Abenteuer Auslandspraktikum in Norwegen

Die beiden 17-jährigen Mädchen Julia Feyersinger aus Söll und Viktoria Strickner aus Nößlach haben im Rahmen ihrer Ausbildung an der HBLA Ursprung beschlossen, ihr Pflichtpraktikum in Norwegen zu absolvieren.

Ungewohnter Anblick - Grauvieh in der Fjordlandschaft in Norwegen mit GPS-Bänder für Weidelenkung ohne Zaunbau.

Die beiden 17-jährigen Mädchen Julia Feyersinger aus Söll und Viktoria Strickner aus Nößlach haben im Rahmen ihrer Ausbildung an der HBLA Ursprung beschlossen, ihr Pflichtpraktikum in Norwegen zu absolvieren. Nach einem unerwünschten Zwischenstopp auf einem Ziegenmilchbetrieb nördlich von Lillehammer führte sie das Schicksal schlussendlich auf zwei Betriebe rund 200 Kilometer nördlich von Stavanger am äußersten Landzipfel zwischen dem Sauda- und Hylsfjord in die Gemeinde Suldal. 4.000 Einwohner zählt Suldal. Die Bevölkerungsdichte von 2 Einwohnern je Quadratkilometer ist gewöhnungsbedürftig. Trotzdem gehört Suldal zu den größten Energieproduzenten Norwegens. In der Landwirtschaft sind besonders die Rinder- und Schafhaltung von größerer Bedeutung. Des weiteren wird Obst angebaut, wobei besonders Pflaumen verbreitet sind. Beachtenswert ist zudem auch die Forstwirtschaft. Eine besonders große Bedeutung für Norwegen generell hat die Fischindustrie. So ist das Land der weltgrößte Exporteur von Zuchtlachs.

Quelle: Christian Moser
Grauvieh ist aktuell eine der populärsten Mutterkuhrassen in Norwegen.

Nun, genau dorthin verschlug es die beiden Tiroler Mädchen zu den beiden benachbarten Familien von Stein Olav Fattnes mit seiner Frau Ingvild Hovind und Johannes Fattnes mit seiner Frau Helene Sejersted Bødtker. Ein wahrer Glücksgriff, wie sich herausgestellt hat. Wie beide – Julia und Viktoria – anmerken, wurden sie mit offenen Armen bei den Familien empfangen. Man hat quasi Familienanschluss. Täglich haben die beiden Mädchen zudem die Möglichkeit, Neues zu Lernen und Aufgaben zu lösen. Beide Familien geben ihnen dabei viel Vertrauen. Julia und Viktoria gehören fast schon zur Familie. Sehr unterschiedlich sind die Betriebe aufgestellt bzw. organisiert in der Viehzucht. Während Stein Olav und Ingvild Mutterkuhhaltung mit 16 Grauviehkühen betreiben werden bei Johannes und Helene 40 Jerseykühe mit Melkroboter gemolken.

Grauvieh ist eine der populärsten Mutterkuhrassen in Norwegen

Die Grauviehzucht begannen Stein Olav Fattnes und Ingvild Hovind vor rund 20 Jahren. Am Beginn wurde aus Österreich importiertes Grauviehsperma auf Norwegischem Rotvieh eingekreuzt. Norwegisches Rotvieh ist die weit verbreitete typische Zweinutzungsrasse in Norwegen für Milch und Fleisch. Mittlerweile ist man bereits in der vierten bis fünften Generation Einkreuzung von Grauvieh und damit in der Reinzucht. Aktuell ist Grauvieh einer der populärsten Mutterkuhrassen in Norwegen mit fast 3.000 Grauviehkühen. Die männlichen Tiere werden im Alter von rund 8 Monaten zu einem Durchschnittspreis von 1.000 € an einen Mäster weiterverkauft, wo sie dann mit 15 Monaten geschlachtet werden.

Seit einem Jahr ist der Betrieb ein Projektbetrieb für ein virtuelles Zaunsystem, wo Tiere mittels GPS-Halsbänder und einer App gesteuert die Koppeln für die Beweidung ohne Zaunbau zugewiesen bekommen. Erste Ergebnisse lassen hier für die Zukunft weitere Entwicklungsschritte erwarten im Weidemanagement gerade auch unter den Aspekten Zeitmanagement, Arbeitskräftemangel und Kosteneinsparung. Rund fünf Monate Weide sind in dieser Gegend möglich. Die restliche Zeit verbringen die Tiere in Anbindehaltung im Stall während die Kälber freilaufen können. Aufgrund der hohen Aufzuchtkosten verfolgt man in Norwegen das Ziel das Erstkalbealter möglichst niedrig zu halten. So ist das Erstkalbealter, wie auch bei anderen Rassen, bei Grauvieh knapp über 2 Jahre.

Quelle: Christian Moser
Die beiden Betriebe liegen im kleinen Weiler Fattnessvegen mit nur wenigen Einwohnern.

Vielfältige Tätigkeiten

Neben der Grauviehzucht mit rund 40 Rindern hält man auch noch rund 70 Mutterschafe. Fast die gesamte Schafherde verbringt den Sommer auf der Alm. Vermarktet werden die Lämmer über die Norwegische Lebensmittelstiftung. Diese ist eine unabhängige Stiftung, die zu mehr Vielfalt, Qualität und Wertschöpfung in der norwegischen Lebensmittelproduktion beiträgt. Ein sehr wichtiger Bereich für Stein Olav und Ingvild ist die Forstwirtschaft. Ein eigenes Sägewerk sorgt am Betrieb für ein Zusatzeinkommen. Über 100 ha Wald werden bewirtschaftet. Zudem schleift bzw. repariert Stein Olav Sägeblätter und gebrochene Zähne. Ihr Hobby zum Beruf machte Ingvild. Seit einigen Jahren betreibt sie eine eigene Hofbäckerei, wo sie traditionelle norwegische Brotarten mit ausgesuchten Getreidesorten herstellt.

Quelle: Christian Moser
Die beiden Familien – Stein Olav Fattnes mit seiner Frau Ingvild Hovind links und Johannes Fattnes mit seiner Frau Helene Sejersted Bødtker (rechts) – mit ihren beiden Praktikantinnen Julia Feyersinger (links) und Viktoria Strickner.

Kaum zweihundert Meter Luftlinie entfernt liegt der zweite Praktikumsbetrieb von Julia und Viktoria. Auf dem Hof von Johannes Fattnes und Helene Sejersted Bødtker werden 40 Jerseykühe gemolken. Rund 250.000 kg Milch mit 5,8 % Fett und 4,2 % Eiweiß werden abgeliefert mit einem Preis von 65 Cent. In Norwegen gibt es noch das Quotensystem. Aus diesem Grund melkt der Betrieb heuer auch noch einige Norwegische Rotviehkühe, weil die gesamte Quote heuer in Norwegen nicht ausgenutzt wird. Der Betrieb ist auch ein bekannter Jerseyzuchtbetrieb. Sämtliche Tiere werden SNP-typisiert. Wie auch beim Grauviehbetrieb bei Ingvild, so liegt die züchterische Arbeit hier ebenfalls in weiblicher Hand bei Helene. Aktuell steht eine der am international höchst getesteten Jerseykalbinnen (VJ Giga x VJ Hamlet) am Betrieb. Generell setzt der Betrieb dänische Jerseygenetik ein. Der Betrieb war zudem auch Exkursionsziel der heurigen Jerseyweltkonferenz. Während der Sommermonate haben die Jerseykühe laufend Zugang zur Weide. Das Jungvieh ist den gesamten Sommer auf der Weide. Mit dem eingesetzten Brunsterkennungssystem Sensehub ist man sehr zufrieden. Die Kalbinnen werden belegt ab einer Kreuzhöhe von 115 cm bei entsprechend guter Entwicklung. In der Kälberaufzucht wird versucht, diese Entwicklung gleich früh zu fördern mit hohen Milchgaben von 10 Liter täglich. Den Kühen gibt man ausreichend Zeit zwischen den Abkalbungen zur Erholung und nutzt eine möglichst lange hohe Milchleistung.

Quelle: Christian Moser
Julia und Viktoria mit der Mutter (VJ Hamlet) der hoch genomisch typisierten VJ Giga-Tochter.

Helene ist ausgebildete Tierärztin und arbeitete in den vergangenen Jahren für die größte Molkerei des Landes Tine in der Beratung für Tiergesundheit und zur Qualitätssicherung. Heuer erfüllte sie sich ihren großen Lebenswunsch mit der Eröffnung ihrer Gesundheitspraxis im rund 30 Kilometer entfernten Sauda mit Akkupunktur und Hypnotherapie. An Tine wird auch die Milch vom Betrieb geliefert. Ein sehr prominenter Werbebotschafter für Trinkmilch aus Norwegen ist der aktuelle Teamkapitän der norwegischen Fussballmannschaft und Arsenal-Premierleague-Star Martin Ødegaard.

Quelle: Christian Moser
Der bekannte Fussballstar Martin Ödegaard wirbt für norwegische Trinkmilch.

Zweites Standbein

Seit 2011 melkt am Betrieb ein Roboter. Diese Investition war für Johannes eine der Besten. Dadurch bleibt Zeit für das zweite große Standbein am Betrieb. Rund 7.500 Legehennen in konventioneller Bodenhaltung legen täglich über 7.000 Eier. Dies entspricht einer Legeleistung von über 90 %. Einmal wöchentlich werden die rund 50.000 Eier von einer bäuerlichen Genossenschaft abgeholt. Mit rund 16 Wochen wird eingestallt. Bis zu einem Alter von 85 Wochen bleiben die Hühner am Betrieb. Wie auch der Nachbarbetrieb bewirtschaften Johannes und Helene über 100 ha Wald.

Quelle: Christian Moser
Über 7.000 Eier werden täglich gelegt.

Eine besondere Herausforderung für beide Betriebe ist die Bewirtschaftung der Feldfutterflächen. 10 bzw. 25 ha werden gemäht, die restlichen Flächen geweidet. Die Betriebe liegen auf nur 180 Meter Seehöhe. Trotzdem können die Winter sehr kalt werden mit großen Schneemengen. Über 2.000 Millimeter Niederschläge werden jährlich verzeichnet. Im Normalfall sind zwei Schnitte möglich. Vergangenes Jahr und eventuell heuer könnte ein dritter Schnitt möglich sein. In der Feldbearbeitung sind wegen der Nässe leichte Maschinen und Geräte notwendig. Das gesamte Futter wird als Silage geerntet. Heu wäre unmöglich, da es fast jeden Tag mindestens einmal regnet. Wie Julia und Viktoria zusammenfassend anmerken, sind neben dem vielen Regen auch die langen Tage gewöhnungsbedürftig. So ist es um 24.00 Uhr noch hell. Damit abfinden muss man sich auch, dass die nächste Lokalität bzw. Disco nicht gleich, sowie bei uns gewohnt, um die Ecke liegt. Trotzdem wird es den beiden nicht langweilig. Darum kümmern sich schon ihre Familien, die Julia und Viktoria fest in ihr Herz geschlossen haben. Bis spätestens 20. September möchten die Mädchen wieder zu Hause sein in Tirol. Da will man dann die Almabtriebe zu Hause und die restlichen Ferien noch bis zum Schulbeginn genießen.

Quelle: Christian Moser
Die Bearbeitung der Felder ist aufgrund der hohen Niederschlagsmenge eine Herausforderung.

- Bildquellen -

  • 1b Grauviehmutterkuh: Christian Moser
  • 2 Fattnessvegen: Christian Moser
  • 5 Familien Praktikanten: Christian Moser
  • 3 Mutter Beste Kalbin: Christian Moser
  • 6 Odegaard: Christian Moser
  • 4 7000 Eier: Christian Moser
  • 7 Challenge Felder: Christian Moser
  • 1a Grauvieh Fjord: Christian Moser
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AUTORChristian Moser
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