Zwischen Börsensturz und Quarantäne

Ganz Italien unter Quarantäne, zunehmend starke Einschränkungen auch im öffentlichen Leben in Österreich und zu Wochenbeginn ein „Schwarzer Montag“ an den Börsen auch für Agrarpreise. Das Coronavirus wird für viele zum Stress-Test, auch für die Landwirtschaft.

Zu Wochenbeginn ein „Schwarzer Montag“ an den Börsen auch für Agrarpreise Foto: imageteam - Stock.adobe.com

Egal ob Palmöl, Getreide, Raps, Rind- oder Schweinefleisch, an den weltweiten Börsen, allen voran den wichtigsten Terminbörsen in Chicago oder Paris, ging es am Montag in Sachen Preise tief nach unten. Hauptgrund und Auslöser dafür war zwar ein Streit zwischen den erdölfördernden OPEC-Staaten und Russland, die sich am Wochenende in Wien nicht auf Förderbeschränkungen bei Rohöl einigen konnten. Infiziert wurde dieser Streit aber auch vom Coronavirus. Nach Ausbruch der Krankheit vor knapp drei Monaten in China wurde das Virus mittlerweile weltweit verschleppt. Wie anfangs im Reich der Mitte setzt man nun auch in Europa auf strikte Quarantäne in ganzen Regionen und Ländern, Fabriken, Universitäten und Schulen werden geschlossen, Flug- und Schiffverkehr wurden stark eingeschränkt und damit auch Fracht-Lieferketten unterbrochen. Die Nachfrage nach Rohöl ist massiv eingebrochen, was zum Streit am Rohölsektor geführt hat. Der globale Preissturz zog prompt auch den Rubel-Kurs, die weltweiten Aktienmärkte und nicht zuletzt auch die Agrarpreisnotierungen an den Börsen in die Tiefe.
Der dramatische Einbruch der Märkte, von einigen Analysten sogar als „Schwarzer Montag“ bezeichnet, verstärkt außerdem auch die Besorgnis über die weitere Verbreitung des Coronavirus. Denn speziell quer durch Europa wächst die Zahl der Coronafälle Tag für Tag teils rasant. Mittlerweile wurde ganz Italien unter Quarantäne gestellt, massive Einschränkungen des täglichen Lebens von Ausbildung über Verkehr, Tourismus bis Wirtschaft gibt es längst auch in Deutschland, Frankreich und Österreich.

Kaufen in Hamstermanier
Bis hin zu leeren Regalen beim Einkaufen, ein Anblick, den Europäer seit vielen Jahrzehnten nicht mehr zu sehen bekommen haben. Gekauft wird teils in Hamstermanier, so viel man Tragen kann: von Teigwaren über Konservendosen, H-Milch bis Klopapier. Die Angst vor erzwungenem Hausarrest sowie einem Versorgungsengpass durch das Coronavirus treibt nicht wenige dazu, sich mit dem Nötigsten einzudecken. Was bis vor Kurzem nur eingefleischten „Preppern“ (eng. „to prepare“, sich vorbereiten) ein Herzensanliegen war, ist in der breiten Bevölkerung angekommen. Aber gibt die Ausbreitung des Coronavirus wirklich Anlass dazu, gezielt Lebensmittel, Medikamente und Batterien zu horten? „Noch gibt es in Österreich keine Engpässe bei der Versorgung mit Lebensmitteln“, erklärte ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums Anfang dieser Woche auf Nachfrage. Längst vergriffen sind dagegen Schutzmasken, die zu horrenden Preisen gehandelt werden. Auch Spitäler beklagen bereits, dass Hygieneprodukte wie Handdesinfektionsmittel immer öfter einfach entwendet werden. In Österreich liegen 1,6 Millionen Schutzmasken bereit. Sie wurden einst vom Bundesheer angeschafft und vor wenigen Tagen an die jeweiligen Landessanitätsbehörden sowie an das Außenministerium geliefert. Zusätzlich unterstützen 24 Soldaten die AGES-Hotline für Corona-Informationen.
Generell obliegen Zivil- bzw. Bevölkerungsschutz in Österreich dem Innenministerium. Geht es aber um Fragen der Lebensmittelversorgung, so verweist man dort wiederum an das Landwirtschaftsministerium. Zahlen aus dessen neuestem „Grünen Bericht“ zeigen, dass Österreichs Landwirte nicht gänzlich in der Lage sind, die heimische Bevölkerung mit Agrarprodukten zu versorgen, etwa bei Getreide nur zu 86 %, bei Kartoffeln zu 80 %, bei Gemüse gar nur zu 56 %, noch weiter darunter bei Ölsaaten (48 %), Obst (40 %) oder bei pflanzlichen Ölen (27 %). Über der Eigenversorgung liegt man bei Milch mit 164 %, Käse (115 %) und Fleisch (108 %), bei Eiern fehlt es wieder
(86 % ), ebenso bei Butter (72 %). Wirklich Sorgen machen muss sich aber in Österreich und Europa keiner machen, alle wesentlichen Grundnahrungsmittel sind in ausreichenden Mengen vorhanden.

Probleme der Globalisierung
Das Coronavirus ist aber trotz aller bedauerlichen Krankheits- und sogar Todesfälle und so mancher Krisenmaßnahmen, die an überzogene Hysterie grenzen, auch ein Anlass, über die Nachteile einer globalisierten Wirtschaft nachzudenken. Bei vielen Rohstoffen, Waren und Erzeugnissen, darunter sensible Produkte wie Medikamente, besteht eine enorm hohe Auslandsabhängigkeit. Das gilt auch im Agrarbereich, etwa für Düngemittel und Energieträge. Eine starke Abhängigkeit von ausländischen Rechteinhabern bzw. Produzenten ist auch bei Saatgut, Pflanzenschutzmitteln, Traktoren und Mähdreschern gegeben. Bei den Futtermitteln darf in diesem Zusammenhang die Eiweißlücke nicht unerwähnt bleiben. Und wie empfindlich dieser globale Markt auf Störungen wie eine Pandemie und damit verbundene Produktionsausfälle reagiert, zeigen das Coronavirus wie auch der schwarze Montag diese Woche an den Agrarbörsen. „Die Realwirtschaft insgesamt und der Agrarhandel im Speziellen sind nicht nur, aber vor allem von nachlassender Nachfrage aus China betroffen, wo das öffentliche Leben nach wie vor lahmgelegt ist,“ analysierte Christian Posekany vom Agrarischen Informationszentrums aiz.info. „In Chinas Häfen stauen sich Schiffe und Container, da ihre Ladungen aufgrund der Quarantänemaßnahmen nicht ins chinesische Hinterland verbracht werden können. Im Welthandel werden die Transportkapazitäten knapp.“ In den USA seien die Kühlhäuser an der Pazifikküste mittlerweile voll mit Schweine- und Geflügelfleisch. „Auch bleibt die erhoffte Nachfrage Chinas nach Sojabohnen und Mais in den USA nach wie vor aus.“

Lieferkette gestört
Schwer unter Druck ist mittlerweile auch die Landwirtschaft in Italien. Schon bevor das Land für mehrere Wochen unter Quarantäne gestellt wurde, haben den Bauern viele Erntehelfer aus Osteuropa abgesagt. Zu allem Coronavirus-Unglück brach aufgrund der Ansteckungsangst zudem der Export italienischer Agrar- und Nahrungsmittelprodukte ein. Diese Angst ist allerdings unbegründet, da Lebensmittel nicht als Überträger des Virus infrage kommen. Die Lieferungen von Getreide aus Österreich nach Italien liefen bis zuletzt planmäßig.
Zum Thema Coronavirus meldete sich LK Österreich-Präsident Josef Moosbrugger zu Wort: „Nun zeigt sich, dass als eine der ersten Auswirkungen des Coronavirus weltweite Liefer- und Handelsketten gestört wurden. Wenn die gesamte EU nicht ein funktionierendes Netz von rund zehn Millionen bäuerlichen Betrieben hätte, müssten sich rund 500 Millionen Menschen tatsächlich um ihre Ernährung Sorgen machen.“ Auch der Chef der Österreichischen Hagelversicherung, Kurt Weinberger, machte darauf aufmerksam, dass es nicht selbstverständlich sei, Lebensmittel überall und sofort zu bekommen. „Ernährungssicherheit kann man nicht importieren. Wir müssen selbst die Voraussetzungen dafür schaffen, um die Bevölkerung im Krisenfall ernähren zu können“, so der Agrarversicherer.
So kann all die Angst vor dem Virus zuletzt auch etwas bewirken: Das Bewusstsein für die eigene Versorgungssicherheit steigt. Die Menschen beginnen wieder, darüber nachzudenken, wo ihre Lebensmittel, ihr täglich Brot, eigentlich herkommen und was passiert, wenn dieses sensible System aus Liefer- und Kühlketten, aus Produktion, Import und Export, Verarbeitung und Verbreitung, Störungen erfährt. Denn nicht nur Städter, sondern auch die meisten Landwirte, sind auf volle Supermarktregale angewiesen. Komplette Selbstversorger gibt es kaum noch.

Eva Zitz, Bernhard Weber

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