Während der Corona-Pandemie hatten Direktvermarkter regen Zulauf – hat sich dieser Trend gehalten?
JÄGER: Der Hype nach Corona hat natürlich etwas nachgelassen. Alle, die aktiv verkaufen und auch Werbung machen, haben weiterhin einen guten Absatz. Jene, die keine Verkaufsaktivitäten starten, haben entsprechend Rückgänge. Damit zeigt sich: Direktvermarktung ist kein Selbstläufer und unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von anderen Betriebszweigen. Die Profis entwickeln sich und legen zu. Erfreulich ist, dass die Gesamtzahl der Direktvermarkter relativ konstant bleibt.
Der Präsident des Österreichischen Gemeindebundes hat kürzlich vorgeschlagen, Öffnungszeiten für innovative Selbstbedienungsmärkte im Lebensmittelhandel zu erweitern, vor allem, wenn kein Personal erforderlich ist. Wie ist hier die Situation in Tirol?
Direktvermarkter dürfen ihre Produkte 24/7 anbieten. Der Verkauf über Automaten und Selbstbedienungs-Läden hat zugenommen. Diese Vertriebsformen werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen, sowohl bei einzelbetrieblichen Projekten als auch bei Gemeinschaftsprojekten.
Als Kunde hat man je nach Präferenz die Wahl. Ein Teil der Konsumenten liebt den Einkauf mit einem persönlichen Gespräch und andere bevorzugen den anonymen Einkauf bzw. den Einkauf außerhalb der regulären Öffnungszeiten von Geschäften wie spät am Abend oder am Wochenende.
Laut einer Studie von RegioData-Research vom Juli 2024 gibt es in Österreich bereits rund 580 Gemeinden ohne eigenen Nahversorger. Können Direktvermarkter da eine Lücke schließen? Wie sieht die Entwicklung der Versorgung im ländlichen Raum künftig aus?
Die Urbanisierung und der gesellschaftliche Wandel ist für den ländlichen Raum generell eine riesige Herausforderung. Die Vermarktungsformen in der Direktvermarktung sind unglaublich vielfältig. Vom klassischen Hofladen über Bauernmarkt und Bauernladen bis hin zu Zustellservices, Abo-Kisten und Food Coops gibt es eine bunte Vielfalt.
Allerdings sollten wir unsere generelle Haltung zu Lebensmitteln überdenken. Heute bevorzugt der Konsument, dass er an jedem Tag und zu jeder Zeit alles in den Regalen vorfindet. Darüber, dass ein Lebensmittel mal nicht verfügbar sein könnte, macht man sich keine Gedanken. Im Vergleich zum Lebensmitteleinzelhandel leiden die kleinen Läden in den Dörfern darunter mehr.
Eine wichtige Rolle spielt auch die umfassende Ausbildung unserer Direktvermarkter der Zukunft. Im Rahmen einer breiten Bildungsoffensive sind Produktveredelung, Direktvermarktung und Dienstleistungen ein fixer Bestandteil in den Lehrplänen der landwirtschaftlichen Lehranstalten. So wird in der Schule bereits der Grundstein für Qualitätsbewusstsein gelegt. Den Schülerinnen und Schülern wird so vermittelt, dass die Produktion von hochwertigen bäuerlichen Produkten eine gute Chance zur Direktvermarktung und somit auch zu einem weiteren betrieblichen Standbein werden kann. Handwerkliche Fähigkeiten durch praktische Ausbildung sind genau so wichtig wie der theoretische Unterrichtsbereich von Unternehmensführung und Marketing.
Der Österreichische Bauernbund berichtet immer wieder von empfindlichen Geldstrafen für Direktvermarkter aufgrund unzureichender Kennzeichnung der Produkte. Bereits 2014 wurde der Grundsatz „Beraten statt Strafen“ im Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz verankert, 2019 überdies im Verwaltungsstrafgesetz. Die Ausführung liegt allerdings bei den verantwortlichen Behörden. Wie stellt sich die Situation hier in Tirol dar und wo gibt es Verbesserungsmöglichkeiten?
Wenn es um Lebensmittelsicherheit und die Gesundheit der Menschen geht, ist gegen strenge Kontrollen nichts einzuwenden. Wenn empfindliche Strafen drohen, weil die Schriftgröße in der Zutatenliste nicht genau eingehalten wurde, dann stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit. Kontrollen und die damit verbundenen Strafen und Kriminalisierung der Betriebe sowie die überbordende Bürokratie sind mittlerweile die Hauptgründe warum Direktvermarkter aufhören. Das ist besonders tragisch, da Direktvermarktung von der Verarbeitung des Rohstoffes bis hin zu Verpackung und Vertrieb von bäuerlichen Familien getragen wird. Die Ressourcen sind also stark begrenzt. Das positive Feedback vieler Konsumenten ist die Motivation weiter zu machen, obwohl die gesetzlichen Vorgaben und Hürden von Jahr zu Jahr zunehmen.
Die Anliegen der Tiroler Direktvermarkter werden im Verband gebündelt und vehement vertreten. Wir, als der Verein der Direktvermarkter, möchten zukünftig noch mehr als Bindeglied zwischen Behörden und Lebensmittelerzeuger auftreten und die Betriebe bestmöglich bei allfälligen Kontrollen begleiten.
- Bildquellen -
- Hofladen 14 ID79841 (1): agrarfoto.com