Womit sich der größte Rewe-Konkurrent Spar hierzulande bereits seit vielen Jahren rühmt, wird nun auch in den Billa-Filialen umgesetzt: Schweine- und Rindfleisch wird nur noch von heimischen Produzenten bezogen. Und bei Billa geht man neuerdings noch einen Schritt weiter und kauft ab sofort auch Geflügel nur noch bei österreichischen Produzenten ein.
Was bei Schweine- und Rindfleisch laut Robert Nagele, Vorstandssprecher der Billa AG, kein Problem war, erwies sich inbesondere bei der von den Konsumenten besonders stark nachgefragten Putenbrust als echte Herausforderung. Schlichter Grund dafür: die geringe österreichische Produktion. Der Selbstversorgungsgrad mit Putenfleisch schwankte in den vergangenen Jahren zwischen kaum 40 und 50 Prozent. 166 Putenmäster gibt es in Österreich, 90 davon arbeiten gemäß AMA-Gütesiegelrichtlinien, 38 sind Bio-Betriebe. Gut 1,1 Mio. Tiere wurden zuletzt pro Jahr gemästet.
Puten haben in Österreich bis zu 70 Prozent mehr Platz in ihren Ställen. Die im Bundestierschutzgesetz vorgeschriebenen Auflagen sind EU-weit mit Abstand die strengsten. Mindesthaltungsbestimmung für die Pute gibt es anderswo in der Union keine, was Österreichs Geflügelmästern einen heftigen Wettbewerbsnachteil bringt. Schließlich arbeiten sie unter viel strengeren Produktionsbedingungen. Zudem drängt Ware aus Drittstaaten in den EU-Binnenmarkt. Zahlreiche Wettbewerbsnachteile, die von der Zentralen Arbeitsgemeinschaft der Österreichischen Geflügelwirtschaft (ZAG) seit Jahren kritisiert werden.
Ebendieser Wettbewerbsnachteil hat dazu geführt, dass Putenfleisch aus dem Ausland die Inlandsware sukzessive verdrängt hat. Die Corona-Krise und die Billa-Initiative spielen den Putenmästern aber nun in die Hände. Selten war der Zuspruch zu heimischen Lebensmittel so groß wie jetzt. Im Mai hat Bundeskanzler Sebastian Kurz, auch nach Gesprächen mit der Bauernbund-Spitze, Vertreter der großen Handelsketten zu einem „Regionalitätsgipfel“ ins Bundeskanzleramt eingeladen. Heimischen Lebensmitteln soll künftig mehr Platz in Österreichs Supermärkten eingeräumt werden, auch um den Selbstversorgungsgrad zu erhöhen. Auch bei Putenfleisch.
„Auch wir haben immer wieder das Gespräch mit den heimischen Handelsvertretern gesucht und dabei wiederholt darauf hingewiesen, dass beim Einkauf von Frischgeflügel die strengen Bestimmungen unseres Bundestierschutzgesetzes als Mindeststandard gelten sollten“, sagt ZAG-Vizeobmann Markus Lukas.
Dieses Ziel hat die Branche nun bei Billa erreicht. Um heimische Putenbrüste in dessen Filialen zu bringen, war allerdings eine lange Vorlaufzeit nötig. Seit den Wintermonaten haben Billa-Manager, Vertreter der ZAG und die Putenmästern den nunmehrigen Schritt vorbereitet, so Nagele.
Bisher stammte jede dritte Putenbrust im Billa-Sortiment aus Österreich. Bei Billa geht man davon aus, durch die gezielte Zusammenarbeit die heimische Putenproduktion bis Jahresende ingesamt um ein Drittel zu steigern. Eine solche Steigerung schaffen die Mäster ohne Stallneubauten oder teure Investitionen, heißt es. Zuletzt heruntergefahrene Stallkapazitäten würden nun voll ausgenutzt. Auch bessere Preise für die heimische Ware will Billa zahlen. „Wir sehen das als eine Investition in die Zukunft“, betont der Konzernsprecher. So kostet ein Kilogramm Putenbrust 9,99 Euro. Bislang kostete die heimische Ware 13,99, ausländisches Putenfleisch 7,99 Euro. Man gäbe den Preis also nur zum Teil an den Konsumenten weiter.
„Die Produzenten sind zufrieden mit den Bedingungen“, betont Lukas. Aufgrund des steigenden Interesses anderer Abnehmer geht der Vertreter der Geflügelbauern davon aus, dass bald wieder mehr Bauern in die Putenhaltung einsteigen werden. Und dass andere Lebensmitteleinzelhändler dem Beispiel von Billa folgen werden. Lukas: „Unsere Handelspartner haben sich in der Vergangenheit immer vehement gegen eine Erhöhung der Besatzdichten für Masthühner und Puten ausgesprochen. Nun wäre es für uns auch schlüssig, wenn für den Absatz von Putenfleisch im Handel dieselben Regeln gelten wie für unsere Tierhalter laut Tierschutzgesetz.“
Nur jedes zehnte Putenschnitzel stammt aus Österreich
Übrigens: Die Sperre der Gastronomie wegen Corona über mehrere Wochen hinweg hat sich kaum auf die Putenvermarktung ausgewirkt. Nur zehn Prozent der Puten, die in der heimischen Gastronomie abgesetzt werden, stammen aus Österreich.
Eva Zitz
Über Billa
In Österreich gibt es 1.100 Filialen der Handelskette. Deren Einkaufsvolumen bei heimischen Produzenten beträgt jährlich2,5 Mrd. Euro und reicht von Frischfleisch und -geflügel über Milch und Milchprodukte bis Eier, Brot und Gebäck. Obst und Gemüse hat bei Billa nur zu 55 % österreichischen Ursprung, wenn auch je nach Arten und Sorten mit regionalen Schwankungen. Das Paketmehl stammt zu über 90 % aus Österreich.
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