Eine Bäuerin und Politikerin aus Leidenschaft ist Waltraud Ungersböck aus Scheiblingkirchen-Thernberg. Den Dialog mit der Gesellschaft sieht sie ebenso notwendig, um die bäuerlichen Betriebe für künftige Herausforderungen zu rüsten, wie die Umsetzung der im Koalitionsabkommen der Bundesregierung vereinbarten Herkunftskennzeichnung.
BauernZeitung: Frau Abgeordnete, Sie sind vor etwas mehr als zwei Jahren in den Niederösterreichischen Landtag eingezogen. Wie fällt Ihre Bilanz über diese Zeit aus?
Ungersböck: Hinter mir liegt eine sehr spannende, lehrreiche und vor allem intensive Zeit. Leider war mir nur eine kurze Eingewöhnungsphase gegönnt. Bereits sechs Wochen nach meiner Angelobung hatte uns die Coronapandemie fest in ihren Händen. Die Pandemie hat die Aufgaben und Herausforderungen für die Politik schlagartig verdoppelt. Vieles war neu zu bewerten – immer mit dem Fokus auf das Pandemiegeschehen und die Gesundheit der Menschen. Auch wenn eine sehr herausfordernde Zeit hinter uns liegt, hat die Coronakrise doch bewirkt, dass Regionalität an Bedeutung gewonnen hat und die Wertschätzung gegenüber der bäuerlichen Arbeit in der Gesellschaft gestiegen ist. Die Versorgungssicherheit mit eigenen Lebensmitteln wird – noch einmal verstärkt durch den Ukraine-Krieg – als zentrale Aufgabe der Landwirtschaft erkannt.
Was waren die besonderen politischen Herausforderungen und was konnte konkret für die Land- und Forstwirtschaft in dieser Zeit erreicht werden?
Das Land Niederösterreich hat sehr früh auf Coronahilfen gesetzt, so konnten wir im März dieses Jahres sogar weniger Arbeitslose verzeichnen als vor der Krise. Mit der ökosozialen Steuerreform werden Bauernfamilien mit Steuersenkungen, Änderung der Pauschalierungsgrenzen oder mit der geplanten Senkung der Mineralölsteuer für Diesel – um nur einiges zu nennen – entlastet. Auch der Klima- und Energiefahrplan des Landes Niederösterreich bietet uns Bäuerinnen und Bauern die Möglichkeit, die Klimawende mitzugestalten.
Sie sind nicht nur Landtagsabgeordnete, sondern auch Vizebürgermeisterin in Ihrer Heimatgemeinde. Wie lässt sich das zeitlich mit Ihrem Beruf als Bäuerin vereinbaren?
Mein Mann und ich führen seit 2000 einen Milchviehbetrieb im Vollerwerb. Wir sind in der glücklichen Situation, bereits die nächste Generation am Betrieb zu haben. Unser Sohn arbeitet hauptberuflich seit zwei Jahren am Hof mit. Auch seine Lebensgefährtin übernimmt neben ihrem Beruf als Kindergartenpädagogin viele Aufgaben am Hof. Dies schafft wiederum mir den nötigen Freiraum, mich um meine politischen Aufgaben zu kümmern.
Sie bieten zudem „Schule am Bauernhof“ an und sind eine zertifizierte Seminarbäuerin. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Mein Mann und ich hatten anfangs oft Schwierigkeiten mit Anrainern. Auch wir mussten lernen, dass nicht jeder weiß, was wir auf unserem Hof tun. Mit der Schule am Bauernhof zeigen wir, wie Landwirtschaft funktioniert und heben so den Mehrwert hervor, den wir Bäuerinnen und Bauern für die Gesellschaft liefern.
Jetzt hat die Bundesregierung ein Gesetz zur Herkunftskennzeichnung beschlossen. Wie zufrieden sind Sie damit und warum hat das Thema für Sie so große Bedeutung?
Endlich wurde nach den Inhalten des Koalitionsabkommens der Regierungsparteien gehandelt. Seit Jahren haben wir auf die Umsetzung dieser Forderung gepocht, die nun ab 2023 in Kraft treten soll. Eine transparente Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln gibt den Konsumentinnen und Konsumenten die Möglichkeit, sich bewusst für die Herkunft eines Lebensmittels zu entscheiden. Ohne diese Transparenz bei verarbeitenden Lebensmitteln und in der Gemeinschaftsverpflegung ist eine nachhaltige Stärkung unserer Betriebe nicht möglich.
Glauben Sie, dass sich dadurch das Einkaufsverhalten vieler Konsumenten verändern wird?
Auf jeden Fall kann künftig die Herkunft einzelner Primärzutaten wie Fleisch, Milch und Ei leicht erkannt werden. Da wird es sicher viele Aha-Erlebnisse geben. Wenn vom gleichen Produkt auch Auswahl aus Österreich vorhanden ist, wird der eine oder andere mit Sicherheit lieber zu inländischer Ware greifen.
Sie sind sowohl in der Landes- als auch in der Kommunalpolitik verankert. Wo sehen Sie die großen Unterschiede und wo gibt es auch Gemeinsamkeiten?
Aus meiner Sicht unterscheidet sich die Landes- als auch die Kommunalpolitik nicht wesentlich voneinander. In beiden Fällen geht es darum, für die Menschen und ihr Umfeld gute Strukturen zu schaffen und auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Da gibt es kurz-, mittel- und langfristige Aufgaben und Herausforderungen. In der Landespolitik können wir in die Landesgesetzgebung eingreifen und diese gestalten. Als Kommunalpolitikerin muss ich dann nach diesen Gesetzen handeln.
Die Politik ist immer noch sehr von Männern dominiert. Was braucht es jetzt, damit sich mehr Frauen wie Sie politisch engagieren?
Wir leben zwar im 21. Jahrhundert, dennoch leisten Frauen immer noch viel unentgeltliche Arbeit wie Hausarbeit, Kindererziehung oder Altenbetreuung. Sie sind dadurch zu wenig für berufliche oder politische Tätigkeiten freigespielt. Auch braucht es als Frau genügend Selbstbewusstsein, um sich in einer männerdominierenden Runde Gehör zu verschaffen. Das Bewusstsein, dass es auch Frauen in der Politik braucht, ist zwar sicher gestiegen. Dazu braucht es aber auch die geeigneten Rahmenbedingungen. Ich bin überzeugt, dass vieles zu Gunsten der Frauen umgestaltet werden kann, um ideale Bedingungen für deren politisches Engagement zu schaffen.
Waltraud Ungersböck ganz privat
Damit die Leserinnen und Leser der BauernZeitung Waltraud Ungersböck auch von ihrer persönlichen Seite kennenlernen können, wurde sie von der Redaktion zum Wordrap-Interview gebeten:
Ich bin… „ein Tausendsassa.“
Was ich zuletzt gelesen habe? „Den Roman ,Der Trafikant‘ von Robert Seethaler.“
Als Kind wollte ich unbedingt… „ein Baumhaus bauen.“
Gerne einmal persönlich treffen würde ich… „Erni Mangold.“
Mein Lieblings-Urlaubsziel? „Das Ausseerland.“
Meine bisher größte Herausforderung war… „der Einstieg in den NÖ Landtag.“
Genuss bedeutet für mich… „frische, regionale Lebensmittel zu verwenden.“
Mein größtes Laster? „Schokolade.“
Auf eine einsame Insel würde ich diese drei Dinge mitnehmen… „mein Handy, ein Kirschkernsackerl und Schokolade!“
In zehn Jahren möchte ich… „Noch immer in der Politik sein.“