Agrana schaltet bei Rübe nun in den Krisenmodus

Trotz enormer Anstrengungen fiel die Zuckerrübenfläche in Österreich heuer auf einen historischen Tiefstand. Vergangene Woche hat Agrana zwei der vier Geschäftsführer der Zuckersparte abberufen. Auch die Schließung einer der letzten beiden Zuckerfabriken in Niederösterreich steht im Raum.

Viele Rübenbestände waren heuer wegen Käferbefall und Trockenheit nicht zu retten. Gibt es damit zu wenig Rüben für zwei Zuckerfabriken? FOTO: AGRANA

Agrana beruft zwei Geschäftsführer der Zuckersparte ab.“ Diese Nachricht vom Freitag vergangener Woche macht deutlich, in welcher Misere der heimische Anbau von Zuckerrüben steckt.
Laut einem Bericht der „Salzburger Nachrichten“ hat sich der börsennotierte Zucker-Stärke-Frucht-Konzern Agrana mit Ulrich Fischer und Konrad Halwax von zwei der insgesamt vier Geschäftsführer der Agrana Zucker GmbH getrennt. Zu den Gründen machte Agrana auch auf Anfrage der BauernZeitung keine Angaben. Bekannt wurde nur, dass die frei werdenden Aufgabengebiete auf die beiden verbliebenen Geschäftsführer aufgeteilt werden. So soll Josef Eisenschenk zusätzlich zu seinem Verantwortungsbereich Produktion die Sparte Rohstoff übernehmen. Andreas Schröckenstein zeichnet zusätzlich zu den Finanzen künftig auch für das Verkaufsressort verantwortlich.

Nur noch knapp über 26.000 Hektar Rübenfläche
Mutmaßlicher Hintergrund der für viele Rübenbauern überraschenden Personalie könnte vor allem die andauernde Anbaukrise bei Zuckerrüben sein. Bereits seit Jahren befindet sich die Anbaufläche im freien Fall. Nach Höchstständen in den Jahren 2012 bis 2014 mit jeweils um die 50.000 ha Zuckerrübenfläche setzte 2015 zunächst ein preisbedingter Abschwung ein. 2017 kam mit dem Auslaufen der EU-Zuckermarktordnung ein weiterer flächendämpfender Faktor hinzu. Seit 2018 bilden Restriktionen beim Pflanzenschutz, zunehmender Schädlingsdruck und trockene Frühjahrswitterung einen unheilvollen Verband gegen den Rübenanbau.
Wie die Statistik zeigt, gibt es bei der Flächenentwicklung regional unterschiedliche Trends. Entscheidend ist vor allem der Anbau im Bundesland Niederösterreich. Hier hat sich die Anbaufläche innerhalb von fünf Saisonen praktisch halbiert.
Als Ursachen gelten vor allem Pflanzenschutzprobleme und das seit dem Jahr 2018 verstärkte Auftreten des Rübenderbrüsslers. Trotz großer Anstrengungen der Landwirte und auch seitens Agrana hat der Rüsselkäfer auch heuer wieder starke Schäden verursacht. Viele Rübenfelder mussten umgebrochen werden. Noch dramatischer ist die Situation im Burgenland, wo die Landespolitik mit strikten Pflanzenschutzreglements zusätzliche Hürden gegen den Rübenanbau geschaffen hat.
Dass es auch in Richtung Flächenausweitung gehen kann, zeigen die Bundesländer Oberösterreich und Steiermark. Dort hat der seit dem Frühjahr von Agrana angebotene Dreijahresvertrag zu einem Mehranbau geführt. Aufgrund eines geringeren Schädlingsdrucks werden diese Rübenflächen auch zur Ernte kommen.

Fabrikschließung? Evaluierung bis Ende August
Agrana betreibt in Österreich derzeit zwei Zuckerfabriken, und zwar in Leopoldsdorf im Marchfeld und in Tulln an der Donau. Nachdem in den beiden Werken noch vor wenigen Jahren die Rübenernte von mehr als 50.000 ha Anbaufläche verarbeitet wurde, steht mit der nunmehrigen Flächenhalbierung auch die Schließung einer Fabrik im Raum. Über das Ende der Zuckerraffinerie in Leopoldsdorf wird schon seit Längerem spekuliert. Zuletzt hieß es mehrfach, um mit beiden Fabriken zu wettbewerbsfähigen Kosten zu produzieren, wäre eine Anbaufläche von zumindest 40.000 ha erforderlich. Aufgrund der massiven Rüsselkäferproblematik ist dies aber kaum realistisch. In einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der BauernZeitung verlautbarte Agrana-Sprecher Markus Simak dazu, dass man heuer die tatsächliche Rübenerntemenge aufgrund des Witterungsverlaufs im Sommer erst Ende August schätzen könne. Erst dann werde man evaluieren, ob im Herbst eine Rübenkampagne in beiden Fabriken möglich ist.

Karpfinger: Entscheidung liegt bei Agrana
Seitens des Rübenbauernbundes für NÖ und Wien stellte Präsident Ernst Karpfinger gegenüber dem ORF fest, dass die Standortfrage bei den Zuckerfabriken eine Entscheidung der Agrana sei. Er rechne auch künftig nicht mit einer Steigerung der Anbauflächen. Vor allem die immer strengeren Regelungen bei Pflanzenschutzmitteln bereiten den Rübenbauern Probleme. Weiters sei die Lage für Zucker gengenerell auch am Weltmarkt schwierig.

Zuckersparte operativ seit zwei Jahren im Minus
Die schwierige Situation am Zuckermarkt beschert Agrana bereits über zwei Geschäftsjahre hinweg negative Ergebnisse. Die operativen Verluste lagen zuletzt im Bereich von 44 Mio. Euro (2019/20) bis 66 Mio. Euro (2018/19). Zwar zeichnet sich für das laufende Geschäftsjahr eine leichte Besserung am Zuckermarkt ab, aufgrund der Coronakrise ist ein zuverlässiger Ausblick aber nicht möglich. Für das erste Quartal 2020/21 teilte Agrana Generaldirektor Johann Marihart mit, dass man vergleichsweise gut durch den Corona-Shutdown gekommen sei. Bei Zucker, Kartoffelflocken und Babynahrung musste man in der „Hamsterphase“ sogar Sonderschichten fahren. Mittelfristig fehle der Absatz in Gastronomie und Tourismus. Auch die Getränkeindustrie habe immer weniger Bedarf an Zucker.

Anbauflächen im freien Fall
QUELLE: AMA
Grafik: BZ

Hans Maad

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