Wir stehen darauf, wir gehen darauf und wir ernähren uns vom Boden. Dennoch schenken wir ihm im Alltag wenig Beachtung. Im Gegenteil: Wir bauen darauf in einem derart rasanten Tempo, dass uns die Lebensgrundlage abhandenkommt – mit allen Konsequenzen. Der Weltbodentag am 5. Dezember sollte uns dabei als internationaler Aktionstag ins Bewusstsein rufen: Der Boden ist eine nicht vermehrbare, überlebenswichtige Ressource. Was ist aber Faktum in Österreich? „Allein in den letzten 25 Jahren verloren wir hierzulande durch Verbauung 150.000 Hektar Äcker und Wiesen. Das entspricht der gesamten Agrarfläche des Burgenlands. Wenn man bedenkt, dass uns täglich weitere Agrarflächen für die heimische Lebensmittelproduktion in der Größenordnung von aktuell rund 20 Fußballfeldern abhandenkommen, dann ist diese Entwicklung unfassbar“, so der Vorstandsvorsitzende der Österreichischen Hagelversicherung (ÖHV), Dr. Kurt Weinberger, in einer Bestandsanalyse. „Es muss das oberste nationale Ziel sein, die Lebensgrundlage Boden zu erhalten und nicht durch Verbauung weiter zu zerstören. Andernfalls gefährden wir massiv die Selbstversorgung Österreichs. Hier herrscht dringend Handlungsbedarf“, so der ergänzende Appell von BOKU-Rektor Univ.-Prof. Dr. Hubert Hasenauer, LKÖ-Präsident Josef Moosbrugger, Dr. Karl Kienzl, Geschäftsführer-Stv. Umweltbundesamt, und VCÖ-Geschäftsführer Dr. Willi Nowak.
Weinberger: Sanieren statt Zubetonieren
„Boden speichert CO2 und Wasser, außerdem ist er die Basis für die Lebensmittelproduktion. Durch den Flächenverbrauch wird die Eigenversorgung mit heimischen, qualitativ hochwertigen Lebensmitteln weiter sinken und Österreich zunehmend verletzbar. Bei Getreide haben wir beispielsweise nur mehr einen Selbstversorgungsgrad von 85 Prozent. Auf der anderen Seite werden laufend neue Hallen, Straßen und Gewerbezentren auf der grünen Wiese errichtet, während Ortskerne aussterben und Häuser verwaisen. Diese Zersiedelung bringt ebenso Gefahren für das Tourismusland Österreich mit sich. Eine kluge Raumordnung mit dem Ziel der Innen- vor Außenentwicklung und die Revitalisierung leerstehender Immobilien sind ein Gebot der Stunde. Die Nutzung des Leerstands ist zudem ein Beispiel, wo sich Ökologie und Ökonomie perfekt ergänzen. Als Finanzmanager, der ständig mit den zunehmenden Naturkatastrophen konfrontiert ist, sage ich: Wir müssen das brennendste Umweltproblem Österreichs – den rasanten Flächenverbrauch – lösen. Andernfalls werden uns unsere Kinder fragen: ‘Wieso habt ihr uns die Zukunft verbaut?'”, appelliert Weinberger an die Entscheidungsträger.
Moosbrugger: Quelle unserer Versorgungssicherheit nicht mutwillig vernichten
„Unsere Böden sind eine unverzichtbare Basis für gesunde Nahrungsmittel, Artenvielfalt sowie Klima- und Naturgefahrenschutz. Wer all das mutwillig vernichtet, zieht den kommenden Generationen buchstäblich den Boden unter den Füßen weg. Der Verlust von Äckern und Wiesen im großen Stil gefährdet somit nicht nur die wichtigste Existenzgrundlage unserer Bäuerinnen und Bauern, sondern auch die Versorgungssicherheit unserer gesamten Bevölkerung“, warnt Moosbrugger. „Derzeit gelten landwirtschaftliche Böden als Restflächen, auf die alle zurückgreifen, wenn die anderen Nutzungsinteressen befriedigt sind. Das ist absolut widersinnig, denn gerade sie brauchen einen besonderen Schutz. Ein Vorbild dabei ist die Schweiz, die das bestgeeignete ackerfähige Kulturland speziell erfasst und unter Schutzgestellt hat“, unterstreicht Moosbrugger. Zusätzlich fordert er eine koordinierte Raumordnungspolitik, Bodenverbrauchsprüfungen als fixen Bestandteil von Umweltverträglichkeitsprüfungen und, dass der schonende Umgang mit dem Boden in einer 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern verankert wird.
Hasenauer: Wissenschaft ist Teil der Lösung
„Landnutzung muss vielfältigen Ansprüchen gerecht werden. Es bestehen unterschiedliche Interessen: Die Ernährung der Weltbevölkerung, der Naturschutz oder die Bereitstellung von Ressourcen, die zu Konkurrenzen und zum Verlust land- und forstwirtschaftlicher Flächen führen. Eine Balance zu finden ist eine komplexe Aufgabe. Die Grundlagenforschung leistet dazu einen wichtigen Beitrag“, so Hasenauer.
Kienzl: Strategisches Flächenmanagement notwendig
„Böden sind unsere wichtigste Lebensgrundlage, wir müssen sie endlich besser schützen“, meint Kienzl. Er plädiert für ein strategisches Flächenmanagement, das eine Verankerung der Bodenfunktionen in den entsprechenden Gesetzen vorsieht. Auch die Definition von Vorrangflächen für die landwirtschaftliche Produktion, für Hochwasser-Rückhaltung und ökologisch wertvolle Gebiete sind wichtige Elemente. „Wir müssen über neue, nachhaltige Ansätze für die Siedlungs- und Gewerbeentwicklung ohne zusätzlichen Bodenverbrauch nachdenken. Die Nutzung von brachliegenden Flächen, schätzungsweise 40.000 Hektar, soll Vorrang vor der Ansiedlung auf der grünen Wiese haben“, so Kienzl.
Nowak: Infrastrukturausbau in Einklang mit Klimazielen bringen
In den vergangenen zehn Jahren wurden in Österreich im Schnitt täglich 2,4 Hektar für Verkehrsflächen verbaut, das entspricht der Fläche von vier Fußballfeldern, verdeutlicht der VCÖ. Während das Schienennetz geschrumpft ist, wurde das Straßennetz massiv ausgebaut. Längere und breitere Straßen sowie mehr Parkplätze führten dazu, dass aus immer mehr Böden Asphaltwüsten wurden. „Die Infrastrukturpolitik ist endlich in Einklang mit den Umwelt- und Klimazielen zu bringen. Wir brauchen deutlich mehr platzsparende Mobilität wie Öffentlichen Verkehr, Radfahren und Gehen“, fordert Willi Nowak von der kommenden Bundesregierung ein umfassendes Klimaschutz-Paket.
Hinterlassen wir keine Schulden an unsere Kinder
„Wenn wir heute nicht in den Bodenschutz investieren, werden die Schäden weiterhin steigen und wir werden in Zukunft auf viel Wohlstand verzichten müssen. Nur konsequenter Bodenschutz sichert die Ernährung und hinterlässt zukünftigen Generationen eine intakte Umwelt und Natur. Unsere Kinder und Kindeskinder sind die Leidtragenden, wenn wir jetzt keine Kurskorrektur machen“, lautet der gemeinsame Appell.
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- Bodenverbrauch: ÖHV