Agrarwende

Kommentar von Bernhard Weber,
Chefredakteur.

Cem Özdemir von den Grünen soll künftig Deutschlands Landwirtschaftsminister sein. Vorausgesetzt, die „Fundis“ der Partei proben bei der Online-Abstimmung über Koalitionsvertrag und Ministerliste nicht noch den Aufstand und drücken Anton Hofreiter ins Amt. Der langhaarige, bärtige Biologe aus Bayern hat dem Vernehmen nach auch mehr am Agrarkapitel der neuen Ampelregierung in Berlin mitverfasst als der taffe „anatolische Schwabe“, als der sich Özdemir selbst bezeichnet. Am ehesten trägt der Koalitionsvertrag mit allen Vorhaben und Visionen betreffend Landwirtschaft aber die Handschrift von Renate Künast. Sie hat vor genau 20 Jahren als erste Grüne den Dienstsitz in der Wilhelmstrasse in Berlin-Mitte übernommen und schaltete und waltete dort bis 2005. Auch damals war die Aufregung groß: Die gelernte Rechtsanwältin sorgte mit ihren Plänen für eine 180 Grad-Agrarwende für Unmut, auch Angst und lautstarken Prostest bei den Landwirten. Schon bei ihrem ersten Auftritt auf der Grünen Woche formulierte sie mundflink vor Tausenden Bauern ihre Absichten und Träume, erntete dafür Pfiffe und reagierte darauf mit „Ja pfeifen Sie ruhig, es kommt noch viel besser.“
Das Wort Agrarwende steht diesmal nicht im rot-gelb-grünen Arbeitsvertrag. Auch gilt Özdemir als „Realo“. Genau das macht den deutschen Regierungswechsel auch für Landwirte in den Nachbarländern spannend. Özdemir wird wohl bedächtiger als einst Künast versuchen, seine Ziele zu erreichen. Eine totale Agrarwende wird auch ihm kurz- bis mittelfristig nicht gelingen. Alleingänge beim Glyphosatverbot oder weit strengere Tierwohlauflagen aber vermutlich sehr wohl.

bernhard.weber@bauernzeitung.at

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