Das für den Mineraldünger benötigte Rohphosphat wird überwiegend außerhalb der Europäischen Union gewonnen.

Auch wenn sich die Preisentwicklung seit Jahreswechsel zusehends entspannt – sowohl stickstoffhaltige Dünger als auch Kali- und Phosphatprodukte zeigen einen Abwärtstrend – die Turbulenzen des vergangenen Jahres stecken allen Beteiligten noch immer in den Knochen. Der sprunghafte Anstieg der Gaspreise erhöhte im Sommer 2022 die variablen Produktionskosten der Stickstoffdüngerherstellung binnen kürzester Zeit um 90 Prozent. Zugleich erschwerten Handelshemmnisse mit Russland die Rohstoffverfügbarkeit der Makronährstoffe Kali und Phosphor. Für Europas Landwirte äußerte sich dies in einer Teuerung beim Dünger von rekordverdächtigen 149 Prozent im September gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Folge: Bauern brachten EU-weit deutlich weniger Dünger aus, die Hersteller begannen ihre Produktion um bis zu 70 Prozent zu drosseln. Der Importanteil bei Stickstoffdüngern erhöhte sich schlagartig um über ein Drittel, wie Eurostat berichtet.

Quelle: Eurostat, Grafik: BZ/MerlAbhängiger Kontinent

Die EU-Landwirtschaft benötigt jährlich im Schnitt 11 Mio. Tonnen an Reinnährstoffen aus Mineraldüngern. Dabei ist die Gemeinschaft bei Stickstoff zu 30 Prozent, bei Phosphor zu knapp 70 und bei Kali gar zu 85 Prozent von Importen abhängig. Die gut 26 Mio. Tonnen Importdünger lassen sich Bauern und Industrie einiges kosten. In den Jahren 2019 bis 2021 betrug deren Wert im Schnitt 6,67 Mrd. Euro. Mengenmäßig ist der Import von stickstoffhaltigen Düngern der gewichtigste Faktor in der EU-Bilanz. Etwa 7,5 Mio. Tonnen werden davon pro Jahr eingeführt. Hauptbezugsquellen sind hier Russland, Ägypten, Algerien sowie Weißrussland und die Ukraine. Mengenmäßig geringer fallen zwar die Importe von Rohphosphaten aus. Da jedoch nur Finnland innerhalb der Union nennenswerte Phosphatreservoirs besitzt, ist die Zulieferung aus Marokko, Russland, Algerien, Israel und Syrien umso essenzieller. Ähnlich verhält es sich bei Kali-Düngemitteln. Diese weisen den höchsten Importanteil auf. 3,3 Mio. Tonnen werden jährlich aus Weißrussland, der Russischen Föderation, aus Kanada, Israel und dem Vereinigten Königreich bezogen.

Nichtsdestotrotz verfügt die europäische Düngemittelindustrie mit ihren 120 Produktionsstandorten und einem Produktionsvolumen von über 40 Mio. Tonnen an Zwischen- und Endprodukten auch über eine breit verteilte Erzeugung vor Ort.

Lösungen aus Brüssel

In der EU-Kommission versucht man nun gegenzusteuern und „die Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von Düngemitteln“ sicherzustellen, wie es heißt. Szenen wie 2022 bestmöglich vermeiden, so scheint das Credo. Zu diesem Zweck war vor wenigen Wochen in der Generaldirektion Landwirtschaft eine Düngemittelmarkt- Beobachtungsstelle eingerichtet worden. Das dort vertretene Expertenteam erhebt sowohl Lagerstände als auch Produktionsauslastung in den jeweiligen Mitgliedstaaten. Zusätzlich versucht man, die globale Markttransparenz durch engere Zusammenarbeit mit dem Agrarmarkt-Informationssystem der G20-Staaten zu optimieren. Langfristig haben die Brüsseler Beamten auch größere Stellschrauben im Auge. So soll noch heuer ein Aktionsplan für Nährstoffmanagement folgen, welcher eine höhere Nährstoffeffizienz in der Düngung forciert. Zusätzlich werden Forschungsprojekte zu alternativen Düngemitteln unterstützt und die Mitgliedstaaten zur Investition in grünen Wasserstoff als Ersatz für Erdgas animiert.

Details: agriculture.ec.europa.eu  

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  • Grafik Herkunft: Eurostat, Grafik: BZ/Merl
  • Phosphorabbau: doctor_osen - stock.adobe.com
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AUTORClemens Wieltsch
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