Ein Forschungsteam unter BOKU-Beteiligung hat anhand umfangreicher Jahrringanalysen belegt, dass die Atmosphäre in Europa durch Treibhausgas-Emissionen deutlich trockener geworden ist. “Das verschärft Dürren, erhöht die Waldbrandgefahr und ist riskant für Wälder und Landwirtschaft”, so die Wissenschaftler.

Ein Maß für die Lufttrockenheit ist das Dampfdruckdefizit (Vapor Pressure Deficit, kurz: VPD). Diese physikalische Größe beschreibt den Unterschied zwischen dem tatsächlichen und dem maximal möglichen Wassergehalt der Luft, quasi dem „Wasserdurst“ der Luft. Wasserdurstige Luft mit hohem VPD zieht vermehrt Wasser aus dem Boden und aus Pflanzen. Zwar ist bekannt, dass der VPD in einem sich erwärmenden Klima ansteigt. Über die räumliche Ausprägung und die langfristigen Schwankungen bis in vorindustrielle Zeit ohne menschlichen Einfluss wusste man bisher jedoch noch wenig.

Sauerstoff-Isotope in Jahrringen berichten vom vergangenen Klima

Ein internationales Team von 67 Forschenden unter der Leitung von Kerstin Treydte von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) stellte nun Daten von Sauerstoff-Isotopen in Jahrringen aus ganz Europa zusammen. Michael Grabner und Rupert Wimmer vom Institut für Holztechnologie und Nachwachsende Rohstoffe an der BOKU haben dafür aus dem Lainzer Tiergarten, Wiener Becken sowie Dachstein unterschiedliche Baumarten beprobt.

“Das Verhältnis von leichten und schweren Isotopen ändert sich während der Bodenverdunstung, der Verdunstung durch die Blätter sowie während des Holzaufbaus. Genau diese Änderungen werden größtenteils durch das VPD gesteuert. Dadurch können Jahrringe etwas über die vergangene und heutige Lufttrockenheit berichten. Mit dieser Methode konnten nun erstmals Veränderungen im VPD großräumig in ganz Europa über 400 Jahre rekonstruiert werden”, weiß man bei der BOKU.

Anhand von zusätzlichen Modellsimulationen konnte das Forschungsteam die Erkenntnisse aus den Jahrringdaten unabhängig testen. Auch die Modelle kommen zum Ergebnis, dass die Lufttrockenheit im 21. Jahrhundert, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit, außergewöhnlich hoch ist. Darüber hinaus sollen sie zeigen, dass die heutigen VPD-Werte ohne Treibhausgas-Emissionen nicht hätten erreicht werden können. Der Einfluss des Menschen ist also offensichtlich.

Die Kombination aus Jahrringdaten, Modelsimulationen und direkten Messungen legt zudem regionale Unterschiede offen: In Nordeuropa hat der Wasserdurst der Luft im Vergleich zur vorindustriellen Zeit am wenigsten stark zugenommen, weil die Luft dort kühler ist und im Vergleich zu südlicheren Regionen weniger Wasser aufnehmen kann. In den zentraleuropäischen Tiefländern und in den Alpen und Pyrenäen hingegen ist der VPD-Anstieg besonders stark. 

Negative Konsequenzen für Landwirtschaft und Wälder

Eine weitere Zunahme des VPD soll längerfristig eine Bedrohung vieler lebenswichtiger Ökosystemfunktionen darstellen. “Für die Landwirtschaft hat VPD eine besonders große Bedeutung, denn je höher dieses ist, desto grösser ist der Wasserbedarf der Nutzpflanzen. Mehr Bewässerung wird nötig und die Erträge sinken. Bei Wäldern sind Holzversorgung und Kohlenstoffbindung gefährdet, was zu Unsicherheiten hinsichtlich der Klimaregulierung und der zukünftigen Kohlenstoffspeicherung dieser Ökosysteme führt”, so die Wisssenschaftler.  Dementsprechend wird auf die Dringlichkeit der Emissionsreduzierung und die Wichtigkeit der Anpassung an den Klimawandel aufmerksam gemacht.

Die Studie ist soeben in der aktuellen Ausgabe Nature Geoscience erschienen.

- Bildquellen -

  • Risse im Boden: agrarfoto.com
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AUTORRed. MS
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