Im Industriegebiet in Wien-Simmering befindet sich der Hauptsitz von Livin Farms.
Das 2018 gegründete Unternehmen hat laut eigenen Angaben die industrielle Insektenmast
revolutioniert. Mit dem Fokus auf nachhaltige Proteinproduktion hat Katharina Unger als
Gründerin und heute Geschäftsführerin von Livin Farms ihre Vision in die Realität umgesetzt. Begonnen hat alles mit ihrer Diplomarbeit. Mittlerweile hat die Firma bereits internationale Dimensionen erreicht. „Ich wollte einen geschlossenen Kreislauf entwickeln, in dem die Insekten ohne Berührung gezüchtet werden. Von der Larve zur Fliege und nach deren Ernte wieder zur Larve.“ Sechs Jahre später bietet sie heute sowohl Insektenmastanlagen in unterschiedlichen Bauhöhen und Automatisierungsstufen als auch die Arthropoden selbst an. Die studierte Produktdesignerin stieß im Laufe der Zeit auf
verschiedene Zuchtmethoden von Pilzen, Algen und Labor-Fleisch. Und letztlich auf die Insektenmast. Sie begann, Fliegen in ihrer Wohnung und an der Universität zu züchten und entwickelte Schritt für Schritt jenes Know-how, das heute die Basis ihres Unternehmens bildet.
Proteinhaltiges Insekt
Gezüchtet wird vor allem die Schwarze Soldatenfliege. Diese ist sehr proteinhaltig. Livin Farms konzeptioniert und fertigt Insektenmastanlagen, die aus mittlerweile patentierten Produktionseinheiten, automatisierter Technik, Klimakammern und Futterküchen
bestehen. Eine typische “Tray Handling Robotik Linie” kostet eine halbe Million Euro. Ihre
Kunden, zu denen Landwirte ebenso zählen wie große Konzerne, erhalten von Unger Babylarven. Diese werden aufgezogen und nach einem elf-tägigen Zyklus geerntet: „Je
nach Größenordnung kann man zwischen 1.500 bis zu 50.000 Tonnen pro Jahr produzieren“, sagt Unger. In weiterer Folge werden die Larven zu entfettetem Mehl, Proteinmehl, Fett oder Dünger veredelt.
Europaweite Nachfrage
Anlagen von Livin Farms findet man mittlerweile in mehreren Ländern, von Deutschland
über Belgien bis Spanien sowie in Osteuropa. Einen Kunden hat Unger auch in Österreich.
In Wien betreibt Livin Farms auf 2.500 Quadratmeter neben einer Demoanlage selbst eine
Reproduktionsstätte für die Soldatenfliege. In 30 Meter hohen Käfigen schlüpfen die Jungfliegen oder „Seedlings“ und werden rasch grammgenau dosiert und speziell verpackt an die Kunden verschickt. In jeder Packung befinden sich etwa eine halbe
Million Insekten.
„Ernähre die Welt,
während du sie rettest.“
KATHARINA UNGER
„Aktuell gibt es eine wachsende Nachfrage aus dem deutschsprachigen Raum, speziell aus dem landwirtschaftlichen Bereich. Anderswo errichten wir hauptsächlich Anlagen für industrielle Unternehmen“, erzählt Unger. Die Möglichkeit, bereits auf wenigen hundert
Quadratmetern zu starten, erhöhe das Interesse erheblich. In Sachen Beratung sei ihr
die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Kunden wichtig. „Schon bei der Planung im Vorfeld gilt es sicherzustellen, dass eine Anlage kosteneffizient und erfolgreich betrieben werden kann.“ Generell erfordere die Insektenmast „ähnliche Technologien und Prozesse wie in der gängigen Tierzucht“, so Unger. Das zu wissen erleichtere Landwirten den Einstieg.
Die Standardisierung und Automatisierung der Arbeitsprozesse ermöglicht es, sofort mit der Produktion von Insektenlarven zu starten. Das modulare System von Livin Farms eigne sich auch für kleine oder mittelgroße Agrarbetriebe. Mit dem Bau von solchen
Anlagen ließe sich die Zucht von Insekten und damit die umweltfreundliche Erzeugung
von Eiweiß für Tierfutter vorantreiben, behauptet Unger. Für Protein aus Insekten fallen
im Vergleich zur Produktion von Sojaprotein um 92 Prozent weniger Emissionen an. Und
für jede Tonne Insektenmehl, die etwa statt Fischmehl ins Geflügel- oder Schweinefutter gemischt wird, würden fünf Tonnen Meeresfisch verschont.
Langfristig möchte die Unternehmerin generell mehr organische Abfälle neben Protein auch in Dünger verwandeln.
Das klingt dann sehr visionär und auch etwas pathetisch: „Die Welt ernähren und gleich-
zeitig den Planeten retten ist unser Ansatz.“ Noch steht die Zucht von Insekten in wirklich großem Maßstab hierzu- lande am Anfang. Unger: „Wir von Livin Farms sind aber von der Zukunft dieser Form der Proteinproduktion überzeugt und werden diesen Weg weitergehen.
Auf einen Blick
Livin Farms, gegründet 2018
Gründerin Katharina Unger
25 Mitarbeiter
Firmensitz in Wien-Simmering
Zucht von Schwarzen Soldatenfliegen als Proteinquelle
- Bildquellen -
- Katharina Unger: Paris Tsitsos
- Schwarze Soldatenfliege: Berger/BZ
- HivePRO: Livin Farms
- Fliegenkäfige: Livin Farms
- Firmensitz in Wien-Simmering: Berger/BZ
- Livin Farms: Livin Farms