Josef Rieberer und Karl Grantner im Gerstenfeld in Zeltweg.

Anfang Juli, als die Gerste noch prächtig im Feld stand, besuchte die BauernZeitung Josef Rieberer, den Geschäftsführer der Murauer Brauerei, und Karl Grantner, Landwirt und Obmann des Saatbauvereins Murboden, im obersteirischen Zeltweg. Heuer bauen in dieser Region rund 50 Landwirte das dritte Jahr Braugerste für die Murauer Brauerei an. Doch das war nicht immer so, wie Rieberer erzählt. „Wir bezogen bis dato 100 Prozent der Braugerste aus dem Weinviertel von der Zistersdorfer Erzeugergemeinschaft. Die Anbaumengen waren teilweise aber nicht mehr da, wie wir sie gebraucht hätten. Da haben wir uns auf die Suche nach Alternativen gemacht. Da wir ein AMA-zertifizierter Betrieb sind, also 100 Prozent österreichische Rohstoffe einsetzen, ist es uns einfach wichtig, österreichische Rohstoffe fürs Bier zu verwenden. Zwei Drittel der Gerste kommen nach wie vor aus Niederösterreich und mit einem Haxn stehen wir mit diesem Projekt sozusagen schon im Murtal“, so der Brauereichef. 

Inspiriert vom Braugerstenanbau in Norditalien baute die Brauerei mit Unterstützung der Landwirtschaftskammer und der Raiffeisen Ware Austria (RWA) 2021 erstmals in Kooperation mit zehn Bauern im Murtal Braugerste an. Ziel war eine Kostenersparnis durch den kurzen Transport. Denn bei der Braugerste aus dem Weinviertel sei der Transport teuer. „Diese Preisspanne geben wir heute eins zu eins den Bauern im naheliegenden Murtal weiter“, erklärt Rieberer. 

Bier mit AMA-Siegel

Quelle: KieferMit heimischer Braugerste könne man den österreichischen Markt nicht ausreichend bedienen. Und vor allem die Brauereien in Grenzregionen würden aus Bayern importieren, und große Bier-Konzerne kaufen sowieso weltweit ein. Das ist aber nicht die Philosophie der Murauer Privatbrauerei, die eine von wenigen Brauereien in Österreich ist, die sich „Herkunft vor Größe“ auf die Fahnen schreiben. Die Murauer Brauerei, angesiedelt in der Stadt Murau, setzt auf rot-weiß-rote Rohstoffe. „Wir sind seit 13 Jahren AMA-zertifiziert und haben auch die AMA-Lizenz für die Futtermittelproduktion – für Biertreber beispielsweise. Alles, was wir in Österreich oder in der Region bekommen, kaufen wir in der Region. Aber es gibt eben Produkte wie Verpackungsartikel oder Bierkisten, die nicht aus Österreich kommen“, so der Brauereichef. 

Im Vorjahr hat die Brauerei mit über 750 Tonnen schon mehr als ein Drittel ihres Jahresbedarfs mit Braugerste aus dem Murtal abdecken können. „Vom Feld zum Bier, von den Trebern in den Stall und über die Gülle dann eben wieder auf die Felder. Ein einfacher Kreislauf, den auch die Konsumenten verstehen“, legt Rieberer einen starken Fokus auf die Kreisläufe.

Doch Regionalität ist teurer, oder?

„Wir haben voriges Jahr eine Fünf-Jahres-Vereinbarung mit den Murtaler Bierbauern abgeschlossen mit einem sehr attraktiven Preis für die Gerste. Dadurch sind unsere Gestehungskosten in der Braugerste um fast 28 Prozent gestiegen. Jedoch kommen uns die geringeren Transportwege zugute, außerdem bleibt die Wertschöpfung vor Ort, und das ist mir wichtiger als billige Braugerste aus Frankreich“, so der Brauereichef. Und auch für die Bauern dürfte der Deal gut passen, wie Grantner, selbst Braugerstenproduzent, sagt: „Wir haben einen Fixpreis, einen Mindestpreis und einen Höchstpreis. Voriges Jahr haben wir inklusive der 30 Euro pro Hektar für die Werbetafeln und inklusive Mehrwertsteuer 376 Euro pro Tonne Braugerste bekommen. Der Preis liegt immer mindestens 60 Euro über dem Futtergerstenpreis. Das ist einfach eine langjährige Absicherung für die Bauern“, freut sich einer der Mitbegründer des Projektes. 

Zentraler Einkauf und Tipps über WhatsApp

Das Saatgut von Steirersaat wird gemeinsam über das örtliche Lagerhaus bestellt, das ist auch so in der Vereinbarung verankert. Jeder Bauer kann dort seine Ware selbstständig abholen. Koordiniert wird die Kulturführung über eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe. Darin werden die Zeitpunkte für Anbau, Düngung oder der beste Erntezeitpunkt erörtert. „Anfang März gehört die Gerste in den Boden. Beim Anbau haben wir die Erfahrung gemacht, dass man die Gerste nicht zu dick sät. Ein Frost sollte dann reichen, damit die Gerste bestockt, und das funktioniert eigentlich gut“, erzählt der Gersten-Experte von
seinen gewonnenen Erfahrungen. 

Dann folgt die Grunddüngung Ende März. Die Stickstoffgaben fielen mit 60 kg Reinstickstoff pro Hektar gering aus. „Das ist im Vergleich zur Futtergerste mit rund 100 kg deutlich weniger und dadurch ein Kostenvorteil“, so Grantner. Durch frühe, zurückhaltende Düngung könne man den Proteingehalt unter 13 Prozent halten und trotzdem gute Hektarerträge erzielen. 

Gute Qualitäten bei der Gerste erzielt

2021 konnten annähernd 100 Prozent als Braugerste angeliefert werden, 2022 waren es hingegen nur 75 Prozent. Heuer dürfte die Ausbeute wieder gut werden. Im Murtal rechnet man mit einer Braugersten-Anlieferung von annähernd 100 Prozent der angebauten 230 Hektar Fläche. „Im ersten Jahr haben wir nur 50 Hektar angebaut und zehn Bauern unter Vertrag gehabt. Im dritten Jahr sind schon Erfahrungswerte da. Viele Bauern bleiben dabei, einige kommen dazu und für manche ist es eben eine Erfahrung gewesen“, so der Landwirt. Grund für Abschläge bei der Qualität sei meist eine zu großzügige Gabe beim Wirtschaftsdünger gewesen. 

Die Durchschnittserträge lagen 2021 bei 6.700 kg und 2022 bei 5.700 kg pro Hektar. In der Relation zu den Trockengebieten Niederösterreichs ist das gut, meint Grantner. „In höheren Lagen auf 800 Metern Seehöhe ist es natürlich ein bisschen schwieriger, weil die Saison kürzer ist, aber insgesamt haben wir auch an diesen Standorten gute Erfahrungen bei den Qualitäten gemacht.“ Gut die Hälfte der Braugersten-Lieferanten aus dem Murtal sind Viehhalter, aber auch viele reine Ackerbaubetriebe sind beim Projekt dabei. 

Biertreber, Bierkisten für Vertragsbauern

Quelle: Kiefer
30 Euro pro Hektar bekommen die “Bierbauern” für das Aufstellen der Werbetafeln

Der Bezug von Nebenprodukten aus der Bierherstellung, wie beispielsweise Biertreber, ist übrigens auch im Vertrag verankert und gerade für die Rinderhalter interessant. Außerdem vergibt die Murauer Brauerei ihren Gerstenlieferanten Gutscheine für Produkte der Murauer Brauerei. Ob Bierkisten oder das alkoholfreie Kultgetränk „Murelli“ – die Bauern werden von der Brauerei vollumfänglich versorgt. „Ich schätze diese Unvoreingenommenheit der Murtaler Bauern. Und natürlich wünsche ich mir, dass wir irgendwann einmal auf das Endziel für die 400 bis 600 Hektar kommen. Wenn die Futtergerstenpreise heuer nicht so hoch gewesen wären, hätten wir schon wesentlich mehr Anbaufläche gehabt“, plaudert der Brauerei-Chef aus dem Nähkästchen.

Keine Förder-Euros

Murauer Bier stellt die Logistik bereit, die Kammer sowie die RWA liefern
Fachexpertise und damit rennt das Projekt, „ohne dass wir Almosenempfänger sind“, so Rieberer. Land oder Bund haben keinen Cent für dieses Projekt ausgeben müssen, worauf alle Beteiligten stolz sind. „Der Preis, die Stimmung, der Einsatz passen“, freut sich Rieberer. Und er ist auch bereit, weitere Schritte zu gehen. Ausflüge und Brauereiführungen sowie ein gemeinsames Fest sind auch heuer in Planung: „Mir gefällt das Miteinander, wie es halt früher war. Wir sind eine Genossenschaft, wir sehen nicht die Gewinnmaximierung, sondern dass wir Wertschöpfung in der Region weitergeben.“ Und apropos Region. Werden weitere erschlossen? „Ja, Richtung Bruck an der Mur, und was ganz spannend wäre, wenn es im Bezirk Murau Braugerste gäbe. Dort führe ich schon Gespräche. Das wäre natürlich eine gute Geschichte, dass die Gerste wenige Kilometer von der Brauerei entfernt wächst“, antwortet er.

Und wo landet der Gerstensaft dann?

Über ein Drittel des Bieres geht an den Lebensmittelhandel. Und da gibt es zwei große Player, die die Preise diktieren. „Die machen Aktionen mit unserem Bier und schreiben uns dann eine Rechnung. Wir spielen halt nicht mit, aber müssen dafür in Kauf nehmen, dass Menge verloren geht“, so Rieberer. In solchen Situationen müsse man eben die anderen beiden Säulen Gastronomie und Getränkegroßhandel pflegen, wo jeweils 30 Prozent der Mengen reinfließen. Beim Bier liegt die Inflation heuer übrigens bei „nur“ 6,7 Prozent. Na dann, prost!

- Bildquellen -

  • Murauer Bieretikett: Kiefer
  • Biertafeln: Kiefer
  • Braugerstenanbau: Kiefer
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AUTORMartina Kiefer
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