Das zunehmend aus den Fugen geratende Klima sowie internationale Verpflichtungen zwingen zum raschen Absenken der CO2-Emissionen. Im Pkw-Bereich galt hier lange der E-Antrieb als probate Wahl. Die Front gegen Verbrenner in der EU ist jedoch brüchig, nicht-fossile Alternativen wie etwa E-Fuels werden für die Motoren propagiert. Stephan Schwarzer, Generalsekretär der eFuel Alliance Österreich, beantwortet Fragen der BauernZeitung zu diesen mit elektrischer Energie erzeugten und kontroversiell diskutierten Treibstoffen.
BauernZeitung: In der EU soll die Zulassung von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen ab 2035 strengeren Regeln unterliegen: Neuwagen dürfen keine zusätzlichen Treibhausgase ausstoßen. Allerdings soll es auch nach 2035 möglich sein, Verbrenner-Autos für CO2-neutrale E-Fuels neu zuzulassen. Wie genau wird diese Regel aussehen? Und wie fix ist diese Ausnahme?
Schwarzer: Dem Grunde nach ist die Gleichstellung der E-Fuels mit dem E-Antrieb politisch vereinbart. Bisher hat die EU-Kommission dazu aber noch keinen Rechtsakt vorgeschlagen, was der erste Schritt zur Umsetzung sein müsste. Was wir von der Kommission bisher gesehen haben, widerspricht dem Geist der Vereinbarung. Aktuell ist der Weg zur Inanspruchnahme der Ausnahme mit unüberwindbaren Hindernissen gespickt. So wird verlangt, dass in der gesamten Lieferkette kein CO2 emittiert werden darf. Gäbe es diese Voraussetzung auch für E-Autos, dürfte kein einziges fahren. Der Nebel wird sich erst nach der Europawahl lichten. Schade, denn das bedeutet wieder einmal Tempoverlust.
Wie schaut es mit Biokraftstoffen aus? Können mit Biokraftstoffen betankte Autos nach 2035 in der EU neu zugelassen werden?
Leider hat man die Tür nur für die E-Fuels offen gelassen, was die Annahme untermauert, dass hier viel Ideologie im Spiel ist. Technologieoffenheit, wie sie Wissenschaft und Wirtschaft immer wieder fordern, soll für Biofuels genauso gelten wie für E-Fuels, HVO und Hybride. Doch es gibt Hoffnung: Zuletzt pochte das Europäische Parlament darauf, alle Lösungen zuzulassen, bei denen das fossile CO2 wegbleibt, da wären dann Biokraftstoffe auch mit dabei.
Im März hat das EU-Parlament einem Vorschlag der Kommission zugestimmt, der vorsieht, dass Elektroautos nicht mehr automatisch als klimaneutrale Fahrzeuge gelten. Das scheint berechtigt. In der EU kommt derzeit deutlich weniger als die Hälfte des elektrischen Stroms aus erneuerbaren Energiequellen. Das Problem des nachhaltig produzierten Stroms betrifft aber auch E-Fuels. Woher soll der Strom kommen? Vor allem hierzulande im Winter und bei Windstille?
E-Fuels werden das Problem der Stromengpässe, in die wir hineinlaufen, nicht verschärfen, denn sie kommen aus anderen Weltregionen, wo gigantische Ökostrompotenziale brachliegen. Sie sind ein idealer Energiespeicher und haben somit gegenüber der reinen E-Mobilität einen entscheidenden Vorteil: Sie müssen nicht vor Ort gleichzeitig produziert werden, sondern können dort hergestellt werden, wo es ausreichend erneuerbare Energie aus Sonne und Wind gibt. Weltweit wurden rund hundert Länder, darunter Chile, Mexiko, Kanada, Namibia, Marokko, Indien, Indonesien und Australien, identifiziert, die sich perfekt für eine kostengünstige und energieeffiziente E-Fuels-Produktion eignen. Das ist von entscheidender Bedeutung, da Europa auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein wird, den Bedarf an erneuerbarer Energie aus eigener Produktion zu decken. Autos, die mit E-Fuels betankt werden, nehmen in Europa niemandem den knappen österreichischen Ökostrom weg, im Gegenteil, sie entlasten den Stromsektor.
E-Motoren haben einige bestechende Vorteile: Sie verursachen im Unterschied zum klassichen Verbrenner keine Emissionen wie etwa Feinstaub oder Kohlendioxid, was gut für Gesundheit und Klima ist, und haben einen deutlich höheren Wirkungsgrad. Was spricht für Verbrenner und E-Fuels, wenn es um das Auto geht? Sollte man E-Fuels nicht besser für Bereiche verwenden, wo andere Antriebe an ihre Grenzen stoßen: etwa im Flugverkehr und in der Schifffahrt?
Die Partikel- und Stickoxid-Emissionen sind mit Euro 7 de facto kaum noch wahrnehmbar. Leider sind rund um E-Autos und Verbrenner viele Mythen im Umlauf, die einem Faktencheck nicht standhalten. Bei den E-Autos fällt der ökologische Fußabdruck bei der Produktion der Batterie in China, bei der Lithiumgewinnung in Südamerika und der Stromerzeugung in Kohlekraftwerken eines Nachbarlandes an. Wir verlagern das Problem also nur auf die andere Seite des Erdballs oder jenseits der Staatsgrenze. Wichtigstes Faktum aber ist: Die Sonne schickt uns 20.000 Mal so viel Energie, wie die Menschheit insgesamt benötigt. Diese Energie schicken wir derzeit zurück, Wirkungsgrad null. Man muss nicht einmal ein Zehntelpromille davon ernten und in „green liquids“ speichern, um alle fossilen CO2-Emissionen zu beenden. E-Fuels tragen zu einer raschen Klimawende bei, wenn sie überall eingesetzt werden, wo heute fossile Treibstoffe gängig sind. Die Landwirtschaft ist dafür ein hervorragendes Beispiel.
Das Hauptargument der E-Fuels-Kritiker sind die hohen Energieverluste. Inklusive Gewinnung von Kohlenstoffdioxid aus der Luft sollen bei der Herstellung von E-Fuels etwa 60 Prozent der ursprünglich im Strom vorhandenen Energie verloren gehen, bei der Verbrennung im Motor werden die Verluste auf 70 Prozent geschätzt. Letztlich werden also nur rund 10 bis 15 Prozent der Energie in die Bewegung des Autos umgesetzt. Was halten Sie dagegen?
Bei diesen Berechnungen muss man das Kleingedruckte ganz genau ansehen. Es ist kein Geheimnis, dass die Ökostromproduktion in Mitteleuropa nicht wirklich effizient ist – Stichwort: Dunkelflaute, das wird schon einmal ausgeblendet. Hinzu kommen Leitungs- und Speicherverluste, die in der Effizienzdarstellung von E-Autos schlichtweg ignoriert werden.
Außerdem müssen E-Autos aufgrund der schweren Batterie mehr Gewicht transportieren. Bei einem fairen Vergleich müsste das alles berücksichtigt werden. Moderne Verbrennungsmotoren weisen eine Energieeffizienz von 40 bis 50 Prozent auf. Und dann müssen wir neben der Effizienz bei der Anwendung auch auf die Effizienz in der Produktion schauen. An den optimalen Standorten steigt die Effizienz der Stromgewinnung für E-Fuels auf das Vierfache, weil das Windkraftwerk viel mehr Volllaststunden hat. Summa summarum ist das E-Fuel-Auto gleich effizient wie das Stromauto.
Wie schaut es wirtschaftlich aus? Was kostet ein Liter E-Fuel derzeit?
Aufgrund der schlechten rechtlichen Rahmenbedingungen in Europa – die Europäische Kommission ist seit Ausrufung des Green Deals 2019 nicht imstande, praktikabel zu definieren, was „grüner Wasserstoff ist“ – befindet sich die E-Fuels-Produktion noch in einem fortgeschrittenen Teststadium und es gibt noch keine Marktpreise. Prognosen gehen davon aus, dass die Produktionskosten bei großen Mengen rasch auf unter zwei Euro pro Liter sinken werden. Die progressivsten Szenarien weisen eine Range von 70 bis 80 Cent aus. Spannend ist aber vor allem die andere Seite der Medaille: Dass Ladestrom deutlich teurer werden wird, ist für mich so sicher wie das Amen im Gebet. Wer ein E-Auto kaufen will, weil es vermeintlich billiger kommt, sollte sich das gut überlegen.
In Österreich gibt der Sektor rund ums Auto rund 350.000 Personen Arbeit, der Betrag zur Bruttowertschöpfung soll bei 8,4 Prozent liegen. Deutschland gilt gar als der drittgrößte Pkw-Produzent der Welt. E-Auto-Skeptiker in Europa verwenden diese wirtschaftliche Bedeutung als Argument gegen eine Mobilitätswende. Könnte der Sektor in Sachen E-Fahrzeuge nicht genauso erfolgreich sein?
China baut Batterien besser und billiger als wir in Europa. Und es hat sich rund um den Globus die Rohstoffe gesichert. Die europäische Automobilindustrie wurde von der Politik in die Ecke „electric only“ gedrängt, die ersten haben diese Ecke aber bereits verlassen. Die Abhängigkeit von China ist bei den Rohstoffen laut Internationaler Energieagentur und Europäischer Kommission noch höher als jene, die wir bei Erdgas aus Russland schmerzlich erfahren haben. Asiatische Automobilproduzenten werden österreichische Zulieferbetriebe weniger beschäftigen als europäische Hersteller. Was tut Österreich: Es fördert Elon Musk, der in China produzieren lässt, denn Tesla ist die Nummer eins bei den E-Neuwagen, mit unserem Steuergeld. In Österreich gehen bereits Tausende Arbeitsplätze verloren.
Quelle: Weinwurm FotografieZur Person: Mag. Dr. Stephan Schwarzer, langjähriger Leiter der Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik in der WK Österreich, lehrt und forscht an der WU Wien mit Schwerpunkt „Energiewenderecht“ und ist Generalsekretär der eFuel Alliance Österreich. Diese branchenübergreifende Interessengemeinschaft setzt sich für die industrielle Produktion von synthetischen flüssigen Kraft- und Brennstoffen aus erneuerbaren Energien ein.
E-Fuels: Als E-Fuel („Electrofuel “) werden im engeren Sinn synthetische Kraftstoffe in Form von Kohlenwasserstoffen bezeichnet, die mittels elektrischer Energie aus Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO2) hergestellt werden. E-Fuels können aber auch kohlenstofffrei sein, wie etwa Wasserstoff oder Ammoniak.
In einem ersten Schritt wird bei der Herstellung Wasser mittels Elektrolyse in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. In einem zweiten kann der Wasserstoff etwa mit aus der Luft gewonnenem CO2 mit der Fischer-Tropsch-Synthese zu einem flüssigen Energieträger umgewandelt werden. Unter hohem Druck und mittels Katalysator verbindet sich dabei der Wasserstoff mit dem CO2 zu einem Kohlenwasserstoff.
Durch die Nutzung von Strom bei der Herstellung spricht man von einem „Power-to-Liquid“-Verfahren: Strom wird also zu einer synthetischen Flüssigkeit umgewandelt, die technisch leicht speicher- und lagerbar ist und sich bequem transportieren lässt.
„Dieses gewonnene eFuel ist nach Aufbereitung in Raffinerien als eBenzin, eDiesel, eHeizöl und eKerosin nutzbar und kann herkömmliche Kraft- und Brennstoffe vollständig ersetzen.
Durch ihre Drop-in-Fähigkeit können E-Fuels herkömmlichen Kraft- und Brennstoffen außerdem in jedem beliebigen Verhältnis beigemischt werden. Bestehende Infrastruktur vom Tanklager über Tankwagen und Pipelines bis Tankstellen kann weiter genutzt werden“, weiß man bei der eFuel Alliance Österreich.
Die Klimaneutralität von E-Fuels rührt daher, dass bei deren Herstellung Strom aus erneuerbaren Energien verwendet wird und bei deren Verbrennung nur so viel CO2 entsteht, wie vorher bei der Produktion gebunden wurde.
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