Viel zu viele Kartoffeln wandern in die Tonne

Bis zu 70 Prozent Abfall und niemanden kümmert es. Diesen Eindruck haben Kartoffelbauern, wenn es um das Thema Aussortierungen geht. Um mehr Produktionssicherheit für die Landwirte zu schaffen, plädiert man in der Branche für verbesserte Vermarktungsstrategien.

Durch das Verbot wirksamer Pflanzenschutzmittel stellen Drahtwurmschäden den Kartoffelanbau in wichigen Regionen infrage.

Zehn Kisten geliefert aber nur für sechs gibt es Geld. Und selbst für diese wurde der Auszahlungspreis noch gemindert. Solche frustrierenden Szenarien sind für die heimischen Kartoffelbauern an der Tagesordnung. In den Medien diskutieren Fachleute von Boku bis zum WWF zwar intensiv über Lebensmittelverschwendung, den Verlusten am Acker bzw. in der Aufbereitung schenkt man demgegenüber viel zu wenig Aufmerksamkeit.

Pflanzenschutzverbote

In den heimischen Kartoffelbauregionen ist die Misere bereits seit Jahren akut und verschärft sich von Saison zu Saison. Mit Abstand die größte Ursache sind Drahtwurmschäden, die seit dem Verbot der Insektizide Goldor Bait (Fipronil) und Mocap (Ethoprophos) überhand nehmen. Die Differenz zwischen Erntemenge und vermarktungsfähiger Ware wird seither laufend größer und hat regional eine Größenordnung von 40 bis 70 Prozent erreicht.
Laut Martin Schildböck von der LK Niederösterreich ist die Situation im Land unter der Enns bei Ware der Ernte 2023 zwar besser als 2022 aber angesichts der ohnehin geringen Erträge immer noch alarmierend. Lagen die Verlusten an Speiseware zuvor bei 40 bis 50 Prozent so sei die aktuelle Ernte mit Absortierungen von etwa 30 bis 35 Prozent belastet. Davon entfallen etwa 20 Prozent auf Drahtwurmschäden und der übrige Teil auf die üblichen Lagermängel. Ähnlich hoch sind heuer auch die Absortierungen in Oberösterreich. Laut Manfred Schauer, Geschäftsführer der „Eferdinger Landl Erdäpfel“, ist hier der Anteil der Drahtwurmschäden etwas geringer, aber dennoch der Hauptfaktor der Qualitätsprobleme.

Drahtwurm und grüne Knollen als Probleme

Quelle: LAPRO
Lapro-Geschäftsführer Christian Burger: “Drahtwurm und Reifeförderung sind die Hauptprobleme.”

Christian Burger, Geschäftsführer der Landesprodukten Handelsgesellschaft (Lapro), einer der bedeutendsten Kartoffelaufkäufer in Niederösterreich, berichtet von Absortierungen in der Spanweite von zehn bis 70 Prozent Häufig seien die Ausfälle dort hoch, wo auch die Erträge niedrig seien. Neben der Drahtwurmbekämpfung sei auch die Reifeförderung zu einem Problem geworden. Denn aufgrund des Wegfalls chemischer Mittel führe die mechanische Krautminderung zu höheren Anteilen an grünen Knollen. Hier sei laut Burger die Züchtung gefordert Sorten zu entwickeln, bei denen die Knollen tiefer im Damm bleiben.
Besonders schmerzlich für die Bauern ist, dass neben dem Verlust an vermarktungsfähiger Ware auch Preisabschläge hinzunehmen sind. Laut Burger seien die ausgelesenen Kartoffeln zwar kein Abfall und können verfüttert oder über Biogasanlagenund Stärkeindustrie verwertet werden, allerdings seien die Erlöse hier so niedrig, dass es einen Kostenausgleich brauche. Burger sieht die Branche samt LEH gefordert, eine Vermarktungsstrategie für heimische Kartoffeln zu entwickeln, die den Anbau sicherstellen soll.

Heimische Ware bald aus

Aufgrund der kleinen Ernte 2023 zeichnet sich heuer ab, dass Speisekartoffeln aus heimischer Ernte bereits Ende Jänner knapp werden könnten. Somit sind bis zum Anschluss an die Heurigen-Saison 2024 drei bis vier Monate mit Importware zu überbrücken – sofern verfügbar. Auch wenn die Erzeugerpreise relativ hoch erscheinen – laut AMA-Auswertung für festkochende Ware der Ernte 2023 im Schnitt 44 Euro/dt (exkl. MwSt.), mindern niedrige Erträge und hohe Absortier-ungen die Erlöse der Bauern. Die heimische Speisekartoffel-fläche fiel 2023 um sechs Prozent auf nur noch knapp 9.200 Hektar (davon 2.100 ha Bio). Laut AMA-Marktanalyse haben nasse Frühjahrswitterung und Trockenheit im Sommer zu niedriegen Erträgen und kleinfallender Ware geführt. Um den Markt versorgen zu können wurden Übergangssorten vorzeitig verkauft wodurch etwa 400 bis 500 Hektar an lagerfähiger Ware fehlen. Dazu kommen noch die Verluste durch den Drahtwurm. Immerhin im Industrie- und Stärkebereich konnte der Bedarf gedeckt werden. Obwohl Landwirte in Oberösterreich den Kartoffelbau ausweiten wollen beurteilt die AMA die Aussichten als „tendenziell eingetrübt“. Es werde, trotz Bekenntnis zur heimischen Vollversorgung, gute Argumente und starke Preise brauchen, um die Landwirte für den Kartoffelanbau zu motivieren.

- Bildquellen -

  • 2401 W04 Burger Lapro: LAPRO
  • 2401 W03 Kartoffel Drahtwurm: agrarfoto.com
- Werbung -
AUTORH.M.
Vorheriger ArtikelSchnelles Gehen unterstützt bei Rauchentwöhnung
Nächster ArtikelPraxisbericht: Kartoffelvielfalt im Bio-Großanbau