Hafermilch ist ein Reizwort für Milchbauern und Milchverarbeiter. So auch beim AMA-Milchforum am Mittwoch, 31. Mai, zu dem die AMA-Marketing nach Wien eingeladen hat. Kontrovers entwickelte sich die Debatte, weil der freiberufliche Journalist Andreas Sator manche mit der These reizte, dass die Produktion veganer Lebensmittel klimaschonender und flächensparender möglich sei als die Herstellung von Milch und Fleisch. Zudem benötige die Produktion von Rindfleisch bei identer Eiweißmenge mehr Fläche als Schwein oder Geflügel, so Sator. Speziell Rindfleischproduktion sei demnach nachteilig für das Klima.
Ohne Tierhaltung kein Wirtschaftsdünger
Die Forderungen aus dem Teilnehmerkreis nach mehr Differenzierung bei dieser Argumentation und Berücksichtigung des Grünlands als Futtergrundlage hat Wilhelm Windisch, Professor für Tierernährung an der TU München, beleuchtet. Für ihn sei klar, dass bei knapper werdender Fläche die Erzeugung pflanzlicher Nahrung für den Menschen Vorrang haben müsse. „Nutztiere dürfen keinem Menschen etwas wegessen“, sagte Windisch. Zu bedenken sei allerdings, dass „bei der Produktion von einem Kilogramm veganem Lebensmittel mindestens vier Kilogramm für den Menschen nicht essbare Biomasse anfallen“. Es sei essenziell, diese großen Mengen an Biomasse im Kreislauf zu halten. Die Verwertung als Tierfutter sei letztlich deutlich effizienter, als die Ernte- und Verarbeitungsrückstände verrotten zu lassen. Zudem sei der aus Tierhaltung anfallende Dünger Grundlage für eine gezielte und effiziente Pflanzenernährung. Summiere man die pro Hektar und Jahr erzeugbare Nahrungsmenge, dann schneide gerade die Milchviehhaltung noch besser ab als die Verwertung der Ernterückstände in Biogasanlagen, so Windisch.
Rein vegan verursacht mehr Emissionen
Zum Flächenverbrauch der Rinderhaltung stellte der Professor fest, dass weltweit mehr als 70 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche reines Grasland seien „und somit für die menschliche Ernährung nicht nutzbar“. Im Alpenland Österreich beträgt der Grün-
landanteil etwa 50 Prozent. Windisch: „Hinsichtlich der Nahrungskonkurrenz zum Menschen sind Wiederkäuer deutlich effizienter als Schwein oder gar Geflügel. Weil sie eben für den Menschen nicht essbare Biomasse verwerten können.“ Würde man aus den Futterrationen die für den Menschen verwertbaren Anteile eliminieren, dann blieben Rindfleisch und Milch am effektivsten. „In diesem Fall würde die Produktion um etwa 25 Prozent zurückgehen. Bei Schweinefleisch würde die Produktion um etwa die Hälfte sinken, bei Geflügel sogar um satte 75 Prozent, weil hier eben der Anteil hochwertiger Futterkomponenten am höchsten ist“, erklärte der Fachmann.
Sogenannte „Low-Input“-Kreislaufwirtschaft mit Nutztieren habe die geringste Umweltbelastung. Eine tierlose oder gar „rein vegane“ Landwirtschaft brauche also mehr Ressourcen und verursache mehr Emissionen, so Windisch.
Zum in der Kritik stehenden Methan-Ausstoß der Rinderhaltung stellte Windisch gleichlautend mit BOKU-Professor Stefan Hörtenhuber fest, dass es dafür ein neues Bewertungssystem brauche. Nach den bisherigen Methoden werde die Klimawirksamkeit des Methan-Austoßes der Wiederkäuer jedenfalls überbewertet.
Milchproduktion ist absolut zeitgemäß
Was die Haferdrinks betrifft, so möge diese jeder konsumieren, dem sie schmecken, meint Windisch. Gegenüber Kuhmilch könnten diese aber „nur eine Ergänzung, aber kein Ersatz sein“. Windisch: „Wenn man aus Hafer schon ein Getränk macht, so müsste man auch die Reststoffe verwerten, die beim Absieben übrig bleiben. Wer das nicht macht, wirft wunderbares Tierfutter weg.“
Milchproduktion im alpinen Raum sei demgegenüber absolut zeitgemäß, weil sie regenierbares Futter hocheffizient verwertet.
Die Kuh soll ihr Leben chillen können
Wie man in Deutschland in Sachen „Imagepflege bei Milch und Milchprodukten“ vorgeht, dafür gab es beim AMA-Milchforum zwei interessante Beispiele.
Oliver Bartelt, er ist Leiter der Unternehmenskommunikation beim Deutschen Milchkontor (DMK), hat die neu entwickelte Unternehmensstrategie „DMK 2030“ vorgestellt. Das genossenschaftliche Unternehmen zählt mit rund 5.000 Lieferanten und 6,3 Millionen Tonnen Jahresmenge zu den größten Molkereien in Deutschland. Anstelle der traditionellen Fokussierung auf Menge und Produktion stellt man bei DMK nun Konsumentenwünsche und Umweltnutzen in den Vordergrund. Dazu gehört auch die erst jüngst vorgestellte Produktreihe „Milram“. Sie umfasst vegane Aufstriche, Käsealternativen und Desserts.
In Sachen Klimaschutz wurden vom DMK drei „Net Zero Farms“ als Pilotbetriebe eingerichtet, die mit wissenschaftlicher Unterstützung die CO2-Emissionen in allen Betriebsbereichen reduzieren und als Vorbild für alle DMK-Milchlieferanten dienen sollen.
Kerstin Wriedt präsentierte als Geschäftsführerin die „Initiative Milch“, die mit Podcasts und Talk-Formaten mit flotten Sprüchen in sozialen Medien die Generation von 18 bis 26 ansprechen will. Unterstützt wird die Initiative von rund 50 Unternehmen, die dafür in Summe ein Jahresbudget von etwa drei Millionen Euro zur Verfügung stellen. Zum Vergleich: Die AMA hat aus dem Bereich Milch nach dem neuen Beitragsmodell jährlich ein Aufkommen von rund elf Millionen Euro.
www.initiative-milch.de
- Bildquellen -
- 2323 W03 Windisch, Mutenthaler Sipek, Kerstin Wriedt, Alexander Anton, Peter Hamedinger: AMA-Marketing
- 2303 W02 Initiative Milch Podcast Tarik: initiative-milch.de
- 2303 W01 Holstein Gruenfutter: agrarfoto.com