In Europa wurden schon vor Jahrhunderten Wege in Wäldern angelegt, einerseits um Orte miteinander zu verbinden oder um über diese Holz zu ernten und abzutransportieren. Seit dem 15. Jahrhundert steht der Begriff „Holzweg“ auch als Synonym für Irrweg. Im fernen Japan dagegen gelten die Wälder seit jeher als Sitz von Gottheiten. Ein Sprichwort im fernöstlichen Kaiserreich besagt: „In jedem Baum gibt es einen Gott.“ Deshalb meiden die meisten der rund 123 Millionen überwiegend im urbanen Raum lebenden Japaner ihre Forste bis heute. Viele fürchten sich sogar, in den Wald zu gehen.

Japans Waldwirtschaft selbst hat keine lange Tradition. In großem Stil aufgeforstet wird erst seit wenigen Jahrzehnten, ältere gepflanzte Wälder gibt es kaum. Für die überwiegend auf steilen Berghängen liegenden Forstflächen fehlt es in Japan zudem an einer ausreichenden Erschließung (eben mit Rücke- oder Holzwegen) sowie an modernen wie kostengünstigen Ernte-, Rücke- und Transporttechniken, aber auch an einer auf diese Verhältnisse eingestellten modernen Holzindustrie sowie einem gut entwickelten Holzmarkt für Rundholz. Und es mangelt in dem Inselstaat nach wie vor oft an zeitgemäßer fachlicher wie praktischer Ausbildung. Vielen jungen Japanern gilt eine solche als zu mühsam und finanziell wenig attraktiv. 

Gute Verbindungen seit 150 Jahren

Gemeinsam mit Österreich wollen die Japaner dennoch ihre Holzwege ausbauen. Bei seinem Arbeitsbesuch Ende Februar in Japan hat sich Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig mit seinem Amtskollegen aus Nippon, Tetsushi Sakamoto, mit der Unterzeichnung eines „Memorandum of Understanding“ auf die verstärkte Zusammenarbeit beider Länder in der Forst- und Holzwirtschaft verständigt. Österreich hat nämlich in Sachen Forstexpertise in Japan seit gut 150 Jahren einen besonders guten Ruf. 1873 nahm das bis dahin völlig abgeschottete Japan erstmals überhaupt in Wien an einer Weltausstellung teil. Basierend auf den dort geknüpften Kontakten mit den k. u. k. Behörden und der damals noch jungen Hochschule (und heutigen Universität) für Bodenkultur übernahm Japan 1897 aus Österreich auch Anleihen für sein eigenes Forstgesetz.

Quelle: BML/Gröber
„MoU“-Unterzeichnung: N. Totschnig, T. Sakamoto.

So erinnerten Jun Fukuda von der japanischen Forstagentur wie auch Norbert Totschnig beim Österreichisch-Japanischen Forst-Forum in Tokio (und tags darauf auch in Kyoto) an die lange währende Zusammenarbeit beider Länder im Forstbereich. Totschnig: „Uns verbindet durch den hohen Waldanteil in beiden Ländern und die geografische Besonderheit ihrer Gebirge ein starkes Band. Der Expertenaustausch hat eine lange Tradition, vor allem im Bereich Naturgefahren.“ Gemeinsam mit Japan wolle Österreich nach neuen Wegen und innovativen Lösungen in der Forst- und Holzwirtschaft suchen. „Denn eine aktive,
nachhaltige Waldbewirtschaftung ist die Grundlage zur Erfüllung der zahlreichen Wirkungen und Leistungen des Waldes für die Gesellschaft und die Umwelt.“ 

Größter Holzimporteur der Welt 

Neben Wissenstransfer und Austausch von Know-how etwa in Sachen Aus- und Weiterbildung gehe es auch um Holzbau sowie den Einsatz von Maschinen und Techniken für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung. Der Großteil der japanischen Wald-flächen ist bisher ungenutzt. Japan importiert über 70 Prozent seines Holzbedarfs – und ist so der größte Holzimporteur der Welt. Erst nach dem schweren Seebeben samt Tsunami und damit verbunden der Atomkraftwerk-Katastrophe in Fukushima vor 13 Jahren haben die Nutzung des Waldes und generell die Forst- und Holzwirtschaft wie auch die Biomasse einen Bedeutungsschub erfahren. Dieser Trend habe sich laut Fukuda in den vergangenen Jahren weiter verstärkt und um Fragen des Holzbaus erweitert. 

Deshalb nutzten auch rund ein Dutzend Firmen aus Österreich wie ETA Heiztechnik, Konrad Forsttechnik, die Lieco-Forstpflanzen-Sparte der Liechtensteins, die MM-Forsttechnik der Mayr-Melnhofs, Pfanner-Schutzbekleidung oder Rubner-Holzbau die beiden Forst-Foren samt Ministerbesuch in Japan (sowie einige von ihnen wenige Tage später auch in Chinas Hauptstadt Peking), um ihre Maschinen und Geräte etwa rund um die Seilbergung von Holzstämmen sowie Techniken, Produkte und Systeme von Aufforstung über Ernte bis Holzarchitektur anzupreisen. Abteilungsleiter Martin Nöbauer aus dem Forstministerium in Wien weiß: „Österreichische Unternehmen mit Expertise in der Gebirgsforstwirtschaft und in innovativer Forsttechnik sind für Japan sehr wichtig. Japanische Forst-Kollegen lieben unsere Forsttechnik!“ 

Laut Wirtschaftskammer Österreich sind 80 österreichische Firmen der Forst- und Holzwirtschaft und der Bioenergie in Japan durch Repräsentanzen oder Niederlassungen tätig. Österreichs größte Exporteure von Holz- und Holzprodukten nach Japan sind HS Timber, Stora Enso Österreich, Binderholz und Hasslacher Norica Timber.

Totschnig war übrigens nicht der erste Forstminister aus Österreich, der Japan be-reist hat. So war 2011 auch Nikolaus Berlakovich in Fernost, gefolgt 2015 von seinem Nachfolger Andrä Rupprechter. Der war mit einer Exportinitiative für Rind- und Schweinefleisch, Fruchtsäfte und Wein in Tokio und mit den Themen Biomasse, Erneuerbare Energien, Forst- und Holz sowie Ländliche Entwicklung in Nagano zu Gast. Auf diesen beiden Besuchen bauen der Austausch der Klagenfurter Holzmesse mit Japanern sowie die ersten Forst- und Holzmesse im großen Stil samt Maschinenvorführungen namens „Forestrise“ in Nagano 2017 und 2019 auf. Diese findet nun jährlich im größten Messezentrum Tokios statt.

Quelle: rudiuk - stock.adobe.com
Mystischer Wald: „In jedem Baum sitzt ein Gott.“

Forstliche Ausbildung 

Weiters besteht zwischen der Präfektur Nagano und dem Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) eine Kooperation. Und seit 2012 wurden durch die Forstlichen Ausbildungsstätten Ossiach und Pichl erfolgreiche Forst-Programme mit Nippon etabliert und hierzulande Dutzende japanische Forstarbeiter in Sachen Sicherheit bei der Forstarbeit, Seilkrantechnik, Pflanzgutproduktion, Forststraßenbau, Holzbauarchitektur sowie Biomassenutzung geschult. Selbst während der Pandemie, als keine physischen Seminare durchgeführt werden konnten, wurde diese Kooperation mit Online-Tagesseminaren weitergeführt. „Die Zusammenarbeit zwischen Österreich und Japan beim Schutz vor Naturgefahren, insbesondere bezogen auf die Wildbach- und Lawinenverbauung, ist sogar seit mehr als 100 Jahren aufrecht“, betonte Totschnig gegenüber den Japanern.

Neben dem Bau auch von mittleren und hohen Gebäuden in Holzbauweise, die in Japan dank eines neuen Gesetzes allmählich zunehmen und den Holzbauanteil von derzeit 18 auf 29 Prozent steigern soll, sehen Unternehmen aus Österreich in Nippon auch enormes Potenzial für dezentrale (kommunale) Biomassekraftwerke zur Energieversorgung. Und eben, wie eingangs erwähnt, für den avisierten Ausbau der Holzwege von aktuell 82.000 auf mehr als 200.000 Kilometer. Damit alsbald noch mehr Harvester und Fowarder, deren Anzahl sich in Japan im vergangenen Jahrzehnt verdoppelt hat, zur Holzernte ausrücken können.

Kein Japan-Zimmer ohne Maruta-Stamm 

Nahe der alten Kaiserstadt Kyoto informierte sich Totschnig über eine ganz besondere Form der Holzproduktion und Verarbeitung. In Kitayama werden seit 500 Jahren Stämme von Japan-Zedern gewonnen und in Tokonoma-Nischen eingebaut – das sind Räume in traditionellem Japan-Interieur. Die entrindeten Stämme sind aufgrund der Zedernarten, des Klimas und vor allem der vielen Techniken rund um Aufzucht, Ernte und Trocknung die begehrtesten und auch teuersten in Japan.

Quelle: Weber
Kerzengerades Zedernholz für Maruta-Stämme

Die zur Gewinnung der „Maruta“-Stämme kerzengerade herangezogenen „Sugi“-Bäume werden oft über Jahrzehnte hinweg sorgfältig beschnitten und gepflegt, um einen Stamm ohne sichtbare Äste zu erhalten. Normalerweise hat dieser eine glatte Oberfläche, aber einige seltene Exemplare (einer unter 10.000) natürlicherweise auch eine geheimnisvoll gemaserte, gerippte Oberfläche, genannt „Shibori“. Für die manuell erzeugte Shibori-Technik werden über zwei bis drei Jahre Formstücke an der Rinde fixiert, um den Baum vor der Ernte zu quälen und zu quetschen. Aus je rund zehn Meter hohem Sugi-Baum werden drei Stamm-Stücke gewonnen. 

Quelle: Weber
Spezielle Technik für gerippte Shibori-Maserung

Im Lagerhaus einer Forstkooperative inspizierte Totschnig Maruta-Stämme, für die umgerechnet 2.000 Euro und mehr bezahlt werden, sowie daneben eine fast mystisch wirkende Zedernholz-Plantage. Der Basis-Stamm solcher Bäume, aus dem bis zu zehn kleine Zedernstangen gezogen werden, kann übrigens bis zu 400 Jahre alt werden. Die ebenfalls glatten Stangen werden im Dach- und Deckenbau eingesetzt.

Quelle: Weber
Staunen über teures Design-Holz aus Japan-Zeder

Compliance-Hinweis: 
Die angefallenen Reisekosten der BauernZeitung wurden teilweise vom Landwirtschaftsministerium getragen.

- Bildquellen -

  • Totschnig, Sakamoto: BML/Gröber
  • Old Japanese Pagoda In The Forest (Nikko): rudiuk - stock.adobe.com
  • Zedern: Weber
  • Shibori-Maserung: Weber
  • Totschnig: Weber
  • Waldarbeit: Shindaiwa
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AUTORRed. BW
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