Totschnig befürchtet ein bewusstes Ausspielen natürlich erzeugter Lebensmittel durch Kunstfleisch aus der Fabrik und ortet dahinter eine riesige Industrie-Lobby. Strasser sieht in der „unseriösen, weil nicht repräsentativen Umfrage einer NGO“ sogar eine „Kampfansage an unsere nachhaltig produzierenden Bauernfamilien“.
Für die Herstellung von “Laborfleisch” braucht es Stammzellen aus dem Muskelgewebe lebender Tiere. Um sie im Labor in Behältern und unter Zufuhr von Nährlösungen zu vermehren, kommt in dem technischen Prozess auch ein Wachstumsserum aus Blut, das Kälber-Föten entnommen wird, zum Einsatz. Bei der Gewinnung des Serums werden sowohl der Fötus als auch das Muttertier getötet. Das faschierte Endprodukt wird etwa im 3D-Drucker zu Burger-Laibchen oder Nuggets geformt.
Nun sagen laut der eingangs genannten Umfrage 59 Prozent der Österreicher, sie hätten schon von im Labor produziertem Fleisch gehört. 42 Prozent würden solches auch zumindest einmal probieren. Bei jüngeren Befragten unter 35 Jahren und „Flexitariern“, die Fleisch aus Massenproduktion ablehnen, seien das jeweils sogar mehr als die Hälfte. Und zwei von drei (66 %) der Befragten finden, dass “kultiviertes Fleisch” auch in Österreich hergestellt werden soll.
Minister fordert Folgenabschätzung
Dagegen gibt Landwirtschaftsminister Totschnig zu bedenken: “Hinter Laborfleisch steht eine riesige Industrie-Lobby.“ Es gehe um die Frage, wie wir uns künftig ernähren wollen, mit Kunstfleisch aus der Fabrik oder mit natürlichen, regionalen Lebensmitteln. Das “industrielle Laborfleisch” stehe im Widerspruch “zu unserer natürlichen Lebensmittelproduktion“.
Totschnig fordert nun volle Transparenz und eine umfassende Folgenabschätzung in der EU. Andernfalls begebe sich die EU und auch Österreich „beim Essen in eine blinde Abhängigkeit einiger weniger internationaler Großkonzerne”. Auch hat Totschnig in Brüssel bereits eine breite Diskussion darüber eingefordert. Seinen Vorstoß hätten 18 EU-Länder, darunter Italien und Frankreich, unterstützt, so der Minister.
“Kampfansage” an die Bauern
Als unseriös und nicht repräsentativ bezeichnet Bauernbund-Präsident Strasser die Ergebnisse der Online-Umfrage. Vielmehr habe es sich die NGO zum Ziel gesetzt, „durch tendenziöse Fragestellungen die natürliche Lebensmittelproduktion zu verteufeln“. Das aber schüre “Sorgen und Ängste bei unseren nachhaltig produzierenden Bauernfamilien”. Strasser spricht daher auch von einer „Kampfansage“ an die Bäuerinnen und Bauern.
Heftige Kritik kommt auch vom Verein Wirtschaften am Land. Diese Studie stamme von einer “Lobby-Organisation für pflanzliche und zellbasierte Alternativen zu tierischen Produkten“, was laut Obmann Robert Pichler „eine Voreingenommenheit nahelegt“. Auch stünde hinter künstlich hergestellten Fleischimitaten aus Brutreaktoren „eine finanziell starke Industrie-Lobby, die ihre eigenen Interessen verfolgt und versucht, die öffentliche Meinung zu formen“. Wirtschaften am Land kritisiert zudem „die vermischte Darstellung von Zustimmungsraten zu interessengetriebenen Fragestellungen in den Umfrageergebnissen“. Und man verweist auf eine unabhängige Umfrage von Integral Onlinebus aus dem Sommer 2023, in der zwei Drittel der Befragten (67 %) den Konsum von Laborfleisch für sich ausschließen.
Generell gaben 30 Prozent der mehr als 1.000 Befragten an, dass sie in den nächsten zwei Jahren mehr pflanzliche Fleischalternativen konsumieren wollen, 59 Prozent finden, dass zu viele tierische Produkte konsumiert werden. 47 Prozent wünschen sich Alternativen zu Fleisch, Fisch, Eiern und Milchprodukten. Die Benachteiligung von pflanzlichen Milchalternativen bei der Mehrwertsteuer wird von 60 Prozent der Umfrageteilnehmer abgelehnt.
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