Seit Ende Mai läuft in Österreich die diesjährige Saison bei den Speiseerdäpfeln. In den vergangenen Wochen und Monaten ging es auf diesem Markt besonders turbulent zu. Schon vor dem Legen der Erdäpfel stiegen die Preise der meisten anderen Marktfrüchte. Branchenintern rechnete man bereits im Frühjahr mit einem deutlichen Rückgang der Speisekartoffelfläche. Mit 380 Hektar weniger als noch 2021 fiel diese aber nicht so hoch aus wie erwartet. Mittlerweile werden knapp ein Viertel (24 %, 2.300 ha) der Speisekartoffeln in Österreich biologisch kultiviert.
Fortgesetzt hat sich heuer auch der Trend zum Anbau früher Sorten im Burgenland und der Steiermark, wo man mittlerweile knapp ein Drittel (30 %) der Frühkartoffelfläche findet. Klimabedingt nach Frostberegnung und Abdeckung mit Folie und/oder Vlies, startet die Ernte in diesen beiden Bundesländern auch früher als etwa in Niederösterreich, wo sich gut die Hälfte (55 %) der Anbauflächen mit den „Heurigen“ finden. Die Preise für die Frühkartoffeln für den Lebensmitteleinzelhandel werden damit – anders als bei den Lagererdäpfeln – nicht (mehr) in Niederösterreich gemacht.
Erreichen die heranwachsenden Knollen in Niederösterreich die entsprechende Größe und damit Erträge, ist der Erzeugerpreis zumeist schon stark unter Druck. So auch heuer.
Enormer Preisdruck
Aktuell ist das „Heurige“- Angebot sehr hoch. Bei sinkenden Preisen roden die Landwirte daher lieber früher als später, was zudem auf die Preise drückt. Dazu kommt das Angebote-Match der untereinander konkurrierenden Händler mit dem Lebensmitteleinzelhandel, was den Preis- und Konkurrenzdruck auch auf dieser Ebene verstärkt. So herrscht am Erdäpfelmarkt derzeit eine völlig andere Situation als bei – praktisch allen – anderen Marktfrüchten, deren Preise derzeit gegenüber früheren Jahren deutlich höher sind.
Der Klimawandel, Einschränkung bei Pflanzenschutzmitteln und als deren Folgen ein erhöhter Schädlingsdruck machen es den Erdäpfelbauern immer schwerer, auch den wachsenden Ansprüchen vieler Konsumenten an die beliebten Knollen zu entsprechen. Extrem hohe Aussortierungsmengen etwa wegen Drahtwurmlöchern, Verformungen oder Druckstellen sind für die Erzeuger immer größere Herausforderungen. Dazu kommen massiv gestiegene Produktionskosten für Kraftstoffe und Dünger und der erhöhte Arbeitszeiteinsatz. Die stark anziehenden Preise für Getreide, Ölfrüchte, Rüben und andere Marktfrüchte bergen speziell für die Speiseerdäpfeln die Gefahr, völlig ins Hintertreffen zu geraten.
Teure Lagerkosten
Wenn sich deren Erzeugerpreise bis zur Haupternte nicht erholen und auch die Lagerkosten erneut nicht bezahlt werden, gehen Branchenbeobachter von deutlichen Flächenreduktionen im Anbaujahr 2023 aus.
Fazit: Will man die Versorgungssicherheit mit heimischen Speisekartoffeln sicherstellen, sind bereits heuer entsprechend attraktive Preise nötig. Andernfalls werden anstelle der aufwändigen Knollen andere Kulturen gebaut, die aus heutiger Sicht sogar höhere Deckungsbeiträge erzielen dürften. Dies gilt sowohl für Feldfrüchte am freien Markt als auch für Vertragsware für die Industrie. Immerhin: Von letztgenannter wurden bereits Preiserhöhungen in Aussicht gestellt.
Anita Kamptner
| DI Anita Kamptner ist Kartoffelbau-Beraterin der LK Niederösterreich |
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