmerkmal und sei eine „Best Practice Vorlage“ für den österreichischen Klimaschutz. Die Bauarbeiten am Betrieb Merschl laufen bereits. Bis spätestens November dieses Jahres wird der Biomasseofen in Betrieb genommen und die CO2-Abscheidung gestartet.

- Bildquellen -

  • 250404 Merschl C Maad 01485: BZ / Maad
  • 250404 Projekt C Maad: BZ-Maad
  • 250404 CO2 Bindung C Maad: BZ / Maad
  • 250404 CO2 Leitung C Maad: BZ / Maad
  • 250404 Tomatenkultur C Maad: BZ / Maad
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QuelleH.M.
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