Über die Vernunft

Kommentar von Prof. Hubert Wachter,
Publizist.

 

Wenn Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, der Tiroler, nicht geflunkert, sondern absichtlich längst fixierten politischen Klartext gesprochen hat, dann wählt Österreich tatsächlich erst am 29. September seinen nächsten Nationalrat. Für einen Jung-Minister (seit Mai 2022 im Amt) ganz schön mutig, so offen geplaudert zu haben angesichts gewichtiger Stimmen selbst in der ÖVP, eigentlich sehr viel rascher wählen zu wollen …

Wie auch immer – wenn der 29.9. „hält”, wird Österreich mehr als spannenden Regierungsverhandlungen entgegensehen. Weil die Ausgangslage, siehe Umfragen, für die folgende Koalitionsbildung heftig und komplex erscheint: Variante 1: Herbert Kickls FPÖ bringt ihre vorausgesagten 30 Prozent oder mehr an Wählerstimmen ins Ziel – dann wird sie ihren Chef kaum opfern. Gerede der ÖVP indes, „niemals” mit der Person Kickl zu koalieren, aber vielleicht mit einer FPÖ ohne ihn schon, klingt hohl. Zumal: Solcherart Kickls vermutliche Million oder mehr an Wählern zu düpieren, wäre fatal. Also: Blau-Schwarz. 

Variante 2: Eine Regierung jenseits der FPÖ zu bilden ist nur möglich, wenn Kickls Partie deutlich unter 30 Prozent bliebe, hingegen SPÖ und ÖVP mit je 22/23 Prozent an Stimmen ins Ziel kämen. Das ergäbe mit etwa plus 10 Neos-Prozenten eine kommode Mehrheit für eine „Ampelregierung” mit 54/56 Prozent. Fazit: Von Österreichs Parteien wird in so unruhigen Zeiten wie derzeit ein erhebliches Maß an Vernunft und vor allem ehrlich-aufrichtiger Respekt voreinander nötig sein. P.S.: Dieser Kommentar wurde vor dem „politischen Aschermittwoch“ verfasst.

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