Klarheit auf einen Blick statt rot-weiß-rote Mascherl und diverse Unternehmenssiegel. Eine klare Haltungs- und Qualitätskennzeichnung wird Österreichs Kühlvitrinen wohl verändern.

Die österreichische Landwirtschaft geht geschlossen in die Transparenz-Offensive, mit diesen Worten verkündeten die Landwirtschaftskammern der Bundesländer gemeinsam mit dem Dachverband der hiesigen Tierhaltungsverbände, der Nutztierhaltung Österreich, vergangene Woche ihre Forderung nach einer Haltungskennzeichnung.

Moosbrugger: „Ziel ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten der Wertschöpfungskette und nicht zuletzt für die gehaltenen Tiere.“

Aus Produzentensicht soll diese aber deutlich mehr können als bloß über die Haltungsform der Nutztiere informieren. Das österreichische „Qualitätsstufen-System“ müsse zugleich über die Qualität und die Herkunft des betroffenen Produktes informieren. Das große Ziel der Bauernvertreter ist es, so den Konsumenten eine bessere Wahlmöglichkeit zu bieten und sie für eine verstärkte Nachfrage von Tierwohl-Erzeugnissen zu begeistern. Auch die die Wirtschaftlichkeit der Höfe will man gesichert wissen. „Ziel ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten der Wertschöpfungskette und nicht zuletzt für die gehaltenen Tiere“, bringt es LK Österreich- Präsident Josef Moosbrugger auf den Punkt. Zu diesem Zweck wurde ein Sieben- Punkte-Plan erarbeitet, welcher der AMA-Marketing als Basis für konkrete Umsetzungsschritte dienen soll.

AMA-Gütesiegel als Basis

Darin wurde unter anderem die erwähnte Verknüpfung der Kennzeichnung mit Qualität und Herkunft sowie die Umsetzung auf Basis des staatlichen AMA-Gütesiegels festgeschrieben. „Mit dem neuen AMA-Gesetz haben wir auch die Grundlage dafür“, so Moosbrugger. Die Kammer empfiehlt eine fünfstufige Gliederung, wie sie auch das Nachbarland Deutschland auf den Weg brachte und sieht eine explizite Kennzeichnung aller Waren als Pflicht. Auch eine Ausweitung auf verarbeitete Produkte erachtet man in einem zweiten Schritt jedenfalls als notwendig, Ausnahmen soll es im Lebensmitteleinzelhandel keine geben. Nicht zuletzt wird auch ein direktes Mitspracherecht für die Landwirtschaft eingefordert. Moosbrugger ist dabei auch die Planbarkeit für die Bauern ein Anliegen: „Dafür braucht es mehr als einmalige, rasch verpuffte Anschubfinanzierungen, nämlich kostendeckende Preise auf den Märkten.“ Schließlich seien „Investitionen in Tierwohl-Ställe auch über mehrere Jahre bis Jahrzehnte abzuzahlen“, so der LK-Chef.

Der Sieben-Punkte-Plan im Detail:
1. AMA-Marketing als gemeinsame Umsetzungsplattform
2. Umsetzung der Haltungsformenkennzeichnung in Verbindung mit Qualität und Herkunft
3. AMA-Gütesiegel als staatliches Kennzeichen fixer Bestandteil
4. Einordnung der Tierhaltung in ein Fünf-Stufen-System: Explizite Kennzeichnung aller     Waren, entsprechend dem System, unter Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen
5. Umsetzung bei allen Produkte inklusive Verarbeitung in einem zweiten Schritt
6. Umsetzung des Qualitätsstufensystems in allen Vertriebsschienen des LEH
7. Aufbau eines Systems mit direktem Mitspracherecht für die Landwirtschaft

Mitspracherecht für Bauern gefordert

Darin dürfte auch der gravierende Unterschied zum 2022 von Sozialminister Johannes Rauch erbrachten Vorschlag zu einer Haltungskennzeichnung liegen. Zur Erinnerung: Der für Tierwohl verantwortlich zeichnende Minister lud im Sommer vor zwei Jahren Vertreter des Lebensmitteleinzelhandels zu einem Gipfel ein und einigte sich mit diesen auf die Erarbeitung einer Haltungskennzeichnung – ohne einen einzigen Bauernvertreter am Tisch. Die LK Österreich zäumt nun das Pferd von hinten auf. Moosbrugger: „Wir fordern die AMA-Marketing auf, umgehend ein solches Qualitätsstufen- Modell gemeinsam mit den tierhaltenden Branchen, Stakeholdern und uns zu entwickeln und in weiterer Folge dem Handel anzubieten.“

Bei AMA-Marketing-Geschäftsführerin Christina Mutenthaler-Sipek rennt der LK-Chef damit offene Türen ein: „Wir begrüßen die Forderung sehr, ein neues Qualitätsstufen- System bei der Kennzeichnung tierischer Produkte einzuführen.“ Man sei bereit für die Umsetzung und werde in einem ersten Schritt das Gespräch mit Vertretern aller Beteiligten der Wertschöpfungskette suchen. Dies sei notwendig, da „nur nachhaltige Branchenlösungen Kosteneffizienz für alle Beteiligten bieten und ein einfaches, praxisrelevantes System für Betriebe und Konsumenten schaffen“, so die AMA-Marketing- Chefin. Erste Vorarbeiten und Vorschläge seien bereits in Arbeitsgruppen mit Vertretern aus Landwirtschaft, Handel, Verarbeitung, aber auch mit NGOs erarbeitet worden.

Das deutsche Modell

Als positives Beispiel führte die AMA-Marketing Deutschland ins Feld. Dort gibt es bekanntermaßen bereits seit 2019 eine freiwillige Haltungsformkennzeichnung, welche auf Initiative des Handels zunächst für Fleisch und später für Milch eingeführt wurde. Die bisher vierstufige Gliederung wird heuer zur Jahresmitte auf ein Fünf- Stufen-Modell umgestellt. Damit erfolgt in der BRD eine Anpassung des Labels an die im Vorjahr im Bundestag in Berlin beschlossene staatliche Tierhaltungskennzeichnung. Künftig wird also von „1-Stallhaltung“ bis „5-Bio“ ausgewiesen. Während die freiwillige Kennzeichnung bei Fleisch und Milchprodukten bereits bei allen namhaften Handelsketten – nämlich Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl, Penny, Netto und Rewe – Einzug hielt, wird die gesetzlich verpflichtende Auslobung erst 2025, vorerst mit Schweinefleisch aus deutschen Ställen, starten. Eine Ausweitung auf weitere Tier- und Produktarten, verarbeitete Produkte sowie die Außer-Haus-Verpflegung ist laut Angaben des deutschen Landwirtschaftsministeriums (BMEL) aber ebenfalls vorgesehen.

 

Auch die deutsche Haltungsformkennzeichnung wird heuer (entsprechend der gesetzlichen Anforderungen) von vier auf fünf Stufen umgestellt, wie die Tabelle am Beispiel Milchviehhaltung zeigt.

Amtsweg für deutsche Bauern

Die fünfstufige Kennzeichnung wird deutsche Konsumenten künftig mit einem einfachen Farbschema informieren, ob die Tiere, von denen die jeweiligen Produkte stammen, in geschlossenen Ställen, mit Zugang zu Außenklima, Auslauf oder entsprechend der EU-Bio-Verordnung gehalten wurden. Für deutsche Bauern bringt das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz zunächst einen Behördengang mit sich. Damit Lebensmittelunternehmer korrekt kennzeichnen können, müssen sie zunächst bei den zuständigen Länderbehörden ihren Tierbestand und die Haltungsform samt Nachweis durch Pläne oder Fotos bekannt geben. Der bürokratische Aufwand halte sich BMEL-Angaben zufolge allerdings in Grenzen, „die meisten Daten hätten die Behörden bereits oder sie sind auf den Betrieben vorrätig“, verlautet es aus Berlin. Die Kontrolle wird je nach zutreffender Haltungsstufe entweder nur im bereits üblichen Turnus der Behörden oder aber (etwa auf Bio-Betrieben) jährlich im Rahmen der ohnehin bestehenden Kontrollen erfolgen. Bei Verstößen seien auch Bußgelder möglich.

Zusatzmodule als Vorbild?

Die bundesdeutsche Haltungsformkennzeichnung des Handels schlug in den vergangenen Wochen bereits Wellen in die Alpenrepublik und liefert den hiesigen Milchbauern einen ersten Vorgeschmack auf die neuen Kennzeichnungspflichten. Mit den AMA-Gütesiegel-Zusatzmodulen „Tierhaltung Plus“ und „Tierhaltung Plus Außenklima“ wurden zwei Schienen geschaffen, die weiterhin ein Beliefern des so wichtigen deutschen Exportmarktes ermöglichen. Die Bauern störten sich zuletzt vor allem an der jährlich vorgesehenen Kontrolle durch eine unabhängige Kontrollstelle, deren Kosten über Fördermittel retourniert werden sollen.

Quelle: Fotos: agrarfoto.com
Beim Schwein gibt es de facto bereits eine fünfstufige Qualitätskennzeichnung auf Basis des AMA-Gütesiegels.

Auch für den Schweinebereich hat die AMA-Marketing de facto bereits ein fünfstufiges Qualitätssystem im Repertoire. So steht das Basissiegel für eine Stallhaltung mit einem um 10 Prozent erhöhten Platzangebot gegenüber dem gesetzlichen Mindeststandard. Das Gütesiegel „Tierwohl“ (TW 60) bietet mehr Platz und Einstreu. Die Stufe „Mehr Tierwohl“ (TW 100) garantiert Auslauf und die Bio- Haltung steht mit dem AMA-Bio-Siegel schließlich für die höchstmögliche Haltungsstufe. Ob und wie die hier genannten Beispiele in das vollumfängliche „Qualitätsstufen-System“ Eingang finden, gilt es nun wohl abzuwarten. Gegenüber der APA erklärte Christina Mutenthaler-Sipek, dass bereits im Sommer mit einem ersten Kennzeichnungsentwurf zu rechnen sei.

nutztierhaltung.de
amainfo.at

- Bildquellen -

  • Grafik AMA-Gütesiegel Schwein: Fotos: agrarfoto.com
  • Kühltheke: Heorshe - stock.adobe.com
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AUTORClemens Wieltsch
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