Beten gegen die Trockenheit

Schnee- und Niederschlagsmangel im vergangenen Winter nicht nur in Österreich haben brisante Folgen für die Landwirtschaft. Im Burgenland und in Südfrankreich gab es sogar schon Bittprozessionen für Regen.

In Südfrankreich, einer der fruchtbarsten Regionen des Landes, bitten die Menschen um Regen.

In ganz Österreich hat es von Dezember bis Februar vergleichsweise wenig geschneit oder geregnet. Auch im März blieb anhaltend feuchtes Wetter bislang aus. Laut GeoSphere Austria beträgt das Niederschlagsdefizit in diesem Winter 13 Prozent, im Vergleich zum langjährigen Mittel von 1961 bis 1990. Hauptbetroffen hierzulande ist der Westen Österreichs. Von Vorarlberg bis Salzburg hat es um rund ein Drittel weniger Niederschlag gegeben, wenig Schnee und Regen fiel auch in Nieder- und Oberösterreich. Etwas besser ist die Situation im Süden, so die Klimameteorologen.

Weiße Kunstschneebänder an sonst aperen Berghängen dominierten lange das Bild vom Winter 2022/23, staubtrockene Böden kennzeichnen die Täler sowie weite Teile des Flach- und Hügellandes und die Wälder. Der Mangel an gespeicherter Feuchtigkeit zum Start in die Frühjahrssaison der Landwirtschaft ist vielerorts unübersehbar. Um von einer Dürre zu sprechen oder gar eine Abschätzung der Auswirkungen auf allfällige Ernteausfälle treffen zu können sei es zwar noch zu früh, betonen die Wetterexperten als auch Vertreter der Landwirte. Allerdings, sagt LK Österreich-Präsident Josef Moosbrugger, starte man mit weniger Winterfeuchte und damit „recht leeren Akkus“ in die neue Saison. Entscheidend sei die Niederschlagssituation der kommenden Tage und Wochen, „generell während der Vegetationsphase, die erst beginnt“.

Quelle: Hagelversicherung
Niederschlagsdefizit von 1. Jänner bis 19. März 2023 im zehnjährigen Niederschlagsmittel seit 2013.

Unbestritten sei die Erderhitzung für die Landwirtschaft spürbar: durch Temperaturanstieg und zunehmenden Wind, der die Böden immer rascher austrocknen lasse. Die Vegetation verlagere sich deutlich nach vorne. Die frühere Blüte habe zur Folge, dass das Risiko für Spätfröste bei manchen Kulturen massiv steige, so der Bauernvertreter. Neben Trockenheit und Frost würden auch andere Wetterextreme wie Hagelunwetter, Starkregen, Überflutungen und Stürme die Ernte bedrohen. Aber nicht nur die Landwirte sehen die Trockenheit mit wachsender Sorge: Auch die Forstwirtschaft verzeichnet als deren Folgen Wachstumsprobleme bei Laubhölzern, massiven Borkenkäfer-Fraß beim „Brotbaum“ Fichte und steigende Waldbrandgefahr. Und die Misere betrifft längst den gesamten Kontinent.

Zweitwärmster Winter in Europa

Fest steht: Der vergangene Winter war der zweitwärmste in Europa seit Aufzeichnungsbeginn, insbesondere in Ost- und Teilen Nordeuropas. Indes war es außerhalb Europas in den USA, Südbrasilien oder Neuseeland überdurchschnittlich feucht, verbunden mit Starkregen und Wirbelstürmen. Zu heiß und trocken war es wiederum in Teilen Südamerikas, in Südaustralien und im südlichen Afrika, verbunden mit Missernten und Waldbränden.

Je nach Ausmaß der Erderwärmung rechnen Forscher bis Mitte dieses Jahrhunderts mit kumulierten volkswirtschaftlichen Schäden in Höhe von bis zu 900 Milliarden Euro. Das hat eine „Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021“ allein für Deutschland ergeben, die jetzt in Berlin vorgestellt wurde, basierend auf Schäden von Wetterextremen seit 2000 wie des Hitze- und Dürresommers 2018/19 und der Flutkatastrophe 2021. Ein erklecklicher Teil der Kosten droht wohl auch der Landwirtschaft mit ihrer „Werkstatt unter freiem Himmel“.
Indes wird in Frankreich ein weiteres Dürrejahr immer wahrscheinlicher. Auch dort blieb der Regen aus, im Zeitraum 21. Jänner bis 21. Februar wurde die bisher längste Periode ohne nennenswerte Niederschläge im ganzen Land registriert.

In Südfrankreich gab es am vergangenen Samstag in Perpignan am Fuße der Pyrenäen erstmals seit 150 Jahren eine Prozession, bei der um Regen für die Landwirtschaft gebetet wurde, ähnlich wie orthodoxe Priester im Februar auch in Österreichs Seewinkel. Die Trockenheit in diesen Regionen, bisher die fruchtbarsten Anbaugebiete der beiden Länder, ist extrem. Wegen der Wasserknappheit haben die französischen Behörden bereits Einschränkungen bei der Wassernutzung erlassen. Die Grundwasserpegel in der Grande Nation sind niedrig wie nie, so die Aufzeichnungen von 80 Prozent der Messstellen.

Derweil vermelden spanische Agrarversicherungen einen neuen Auszahlungsrekord. Laut Agroseguro wurden 2022 knapp 770 Mio. Euro an Landwirte ausgezahlt; der höchste Wert seit Bestehen der 40 Jahre alten Versicherungsgesellschaft. Mitte März stiegen in Spanien die Temperaturen in weiten Teilen des Landes auf über 30 Grad Celsius. 2022 führten Hitzewellen, Dürre und Brände auch zu massiven Ertragseinbußen bei Oliven und Olivenöl. Die globale Erzeugung dieses Pflanzenöls werde 2022/23 im Vorjahresvergleich voraussichtlich um fast ein Viertel sinken. Spanien, dem weltweit wichtigsten Produzenten, droht ein Minus seiner Erzeugermenge von 73 Prozent, Italien ein Einbruch um die Hälfte der bisherigen Olivenölproduktion. Davon geht der Internationale Olivenölrat (IOC) in Madrid aus.

Totschnig: Notfallplan für Trinkwasser

Zurück nach Österreich: Während hierzulande per se kein Mangel an Wasser herrsche, so der Klimatologe Klaus Haslinger von Geosphere Austria, hat Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig dennoch vergangene Woche für die Zeit nach Ostern ein Gipfelgespräch mit den Ländern rund um einen Vorsorge- und Notfallplan für eine sichere Trinkwasserversorgung angekündigt. Ähnlich agiert man derzeit in Paris, auch dort will der Umweltminister einen ursprünglich für Jänner geplanten Aktionsplan zur Wasserbewirtschaftung in den kommenden Tagen vorlegen.

Österreich verfüge laut Totschnig auch über ausreichend Wasser in hervorragender Qualität, allerdings sank das Grundwasser in Ostösterreich zuletzt teilweise auf extrem niedriges Niveau. Im Landwirtschaftsministerium geht man daher davon aus, dass wegen des Klimawandels in den kommenden Jahren mit einem steigenden Wasserbedarf bei gleichzeitig weniger Nachschub zu rechnen ist. Daher will der Minister 60 Millionen Euro in die Wasserinfrastruktur investieren und das Monitoring verbessern.

- Bildquellen -

  • Niederschlagsdefizit 2023: Hagelversicherung
  • Südfrankreich: Foto: RAYMOND ROIG/AFP/picturedesk.com
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AUTORBernhard Weber
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