Für Gudrun Preßler ist ihre neue Serie „Mein Weg“ ein Herzensprojekt. Die Bäuerin aus Edelschrott will Berufskolleginnen vor den Vorhang holen und deren Geschichten erzählen. „Ich möchte mit Frauen reden, die mit Mut, Willensstärke und Ausdauer die Herausforderungen ihres Berufes annehmen, die aber auch Demut vor der Schöpfung und Empathie den Mitmenschen gegenüber haben“, sagt Preßler. „Ich will von Frauen erzählen, die oft ihre eigenen Interessen in den Hintergrund stellen, aber auch von jenen, die mit Durchsetzungskraft Neues wagen und ganz eigene Wege gehen. Es sollen Geschichten von Frauen sein, die jeden Tag mit Selbstverständlichkeit ihren Tagesablauf bewältigen, einschließlich ihrer Sorgen, Ängste und Träume, einschließlich ihrer Schicksalsschläge, aber auch ihrer Freuden und damit verbundenen schönen Erlebnisse.“
Ihr Ziel und ihre Hoffnung: „Vielleicht gelingt es mir durch dieses Erzählen, dass ich Emotionen wecke und einen authentischen und sympathischen Einblick in das bäuerliche Leben gebe. Vielleicht gelingt es mir, bäuerliche Sichtweisen und bäuerliches Handeln verständlicher zu transportieren.“
Aufgewachsen im Gasthaus
Das Zuhören und Erzählen hat Preßler wohl schon im elterlichen Gasthaus in Graden verinnerlicht. „Ich lernte schon damals viele Menschen kennen und habe ihre Geschichten gehört“, gibt die Weststeirerin Einblicke in ihr Leben. Als junge Frau war sie dann in der Landjugend sehr engagiert, heiratete Werner Preßler und wurde Viehbäuerin.
Zusammen mit sieben weiteren Frauen gründete sie den bekannten Bäuerinnenchor, der sein Gesangsprogramm mit Kabaretteinlagen kombiniert. „Uns ist es ein Anliegen, als eigenständige, selbstbewusste und selbstbestimmte Frauen wahrgenommen zu werden“, sagt Preßler. Die Mutter von zwei Kindern ist in der Zwischenzeit vierfache Großmutter und freut sich schon auf die neuen Begegnungen und Gespräche mit steirischen Bäuerinnen jeden Alters. Auch für jede einzelne Rückmeldung ist sie dankbar.
Maria Oswald
Mein Weg führt mich nach Modriach, zu Maria Oswald. Ich kenne Maria flüchtig aus meiner Landjugendzeit. Ein hübsches junges Mädel aus Ligist mit einer unheimlich angenehmen Stimme, die den Hof ihrer Eltern übernehmen sollte. Ich wusste von ihrer Heirat mit Johann, einem Modriacher Bauernsohn. Und ich weiß noch gut, als mir das Blut in den Adern gefror, als ich vom Tod ihres zweijährigen Buben hörte, der am eigenen Hof vom Traktor überrollt wurde.
Vor einigen Jahren hörte ich diese wunderbare Stimme wieder. Maria hielt das Wachtgebet für einen mir sehr liebgewonnenen Bekannten. So einfühlsam, so tröstend, so zum Verstorbenen passend! Schon damals dachte ich mir: Maria, du bist eine ganz starke, tolle Frau!
Das gelbe Marterl am Hof
Als ich ein Stück oberhalb von Modriach in einen wunderschön gepflegten Hof fahre, fällt mir sofort ein leuchtend gelbes Marterl auf. Es steht mitten am Hof auf einer Blumeninsel zwischen dem schönen Wohnhaus und dem Stallgebäude, das einen neuen Zubau bekommen hat. Wie ich später erfahre, befindet es sich genau auf dem Platz, wo das Unglück passiert ist.
Bei Kaffee und Kuchen frage ich Maria, wie man nach so einer Tragödie weiterlebt. Sie antwortet: „Indem man sich in die Arbeit stürzt und mit der Hilfe eines sehr kleinen, aber sehr nahestehenden Umfelds. Vor allem aber ohne gegenseitige Schuldzuweisung. Jeder in der Familie hat seine Trauer auf seine eigene Art und Weise verarbeitet. Neben der Rinderhaltung war mein Mann im Baumaschinenverkauf tätig und gründete dann eine Versteigerungsfirma. Für ihn war das die Ablenkung! Unser Glück war, dass wir bald darauf unsere weiteren beiden Kinder bekommen durften. Eva kam 1997 und Christoph 1999 zur Welt.
Nebenbei engagierte ich mich in der Pfarre als Pfarrgemeinderätin, wenngleich mein Alltag immer gänzlich ausgefüllt war. Eine gute Freundin hat mich aufgrund dessen angespornt, die Aufnahmeprüfung für Religionspädagogik an der Kirchlich-Pädagogischen-Hochschule zu absolvieren. 2007 habe ich mich aus Neugier und ohne wirkliches Ziel darauf eingelassen. Daraufhin bot man mir an, die Studienberechtigungsprüfung zu absolvieren und gleichzeitig mit dem Studium zu beginnen.
Religionslehrerin
Das war für mich der Einstieg in ein neues Leben. Es hat mich erfüllt, war genau Meines! Ich bin heute 20 Stunden in einer Berufsschule als Religionslehrerin tätig und es ist mein Ausgleich zur Arbeit als Bäuerin. Ich brauche beides, die Arbeit mit den Händen und die Arbeit mit dem Kopf!“
Marias Weg war nie einfach und immer wieder von Schicksalsschlägen gebeutelt. 2012 hatte ihr Mann Johann eine Gehirnblutung und einige Jahre darauf einen schweren Traktorunfall. Immer hing sein Leben am seidenen Faden. Auch Johann musste dadurch kürzertreten. Er hat seine Firma verkauft und widmet sich jetzt gemeinsam mit Maria vor allem seinen 180 Fleischschafen am Betrieb. Sohn Christoph ist gerne Bauer und wird den Betrieb weiterführen.
Erst vor kurzem starb Marias Mutter, die sie zusammen mit ihrem Bruder zu sich auf den Hof nahm und pflegte. „Wann ist Zeit für dich, Maria?“ frage ich. „Wenn ich ein gutes Buch lese, aber auch, wenn ich manchmal auf die Jagd gehe. Beim Ansitzen die Natur beobachten, runterkommen, ruhig werden. Das musste ich lernen! Und da ist dann noch unser Hund, ein Akita. Der ist mir zugefallen von einer Freundin, da die Hündin etwas schwierig war.“ Warum gerade dir, Maria?
Wir gehen noch in den neu angebauten Schafstall. Nur die Lämmer haben Innendienst, aber die fühlen sich sichtlich wohl in dem hellen und freundlichen Gebäude.
Ich fahre beseelt nach Hause! Ja, es gibt nicht nur Glück und Unglück, nicht nur Schwarz und Weiß. Es gibt so viele Grautöne dazwischen, so viel mehr im Leben…
- Bildquellen -
- Mein Weg: Maria Oswald
- Mein Weg: Karl Brodschneider