Der Wald in Osttirol leidet derzeit unter einem noch nie dagewesenen Borkenkäferbefall: Die extremen Waldschäden der letzten Jahre mit Naturkatastrophen wie dem Sturmereignis VAIA 2018 und zwei extremen Wintern in Kombination mit vergleichsweise wenigen Niederschlägen und wärmeren Temperaturen im Jahr 2022 boten den Waldschädlingen ideale Bedingungen für eine besonders starke Vermehrung. Im Rahmen seines Besuchs in Osttirol gab LHStv. Josef Geisler im Beisein von BH Olga Reisner und Landesforstdirektor Josef Fuchs gemeinsam mit der Bezirksforstinspektion und der Wildbach- und Lawinenverbauung vergangene Woche in St. Veit in Defereggen bei Bürgermeister Vitus Monitzer einen Überblick zur Borkenkäfersituation sowie den bereits gesetzten und weiteren, geplanten Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung und Aufrechterhaltung der Schutzfunktion des Waldes.
„Das Jahr 2022 steht in Osttirol ganz im Zeichen des gemeinsamen Kampfes gegen den Borkenkäfer. Wir stehen hier vor enormen Herausforderungen, aber müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um den massiven Schäden am so wichtigen Schutzwald entgegenzuwirken, denn: Waldschutz bedeutet gleichzeitig auch den Schutz für Siedlungsraum und Bevölkerung vor Naturgefahren. Das hat für uns oberste Priorität“, betont LHStv. Geisler.
Weitere Schritte zum Erhalt des Schutzwaldes abgestimmt
LHStv. Geisler kam mit den zuständigen FachexpertInnen in Osttirol zum Lokalaugenschein zusammen. Dabei wurden auch weitere Schritte zu den bereits bestehenden Anstrengungen für den Erhalt und die Wiederherstellung des Schutzwaldes besprochen. Künftig soll es eine klare Konzentration der forstlichen und technischen Maßnahmen auf Wälder mit direkter Objektschutzwirkung – also etwa den Schutz von Gebäuden – geben, jeweils in enger Abstimmung mit der Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV). „Das heißt: Dort, wo der Wald Häuser und Wohnungen geschützt hat und nun vom Borkenkäfer befallen ist, werden prioritär Maßnahmen gesetzt – zum Teil auch Verbauungen der Wildbach- und Lawinenverbauung“, erklärt LHStv. Geisler. „Es wird derzeit intensiv an einem Maßnahmenkatalog mit Priorisierung von technischen Möglichkeiten zur Kompensation des Verlustes der Waldwirkung für den Siedlungsbereich gearbeitet“, so Ivo Schreiner, Leiter-Stellvertreter der Wild-
bach- und Lawinenverbauung, Sektion Tirol.
Das Hauptaugenmerk beim Forstschutz wird darauf liegen, Holznutzungen auf „frischem“ Stehendbefall zu konzentrieren. Es wird keine Förderungen für Nutzungen von Totholz geben. Eingebautes Holz (hohe Stöcke, quergefällte Bäume) werden finanziell abgegolten. Ein zentraler Punkt ist auch die konsequente Wiederbewaldung der Schadflächen mit klimafitten Baumarten. Zudem soll die Schadholzvermarktung optimiert werden. Dafür sollen zusätzlich Unternehmen – etwa für die Schlägerung und Erhöhung der Transportkapazitäten – gewonnen werden und intensive Gespräche mit der Holzindustrie folgen. Zudem gibt es die Absicht, mit dem Bund an einer Lösung im Sinne einer Holz-Gas-Strategie zu arbeiten, um für minderwertiges Holz eine möglichst hohe Wertschöpfung erzielen zu können.
Hälfte der forstlichen Förder-mittel geht nach Osttirol
Im Rahmen der forstlichen Förderung fließen in diesem Jahr insgesamt rund 7,2 Millionen Euro in den Bezirk Lienz. „Das ist etwas mehr als die Hälfte aller Förderungsmittel für ganz Tirol, die hier Osttirol zugutekommen“, so LHStv. Geisler. „Die Osttirolerinnen und Osttiroler können sich auf die Unterstützung des Landes verlassen. Die erforderlichen öffentlichen Mittel werden in den nächsten Jahren beibehalten werden, bei Bedarf kann man auch aufstocken.“
Die Fördermittel verteilen sich auf rund vier Millionen für flächenwirtschaftliche Projekte, 2,6 Millionen aus dem Waldfonds für die Aufforstung, Nass- und Trockenlagerung von Schadholz und Forstschutzmaßnahmen sowie rund 600.000 Euro für den Wegebau. Insgesamt werden dadurch knapp 10 Millionen Euro an Investitionen in den Wald ausgelöst.
Schwierige Ausgangssituation mit geschwächtem Wald
Durch Windwurf und Schneebruch entstanden in den Jahren 2018 bis 2020 rund 2,2 Millionen Kubikmeter Schadholz in Osttirol. Zu den Schadereignissen kamen heuer weitere Faktoren hinzu: Eine ungünstige Witterung mit nur zwei Drittel der durchschnittlichen Niederschlagsmenge, um drei bis vier Grad wärmere Temperaturen als im langjährigen Durschnitt und eine um 20 Prozent höhere Sonnenscheindauer. „Diese Umstände haben die Wälder geschwächt und die Ausbreitung des Borkenkäfers begünstigt. Denn: Je schwächer ein Baum ist, umso anfälliger ist er für Schädlinge. Ab Mitte Mai 2022 kam es auch aufgrund der beschriebenen Witterungsverhältnisse zu einer explosionsartigen Ausbreitung des Borkenkäfers“, informiert Landesforstdirektor Josef Fuchs.
Im Jahr 2021 wurden rund 105.000 Kubikmeter Holz vom Borkenkäfer befallen, im heurigen Jahr werden es voraussichtlich rund eine Million Kubikmeter Holz sein. „Die bisherige Schadholzmenge von 3,2 Mio. Kubikmeter entspricht rund der 15-fachen Menge der Normalnutzung eines Jahres“, so Landesforstdirektor Fuchs.
Erste Bilanz der bisherigen Forstschutzmaßnahmen
„Mit enormer Kraftanstrengung und Mithilfe aller verfügbaren Ressourcen konnten bisher rund zwei Millionen Kubikmeter Schadholz aufgearbeitet werden“, so Erich Gollmitzer, Leiter des Bezirksforstinspektion Lienz. An neuralgischen Stellen und im Objektschutzwald wurden rund 130 Käferfallen aufgestellt. Mit über 4.000 TRINET-Systemen – pyramidenförmige Dreibeingerüste, über die ein Netz mit Anti-Schädlings-Wirkstoff gespannt wird – konnten rund 220 Millionen Käfer beseitigt werden. Zudem kamen 300 Fangvorlagen zum Einsatz“. Dies alles war nur durch das Zusammenwirken der tatkräftigen Unterstützung der ForstkollegInnen aus Nordtirol mit den Osttiroler KollegInnen möglich. So wurden insgesamt 6.600 Einsatzstunden im Bezirk Lienz geleistet.
Weitere Schritte für den Schutzwald
- Konzentration der forstlichen und technischen Maßnahmen auf Wälder mit direkter Objektschutzwirkung, enge Abstimmung mit WLV
- Forstschutz: Holznutzungen nur noch bei „frischem“ Stehendbefall – keine Nutzungen von Tothol
- Entschädigung von „eingebautem Holz“ (hohe Stöcke, Querbäume, etc.)
- Wiederbewaldung der Schadflächen
- Etablierung neuer Formen der Schadholzvermarktung
- Lösung im Sinne einer „Holz-Gas-Strategie“ soll mit Bund erarbeitet werden, um für minderwertiges Holz möglichst hohe Wertschöpfung zu erzielen
- Fördermittel beibehalten und bei Bedarf erhöhen
- Bildquellen -
- Besprechung Defereggental: Land Tirol/Reisner