Sowohl bei Konsumenten als auch bei Bauern saß der Schock nach den vergangenen Dezember publik gewordenen Bildern aus drei südoststeirischen Hühnermastbetrieben tief. Besonders das Videomaterial von den mutwillig mit einem Stapler überfahrenen Tieren machte betroffen. Wenige Wochen später der nächste Skandal. In einem Geflügelschlachthof in der Steiermark dokumentierten Tierschützer, wie Mitarbeiter des Betriebes Tiere nicht nur unsachgemäß nottöteten, sondern diese auch ungustiös als Putztücher missbrauchten. Kündigungen und sofortige Kontrollen folgten bei allen Betrieben prompt, doch Geflügelwirtschaft Österreich-Obmann Markus Lukas versprach noch mehr. „Die Geflügelwirtschaft hat die Zeichen der Zeit längst erkannt und ist sich ihrer Verantwortung in Sachen Tierwohl bewusst“, teilte er mit. Vergangene Woche wurde nun Bilanz über ein Jahr Kontroll- und Bildungsoffensive auf den 570 heimischen Gütesiegel-Hendlmastbetrieben gezogen. Statt den Kopf in den Sand zu stecken, „haben wir uns bemüht, unseren Bauern beizustehen und Wissen zu vermitteln“, so Lukas, selbst aktiver Mäster.
Markus Lukas: „Die Geflügelwirtschaft hat die Zeichen der Zeit längst erkannt und ist sich ihrer Verantwortung in Sachen Tierwohl bewusst“
So ist seit Juli dieses Jahres, nebst des ohnehin verpflichtenden um 30 Prozent höheren Platzangebots als in der übrigen EU, auch das Anbieten von Beschäftigungsmaterial in Form von Picksteinen und Strohballen auf Gütesiegel-Höfen vorgeschrieben. Außerdem wurde die verstärkt kritisierte Nottötung von erkrankten Tieren den Bauern nochmals über Merkblätter erklärt. „Jeder Landwirt musste vor seinem Betreuungstierarzt ein Tier in der einzig zulässigen Variante nottöten“, berichtet der Geflügelwirtschaft-Obmann. Dies hat nunmehr mit einer speziellen Zange zu erfolgen.
Neue Dokumentationspflichten
Über das heikle Thema der gesetzlich vorgeschriebenen sechsstündigen Dunkelphase für Masthühner wurden die Bauern auch über Weiterbildungsformate aufgeklärt. Deren Einhaltung ist zwar vorgeschrieben, nicht jedoch die Dokumentation. „Um diese besser nachvollziehen zu können, haben wir hier nachgeschärft“, sagt Stefan Weber, Geschäftsführer des Geflügelgesundheitsdienstes (QGV). Mit Jahreswechsel sind AMA-Gütesiegel-Produzenten demnach verpflichtet, beim Einstallen einer neuen Kükencharge die von ihnen gewählte Dunkelphase an die AMA zu melden. Zusätzlich wurde diese bereits im heurigen Jahr verstärkt unangekündigt kontrolliert. Insgesamt 46 Mal rückten Kontrollorgane zwischen 23 und 4 Uhr in der Nacht aus, um sich zu vergewissern, dass die Auflagen eingehalten werden.
Sieben Ausschlüsse
Die Kontrollen wurden durch 131 weitere sogenannte „Spot Audits“ mit Schwerpunkt Tierhaltung und -betreuung ergänzt. „All das lief parallel zu den ohnehin jährlich durchgeführten Routinekontrollen von jedem einzelnen Gütesiegel-Mastbetrieb ab“, erklärt Martin Greßl, Leiter der Abteilung Qualitätsmanagement bei der AMA-Marketing. Die Kontrollergebnisse stimmten demnach „erfreulich“, so Greßl und ergänzt: „Bei 70 Prozent der Betriebe gab es keine oder nur ganz geringe Abweichungen.“ Beispielhaft führt er etwa Fehler bei den Dokumentationspflichten an. Bei den verbleibenden 30 Prozent kam es zu Nachkontrollen oder Nachreichungen von Dokumenten. Vom Gütesiegel ausgeschlossen mussten 2023 lediglich sieben Betriebe werden. Bei zwei davon handelte es sich um vorsorgliche Ausschlüsse als Konsequenz der medialen Berichterstattung, drei wurden wegen wiederholter Überbelegung der Ställe der Gütesiegel-Status aberkannt und zwei Betriebe hatten positive Salmonellenbefunde zu verzeichnen, teilt die AMA-Marketing auf Nachfrage mit. Für die verstärkten Kontrollen hätten die Hühnermäster übrigens „vollstes Verständnis“ so Greßl. Aufgrund der gut ausgefallenen Ergebnisse und der erweiterten Dokumentationspflichten werde man „die Intensität der nächtlichen Visiten nun wieder zurückfahren“, teilt der AMA-Marketing-Abteilungsleiter mit.
Langsam wachsende Rassen bereits in den Regalen
Auch das Thema der seitens der Tierschützer mehrfach geforderten Nutzung von langsam wachsenden Rassen in der konventionellen Mast griff die Geflügelwirtschaft heuer auf. „Wir halten die Tiere versuchsweise auf Basis der Vorgaben der EU-Masthühnerinitiative, die von europäischen Tierschutzorganisationen entwickelt wurden“, so Lukas. Dieses Fleisch sei in den handelsspezifischen Tierwohlprogrammen bereits erhältlich, „muss nun aber auch gekauft werden“, richtet er den Konsumenten aus. Man würde sich wünschen, dass diese „der neue Standard“ anstelle der gebräuchlichen Hybriden der Rasse „Ross 308“ würden, heißt es. „Die österreichische Geflügelwirtschaft ist jedenfalls bereit für diese Umstellung“, bekräftigt Markus Lukas sein Versprechen. Damit dies auch in die Praxis umgesetzt werden könne, brauche die Geflügelwirtschaft einen neuen „Vertrag mit der Gesellschaft“. Es müsse ein offener gesellschaftlicher Diskurs stattfinden, „wie wir ihn beim Aus für die Käfighaltung bei Legehennen hatten“, ruft Geflügelwirtschaft- Pressesprecher Michael Wurzer in Erinnerung. Wer hohe Standards fordere, müsse diese letztlich auch kaufen, so das Resümee des Verbandes.
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- Huehnerstall: AMA