Bei einer Prüfung zur Umsetzung der GAP ist der EU-Kommission im Jahr 2018 aufgefallen, dass es Unklarheiten bei der Abgrenzung der extensiven Grünland- und Almflächen gibt. Die Alpenrepublik habe Flächen nicht richtig abgegrenzt, weshalb Österreich jetzt 68,27 Mio. Euro zurückzahlen soll. Dieser Beschluss der EU-Kommission wurde Freitag, 10. Juni 2022, im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Für Österreichische Almbauern gehen die Zahlungen wie gewohnt weiter.
EU fordert Direktzahlungen zurück
Bei einem Hintergrundgespräch mit dem Sektionschef des (noch) Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, Johannes Fankhauser, wurde bestätigt, dass die EU-Kommission von Österreich eine hohe Summe einfordere. Fast 70 Mio. Euro soll Österreich laut den Brüsseler Behörden zu viel erhalten haben.
Konkret geht es um eine Prüfung, die schon im Jahr 2018 stattgefunden hat und die GAP-Periode 2014 bis 2020 betrifft. Im Verfahren geht es ausschließlich um die Zahlungen aus der 1. Säule, welche eben zu 100% aus EU-Mitteln finanziert ist. Es betrifft also die Direktzahlungen für Grünland, Acker- und Almflächen im Zeitraum von 2015-2019, da dort die Umsetzung stattgefunden hat. Die seit Jahren praktizierte Abgrenzung der extensiven Dauergrünlandflächen wird beanstandet.
„Alm“-Begriff wird zum Zankapfel
Es geht um die Frage der Definition: Was ist eine Alm und was nicht? „Die EU-Kommission hat hinterfragt, ob Österreich diese Abgrenzung ordentlich umgesetzt hat“, schildert Fankhauser die Hintergründe. In Österreich war bis 2020 ein differenziertes System gängig. Also eine Unterteilung in extensive Fläche, mehrschnittiges Grünland und in Ackerfläche. Theoretisch betroffen sind davon jetzt alle landwirtschaftlichen Betriebe. Laut Invekos sind es 2,6 Mio. Hektar Fläche, für die Direktzahlungen bezogen werden. 310.000 Hektar davon sind Almen.
Zahlungen an Almbauern gehen ungehindert weiter
„Es gibt keine Rückforderungen von den Bauern, die Zahlungen gehen normal weiter“, versichert der Sektionschef. Und auch was die aktuellen Forderungen betrifft, beruhigt Fankhauser: „Wir sind uns sicher, dass wir die 68 Mio. Euro nach dem Beschluss im OEGH-Verfahren zurückbekommen werden.“ Auch bei anderen EU-Mitteln sei der Zahlungsfluss uneingeschränkt. 68 Mio. Euro an Rückzahlungen seien viel und es könnte dazu kommen, dass übergangsmäßig national ausgeholfen werden muss. Man sei aber insgesamt überzeugt davon, die Unklarheiten, welche die EU-Kommission aktuell sieht, mit guten Argumenten widerlegen zu können. Der Disput resultiere vielmehr daraus, dass die Flächenberechnung „genauer geworden ist“, meint Fankhauser.
Einspruch bei EuGH
„Wir sind überzeugt davon, dass wir richtig umgesetzt haben. Deshalb gehen wir als EU-Land jetzt zum Europäischen Gerichtshof“, ist sich Sektionschef Fankhauser in der Sache relativ sicher. Erst nachdem der Beschluss veröffentlicht wurde, könne Österreich formal den Einspruch erheben. Andere Mitgliedsstaaten hätten damit schon Erfahrungen und hätten auch Recht behalten. Für die Finanzierung problematisch könnte lediglich die Verfahrensdauer werden. Bis zu 2 Jahre könne das Verfahren dauern und somit Geld ausbleiben.
- Wie kommt es zu einer Summe von 68 Mio. Euro? Am Beginn habe die EU-Kommission eine pauschale Anlastung in der Höhe von 340 Mio. Euro veranschlagt. Das entspricht 10% aller Direktzahlungen von 2015-2019. Im Laufe des Verfahrens habe Österreich aber stichhaltige Argumente einbringen können, weshalb sich die Summe reduziert habe.
- Wer springt ein, wenn Österreich das Verfahren verliert? Weitere unabhängige Stellen sollen Gutachten erstellen. Österreich werde ausreichend Argumente haben, um Unklarheiten aus dem Weg zu räumen. Es könnte jedoch eine Zwischenfinanzierung notwendig werden. Hier werde man aber darauf achten, dass die Mehrbelastungen nicht auf die Betroffenen abgewälzt werden.
- Mehr Sicherheit mit neuem System? Das neue System sei noch besser abgestimmt, im GAP-Strategieplan verankert und vorher schon begutachtet worden, versichert Fankhauser. Das Abgrenzungssystem erfolge mittels Bundesänderalmkataster. Für die Bewertung der einzelnen Flächen sind Faktoren wie Klima, Bewirtschaftung oder Höhenlage ausschlaggebend.
Beispiel: Zillertal in Tirol
Es gäbe produktive Talflächen, auf den Hängen seien teils intensive Bergbauernbetriebe und oben sind eher extensive Almen. Unten im Tal sei vorwiegend Grünland und Acker, darüber gäbe es die Regionen der Almen. „Das sind Gebiete mit schwierigen klimatischen Bedingungen oder sonstiger Benachteiligung“, erklärt Fankhauser. Laut EU-Kommission habe die Abgrenzung in so einem Gebiet nicht genau gestimmt und somit hätten einzelne Betriebe zu viel, andere zu wenig Zahlungen bekommen.
„Wir haben uns einzelnen Prüfern ausgeliefert gefühlt. Wiewohl eine unabhängige Prüfung absolut notwendig ist“, bemerkt der Sektionschef.
Festgestellt habe das die Kommission mit Stichprobenkontrollen in ausgewählten Gebieten. Daraus schließen die Brüsseler Behörden folgend, dass Österreich die Unterteilung systematisch falsch gemacht habe. Fankhauser sagt, dass man sich punktuell ausgeliefert gefühlt habe.
- Bildquellen -
- Alm: Rieberer