Vorweg: Die Nutzung von Greening-Flächen wird freigegeben, eine 500 Mio. Euro schwere Krisenreserve mobilisiert und Lagerkostenzuschüsse für Schweinefleisch gezahlt. Worum aber geht es bei der seit Tagen auch hierzulande diskutierten und von Agrarpolitikern wie Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, Niederösterreichs Bauernbundobmann Stephan Pernkopf oder Oberösterreichs neuer Agrarländesrätin Michaela Langer-Weninger geforderten, vorübergehenden „Freigabe von Stilllegungsflächen und Brachen“?

Alle Betriebe mit mehr als 15 Hektar Ackerfläche, die eine Greening-Förderung beantragt haben, müssen mindestens fünf Prozent „ökologische Vorrangflächen“ (OVF) ausweisen, bei einem Dauergrünland- oder Feldfutteranteil unter 75 %. Solche OVF können Brachen oder Flächen mit stickstoffbindenden Kulturen und Zwischenfrüchten sein. Auf diesen Flächen darf nicht gedüngt und kein chemischer Pflanzenschutz angewendet werden. Auch die Nutzung der Pflanzen ist verboten.

Brüssel erlaubt nun, dass Landwirte diese OVF durch den Anbau von Sommerkulturen wie Getreide, Sonnenblumen oder Soja nutzen dürfen, auch mit Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln. Die Ausnahmeregelung gilt nicht für Betriebe, die an der ÖPUL-Maßnahme UBB teilnehmen. Biodiversitätsflächen gelten als Äquivalent zu den 5 % OVF fürs Greening. Somit erfüllt man mit UBB Teilnahme die Greening Vorgaben automatisch.

Zurück zur von EU-Kommission und Parlament getroffenen Entscheidung: Angesichts des Krieges in der Ukraine und der gravierenden Auswirkungen auf Agrarmärkte und Lebensmittelpreise sprechen Bauernbund-Präsident Georg Strasser und Simone Schmiedtbauer, ÖVP-Agrarsprecherin im Europaparlament, von einem “ersten Umdenken” in Brüssel.

“Produktionseinschränkungen sind jetzt absolut fehl am Platz. Wir brauchen jeden Quadratmeter Boden in Europa, um zumindest einen Teil der fehlenden Ernte aus der Ukraine zu kompensieren. Die Aufgabe unserer Bäuerinnen und Bauern ist es jetzt einmal mehr, einen Beitrag für die Versorgungssicherheit in Europa und in der Welt zu leisten”, so Strasser. Die Klimaziele des Green Deals stehen laut Strasser nicht zur Diskussion: “Es muss weiterhin um den Schutz unserer Lebensgrundlage gehen. Der Weg dorthin gehört aber angepasst.”

Mit dem Angriffskrieg Russlands hätten sich laut Schmiedtbauer sämtliche Rahmenbedingungen der EU völlig verändert: “Es ist höchste Zeit zu handeln. Das tun wir mit der heutigen Resolution. Europa hat eine Verantwortung, nicht nur für seine Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch für die Menschen über die Grenzen Europas hinaus.” Auf die Forderung, dass stillgelegte EU-Anbauflächen vorübergehend für die Lebensmittelproduktion freigegeben werden sollen, habe die Kommission gestern, Mittwoch, „endlich reagiert“, so Schmiedtbauer. Jedenfalls müssten die EU-Gesetzespakete für den Agrarsektor, die ‘Farm to Fork’- und Biodiversitätsstrategie, neu bewertet werden, um die Lebensmittelproduktion zu steigern.

Wie bereits auf BauernZeitung.at berichtet, werden damit EU-weit rund  4 Mio. ha Ackerfläche zusätzlich für die Lebensmittelproduktion freigegeben, die bisher im Namen des Umweltschutzes stillgelegt waren.

Auch Josef Moosbrugger, Präsident der LK Österreich und Bauernbund-Vizepräsident, bewertet die von der EU-Kommission getroffenen Maßnahmen zur Abmilderung der Produktionsausfälle für die Bäuerinnen und Bauern positiv. Die von manchen Gruppierungen geäußerte Kritik kann er „überhaupt nicht nachvollziehen“. Die Mehrheit der Umweltschutz-Flächen bleibe weiterhin erhalten. „Bei der nun von der EU-Kommission getroffenen Flächenfreigabe geht es hingegen lediglich um einen Teil der ökologischen Vorrangflächen. Es handelt sich dabei um rund 5.000 Hektar, die heuer ausnahmsweise zur Erzeugung von Futtermitteln verwendet werden können”, stellt Moosbrugger klar.

“Zu fordern, dass wegen einer außergewöhnlichen Situation plötzlich Nutztierbestände abgestockt und somit geschlachtet werden, halte ich für verfehlt“, so der LK-Chef. Er wundere sich sehr, „dass so etwas ausgerechnet von Gruppierungen gefordert wird, die sich sonst das Tierwohl auf ihre Fahnen heften“.

Die Eröffnung der Krisenreserve in Höhe von 500 Mio. Euro in ganz Europa sei aber nur eine Umschichtung von bestehenden Agrarmitteln. Der Bauernbündler: „Wir fordern von der EU vielmehr echte Unterstützung für die extrem gestiegenen Produktionskosten.“ Ähnlich formuliert es Schmiedtbauer: “Wir brauchen echte Unterstützung für die Landwirte in der Union. Sie sind trotz der exorbitant hohen Futtermittel-, Dünger- und Spritpreise für unsere Ernährung im Einsatz.“

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  • BRUSSELS, BELGIUM Jun 04, 2017: Berlaymont Building Of The European Commission: Wirestock -stock.adobe.com
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AUTORRed. SN
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