Der Gründer und Geschäftsführer der Biomarke „Alnatura“ meint, bezogen auf seine deutsche Heimat: „Die Summe der seitens des Staates zur Verfügung gestellten Mittel muss verfünffacht werden, damit sie wenigstens zum aktuellen Bioflächenanteil proportional ist.“ Eigentlich müsse ein überproportionaler Anteil der Agrarforschungsmittel in Forschungsfragen des Ökolandbaus fließen, so der Bio-Pionier und Unternehmer gegenüber dem Pressedienst AgraEurope. Die politischen Ausbauziele für die Branche hält der Alnatura-Gründer für vernünftig und notwendig, allerdings mit noch stärkerer Unterstützung durch die öffentliche Hand.
Interessierten Landwirten müsse es leicht gemacht werden, auf Bio umzustellen, meint Rehn. Viele umstellungswillige Bauern müssten ihr Handwerk für die ökologische Produktion noch einmal anders erlernen und zudem in Maschinen und Gebäude investieren.
Keine größeren Hindernisse sieht Rehn indes auf Seiten der Konsumenten. „Wir haben noch gut Platz auf dem Biomarkt“, so seine Einschätzung. Er erwartet, dass in Zukunft noch mehr Bürgerinnen und Bürger zu Produkten des Ökolandbaus greifen werden.
Bezüglich der Gefahr eines Preisverfalls im Biosegment verweist Rehn auf die externen Kosten der konventionellen Produktionsweisen: ,,Ich meine, man sollte ehrlich rechnen und sich fragen, wie teuer eigentlich konventionell erzeugte Lebensmittel heute schon verkauft werden müssten – unter Einbezug aller zurechenbarer externer Kosten und natürlich auch unter Beachtung fairer Einkommen für die Bauern.“
Laut Rehn seien „die Verbraucher durchaus bereit, für ehrliche Qualitätsversprechen einen fairen Preis zu entrichten“. Auch Löhne, die ein Leben in Würde auch für Menschen in anderen Ländern ermöglichten, seien den Kunden zunehmend ein Anliegen. Hier brauche es Transparenz und Glaubwürdigkeit sowie ein wirksames Instrumentarium, um Verstöße ahnden zu können. Dazu gehörten auch internationale Vereinbarungen über die Europäische Union hinaus.
Green Deal unzureichend
Verbesserungsbedarf sieht Rehn bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU. Die Ziele des Green Deals müssten Berücksichtigung finden. Das sei aus seiner Sicht bisher nicht der Fall. Die Ökoregelungen würden nicht nach einem umfassenden, integrierten Konzept umgesetzt, das der Natur wirklich nütze, indem auch für die Vernetzung von hinreichend großen Biotopen gesorgt werde. Der „falsche Weg“ ist es aus Sicht des Alnatura-Gründers, Agrarfördergelder an Flächenumfang und -eigentum zu koppeln. „Da kommt viel Geld gar nicht bei den Landwirten an.“
Rehn spricht sich außerdem für Maßnahmen aus, den Einsatz „potenziell umweltschädlicher Betriebsmittel“ zu verteuern. Das könnte eine „zielgerichtete Wirkung hin zu weniger Pflanzenschutzmitteleinsatz entfalten“.
Klar abgelehnt werden von Rehn – wenig überraschend – der Einsatz grüner Gentechnik und auch Verfahren wie CRJSPR/Cas. Mit Biolandbau könne man auch ohne diese auf die Herausforderungen der Klimaveränderung reagieren, ist Rehn überzeugt.
Der Bio-Purist
Götz Rehn ist 71 Jahre alt. Nachdem mittlerweile auch sein Sohn Lukas in der Firma arbeitet, bereitet er derzeit seinen Abschied aus dem Firmensitz in Darmstadt vor. Das Unternehmen soll in zwei Stiftungen umgewandelt, nicht als Familienbetrieb fortgeführt werden. Zuletzt hat Alnatura in Deutschland mit demnächst 140 eigenen Filialen mehr als 1 Milliarde Euro umgesetzt, um fast 20 Prozent mehr als im Geschäftsjahr 2018/19 und zum überwiegenden Teil über andere Supermärkte. Damit hat Rehn bei jedem zehnten Bioprodukt in Deutschland verdient. Angaben zum Gewinn macht die GmbH aber nicht.
Gegründet hat Rehn seine Bio-Supermarktkette Mitte der 1980er Jahre. Von sich selbst behauptet er, wann immer er es selbst in der Hand habe, esse er nur Produkte aus biologischem Landbau. Auf Reisen sei das nicht immer möglich, dafür aber zu Hause. Auf die Frage einer Journalistin, ob er nur Alnatura-Produkte esse, meinte Götz Rehn: „Ja! Natürlich.“ Da könne er sicher sein, dass zu 100 Prozent auch wirklich Bio drinnen steckt. „Andere geben sich teilweise mit 95 Prozent zufrieden, der EU-Mindestanforderung“, so der Bio-Purist.
Das Sortiment von Alnatura umfasst mehr als 1.300 verschiedene Produkte. Bevor Rehn seine Firma gründete, war der promovierte Volkswirt einige Jahre lang Mitarbeiter von Nestlé.
Götz Rehn über Bio-Entwicklung und faire Erzeugerpreise
„Nach meinem Eindruck machen sich immer mehr Kundinnen und Kunden Gedanken darüber, wie ihr Verhalten, insbesondere ihr Konsum, unsere Erde beeinflusst. Sie möchten einen Beitrag zur Verbesserung der Umweltsituation leisten. Das tun sie mit Biolebensmitteln. In Zukunft werden noch mehr zu solchen greifen.“
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„Um (in Deutschland) in fünf oder zehn Jahren 25 Prozent Ökolandbau zu erreichen, brauchen wir erheblich mehr Biobauern. Wir müssen die Ökofläche um den Faktor 2,5 ausdehnen. Viele umstellungswillige Bauern müssen ihr Handwerk für die ökologische Produktion noch einmal anders lernen. Zusammen mit dem Naturschutzbund unterstützt unsere Alnatura Bio-Bauern-Initiative solche Landwirte gerade in der schwierigen Startphase, binnen fünf Jahren sind so 78 Betriebe mit fast 15.000 Hektar Fläche neu entstanden. Die öffentliche Hand sollte solche Bauern deutlich stärker unterstützen.“
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„Die Preise für Lebensmittel sagen nicht die Wahrheit. Wir alle zahlen durch unsere Steuern oder beim Bezug von Trinkwasser für die Beseitigung oder Abmilderung unerwünschter Wirkungen der konventionellen Produktion. Natürlich ist dies nicht die Absicht der konventionellen Bauern; aber es sind unvermeidliche Wirkungen der Produktionsweise. Man sollte ehrlich rechnen und sich fragen, wie teuer konventionell erzeugte Lebensmittel verkauft werden müssten, unter Einbezug der zurechenbaren externen Kosten.“
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„Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind durchaus bereit, für eine nachweisbar gerechte, faire Arbeitsweise ihren Beitrag zu zahlen. Löhne, die ein Leben in Würde auch für Menschen ermöglichen, die in fernen, armen Ländern in der Landwirtschaft arbeiten, sind ihnen zunehmend ein Anliegen. Hier braucht es Transparenz, Glaubwürdigkeit und auch ein wirksames Instrumentarium, um Verstöße ahnden zu können.“
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„Wir produzieren zu viel Fleisch, nicht nur in Deutschland. Das ist weder gut für die Gesundheit der Menschen, Stichwort Zivilisationskrankheiten, noch für die Umwelt. Etwa ein Drittel der Weltgetreideernte wird an Tiere verfüttert, rund ein Zehntel der Weltbevölkerung hungert. Das passt nicht zusammen. Wir müssen den Fleischkonsum radikal reduzieren und sollten weniger Tiere halten. Wenn es den Tieren bis zur Schlachtung besser gegangen, ihre Fleischqualität besser ist, haben alle etwas davon.“
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„Die Partner in der Wertschöpfungskette der ökologischen Land und Lebensmittelwirtschaft arbeiten seit jeher enger zusammen und sprechen mehr miteinander, kennen die wechselseitigen Bedürfnisse besser. Biobauern sind nach meinem Eindruck mit den Preisen für ihre Produkte in der Regel zufriedener als konventionelle Bauern. Aber auch für Biobauern gibt es mit Blick auf die Preise immer wieder herausfordernde Situationen. Die Preisgestaltung lässt sich ja nicht ‚mechanisch‘ regeln.“
Alnatura in Österreich
2020 brachte der Biomarke auch in Österreich ein Umsatzplus von 20 Prozent. Alnatura wuchs damit stärker als der Markt, bestätigte Irmgard Schuhmann-Lucny von Alnatura Österreich dieser Tage im Interview mit dem Handelsmagazin Cash. Für 2021 könnte Alnatura aber hierzulande ein Rückschlag drohen. So hat Rewe Österreich angekündigt, im Zuge des Aus für Merkur und der Neuaufstellung von „Billa Plus“ Alnatura-Produkte zugunsten von Ja! Natürlich und anderer Bio-Eigenmarken zurückdrängen zu wollen. Es sei richtig, dass Billa das Alnatura Sortiment bereits reduziert hat. „Eine sehr große Auswahl unserer Produkte gibt es aber weiterhin in bei Müller, bei MPreis und ganz neu auch bei Gurkerl.at“, so Schumann-Lucny. Unter Österreichs Biobauern gibt es ebenfalls laut einem Insider rund 600 Alnatura-Lieferanten. Eigene Alnatura-Märkte sind aber weiterhin nicht geplant.
Bernhard Weber