Darüber reden statt leiden – Blasenschwäche

Eine der am öftesten verschwiegenen Volkskranheiten

Fast eine Million Österreicher ist mit Harninkontinenz konfrontiert. Aus Scham oder Angst sucht trotz des hohen Leidensdruckes nur etwa die Hälfte medizinische Hilfe. ©Wodicka
Fast eine Million Österreicher ist mit Harninkontinenz konfrontiert. Aus Scham oder Angst sucht trotz des hohen Leidensdruckes nur etwa die Hälfte medizinische Hilfe. ©Wodicka
Blasenschwäche – medizinisch Harninkontinenz – ist eine der am meisten verschwiegenen Volkskrankheiten. Im Laufe des Lebens jeder vierten Frau und jedes zehnten Mannes kommt es zumindest einmal zu kurzzeitigen Episoden von ungewolltem Harnverlust. Die BauernZeitung sprach darüber mit dem Urologen Dr. Mons Fischer.

OA Dr. Mons Fischerist Facharzt für Urologie und Past President der Medizinischen Kontinenzgesellschaft Österreich (MKÖ) www.urologiefischer.at ©privat
OA Dr. Mons Fischerist Facharzt für Urologie und Past President der Medizinischen Kontinenzgesellschaft Österreich (MKÖ) www.urologiefischer.at ©privat
Was sind die ersten Anzeichen für Inkontinenz?
Fischer: Man muss zwischen verschiedenen Arten der Inkontinenz unterscheiden. Bei der Dranginkontinenz kann der Urin nicht zurückgehalten werden – man spürt den Harndrang zu spät. Erstes Anzeichen einer sogenannten “überaktiven Blase” ist der vermehrte Harndrang. Die Betroffenen müssen sofort auf die Toilette, sobald sie Harndrang verspüren. Oft geht der Harn jedoch ab, bevor die Toilette erreicht wird. Diese Beschwerden nehmen bei beiden Geschlechtern mit dem Alter zu. Bei der Belastungsinkontinenz stellt sich ein Urinverlust bei körperlichen Anstrengungen wie Niesen und Lachen oder beim Sport ein. Bei Männern tritt die Belastungsinkontinenz praktisch nur nach radikalen Prostataoperationen bei Prostatakrebs auf. Frauen hingegen erkranken häufiger und bereits in jüngeren Jahren. Gründe hierfür sind Geburten, schwere körperliche Arbeit und Operationen im Unterleib.

Gibt es Möglichkeiten, präventiv gegen Inkontinenz vorzugehen?
Fischer: Allgemeine vorbeugende Maönahmen wie Gewichts-, Nikotinreduktion und regelmäöige geeignete sportliche Betätigung (Gymnastik, Schwimmen, Radfahren, Wandern) sind anzuraten. Hervorzuheben ist gezieltes Beckenboden-Training (BB), dieses ist nur erfolgreich bei richtigem Erlernen, das kann durch den Arzt oder die Physiotherapie erfolgen. Zusätzlich einsetzbar sind Elektrostimulation und hochenergetische Magnetfeldtherapie.

Welche Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Fischer: Voraussetzung für die Behandlung ist eine eindeutige Diagnose – durch Urologie oder Gynäkologie. Bei Dranginkontinenz empfehlen sich primär verhaltenstherapeutische Maönahmen, wie Blasen-, Toilettentraining, aber auch BB-Training, damit der Drang durch rechtzeitiges kräftiges “Kneifen” abklingt, um Zeit für den Gang auf das WC zu gewinnen. In Kombination erfolgt meistens auch eine medikamentöse Therapie, die den Harndrang reduzieren und das Fassungsvermögen der Blase erhöhen soll. Bei Belastungsinkontinenz kommen als Erstes physiotherapeutische Methoden, wie Beckenbodentraining, oft in Kombination mit Biofeedback und Elektrostimulation, zum Einsatz. Eine lokale Hormontherapie, aber auch Vaginaltampons werden eingesetzt. Bei Versagen der konservativen Therapie gibt es minimalinvasive operative Verfahren, wie das spannungsfreie Vaginalband (TVT), die kaum belastend sind und die Belastungsinkontinenz zuverlässig heilen.

Was raten Sie Betroffenen?
Fischer: Überwinden Sie die Hürde und vertrauen Sie sich Ihrem Arzt an. Es gibt zahlreiche einfache Therapieformen und Möglichkeiten, das Leiden zu heilen oder zu lindern. Beratung und Hilfe erhalten Sie über die Medizinische Kontinenzgesellschaft Österreich.
Infos unter: www.kontinenzgesellschaft.at
oder Tel. 0810/10 4 55 – aus ganz Österreich zum Ortstarif.

- Werbung -
Vorheriger ArtikelAntibiotika helfen gegen bakterielle Infektionen
Nächster Artikel“Wie geht es Dir?” – Frage ohne ehrliche Antwort